Die Arbeitsbedingungen für Nachwuchswissenschaftler*innen müssen deutlich verbessert
werden. Das gilt sowohl für die Universitäre, wie auch für die Außeruniversitäre
Forschung. Die Arbeitsbedingungen für junge Wissenschaftler*innen (Promovierende und
Post-Docs) sind schlecht. Als das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein
Informationsvideo zum WissZeitVG veröffentlichte mit der Aussage, das WissZeitVG
verhindere die “Verstopfung” von Stellen und die “Fluktuation fördere die
Innovationskraft”, war die Empörung unter wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen groß,
der Hashtag #ichbinhanna wurde ins Leben gerufen. Leider argumentiert aber die
Hochschulrektorenkonferenz (HRK) aktuell bei ihren Vorschlägen zur Änderung des
WissZeitVG dennoch genau so. Zur Realität des wissenschaftlichen Personals (von
Doktorand*innen bis Juniorprofessor*innen) gehören:
unsicheres Privatleben
Eine wissenschaftliche Karriere endet nach 12 Jahren befristeter Verträge, wenn keine
Festanstellung oder Professur erreicht wurde. Durch die schlechten Arbeitsbedingungen
und die fehlende Planbarkeit ist Vereinbarkeit von Beruf und Familie kaum gegeben.
Dies ist auch der Grund, warum nur 27% der W2-Professuren von Frauen besetzt sind,
während der Frauenanteil bei Promotionen noch 45% beträgt.
Befristungen:
Dazu bedarf es einer Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Bundesebene, das
Kettenbefristungen maximal eingrenzt und eine Befristungsquote von unter 35%
gewährleistet und die aktuelle geltende maximale Beschäftigungsdauer von 12 Jahren
muss fallen, um einen leistungsfähigeren Mittelbau zu ermöglichen und mehr
Flexibilität und Sicherheit in der Lebensplanung von jungen Akademiker*innen zu
gewährleisten. Dazu müssen Qualifizierungsziele und Mindestvertragslaufzeiten
gesetzlich vorausgesetzt werden.
Promovierende:
Promovierende brauchen Arbeitsverträge, die ihnen genug Zeit zum Promovieren
ermöglichen. Wir fordern Mindestlaufzeiten von mindestens vier Jahren für
Erstverträge in der Promotionsphase. Dabei ist besonders die zeitliche und
finanzielle Berücksichtigung von Elternzeit, Krankheits-, Angehörigenpflegezeiten,
Lehre oder administrativen Aufgaben wichtig. Langfristig sollen die
Vertragslaufzeiten, orientiert an der durchschnittlichen Promotionsdauer, auf sechs
Jahre angehoben werden. Die Lehrtätigkeit von Promovierenden soll grundsätzlich auf
maximal 2 Semesterwochenstunden begrenzt sein.
Post-Docs:
Die Anzahl der befristeten Postdoc Stellen muss reduziert und gleichzeitig die Anzahl
der unbefristeten Stellen für Forschende und Lehrende ausgebaut werden. Das
Verhältnis zwischen befristeten und unbefristeten Stellen muss die Möglichkeit
sicherstellen, dass mit der Entscheidung zum Post-Doc auch die Entscheidung für eine
akademische Laufbahn verbunden ist. Um den meist jungen Post-Docs Planungssicherheit
zu geben, brauchen wir grundsätzlich eine Entfristung nach der Promotion,
insbesondere bezüglich Daueraufgaben. Eine Befristung soll nur dann möglich sein,
wenn eine Anschlusszusage geregelt ist. Das bedeutet, dass sofern die vereinbarten
Entwicklungsziele von den Post-Docs eingehalten werden, Post-Docs die zugesagte
Entfristung enthalten. Im Übrigen soll eine weitere Anstellung an der selben
Universität nur in einem unbefristeten Verhältnis erfolgen dürfen. Im Post-Doc
Bereich sollten die Grundsätze „keine Befristung für Daueraufgaben“ und „keine
Befristung ohne Dauerperspektive“ gelten
Wir fordern, dass mindestens drei Viertel der Arbeitszeit von Promovierenden für ihre
Qualifikation festgeschrieben wird. In der Praxis haben Promovierende während ihrer
Arbeitszeiten oft nicht ausreichend Zeit, sich ihrer eigenen wissenschaftlichen
Arbeit zu widmen. Dadurch ist es in vielen Fällen gar nicht möglich, dass die
Promotion in der dafür vorgesehenen Zeit erreicht wird. Bei einer Teilzeitstelle wird
dennoch erwartet, dass Promovierende mindestens Vollzeit arbeiten bzw. ihre Promotion
in ihrer “Freizeit” schreiben. Für uns ist das ein Beispiel für die Umgehung von
Tarifverträgen. Wir fordern stattdessen 100% Lohn für 100% Arbeit! Dies darf von den
Hochschulen nicht umgangen werden. Außerdem fordern wir, die Durchsetzung von
Arbeitsschutz wie z.B. Arbeitszeiterfassung auch in der Wissenschaft und Vergütung
der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit statt Teilzeitstellen, bei denen in Vollzeit
gearbeitet wird.
Studentische und Wissenschaftliche Hilfskräfte
Studentische Hilfskräfte leisten einen wichtigen Beitrag für Lehre und Forschung an
den Hochschulen. Um faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, müssen auch
studentische Beschäftigte in die Personalvertretungsgesetze der Länder aufgenommen
werden. Wissenschaftler*innen sowie studentische Beschäftigte haben außerdem einen
Anspruch auf tarifvertraglichen Schutz. Wir fordern daher, in Bezugnahme auf das
Templiner Manifest der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft), die
Ausdehnung des Geltungsbereichs der Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes
auf alle Beschäftigten in Lehre und Forschung. Unbefristete Arbeitsverträge für
Studierende bei Finanzierung aus Haushaltsmitteln oder bei Einsatz im Lehrbetrieb.
Nichtbezahlung in vorlesungsfreien Zeiten und jahrelange Kettenbefristung bei
gleichbleibender Tätigkeit müssen der Vergangenheit angehören! Zudem fordern wir die
Aufhebung der Beschäftigungshöchstdauer von sechs Jahren für Studierende. Diese
Regelung betrifft insbesondere Studierende, die mit der Beschäftigung an der
Hochschule ihr Studium finanzieren und daher schon zu Beginn ihres Studiums eine
Tätigkeit aufnehmen. Studierende, die länger für ihr Studium benötigen und auf ihre
Anstellung angewiesen sind, müssen auch die Möglichkeit haben weiterhin an der
Hochschule angestellt sein zu können. Wir solidarisieren uns mit der bundesweiten
TVStud-Bewegung sowie deren lokalen Basisgruppen an den Hochschulen und schließen uns
ihren Forderungen an. Hierzu zählen insbesondere ein existenzsichernder Mindestlohn,
Urlaubsansprüche, eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mindestvertragslaufzeiten,
Mitbestimmung und demokratische Teilhabe durch Personalräte für studentische
Beschäftigte sowie regelmäßige Lohnerhöhungen durch die Anbindung an die
Lohnsteigerungen im TVL. Nicht jede*r erhält die Möglichkeit, eine Stelle als
studentische oder wissenschaftliche Hilfskraft an den Hochschulen zu finden. Daher
gilt unsere Unterstützung auch diejenigen, die unter vergleichbaren oder schlechteren
Bedingungen in der freien Wirtschaft arbeiten. Wir fordern, in Zusammenarbeit mit den
Gewerkschaften, Beratungsstellen für außerhalb den Hochschulen beschäftigte Studierende an den Hochschulen einzurichten.
Demokratisierung des Hochschulbetriebs: Weg von Lehrstühlen und
hin zu einer Department-Struktur
Langfristig fordern wir die Abkehr vom Lehrstuhlprinzip und die Etablierung von
Department-Strukturen an den Hochschulen. An Lehrstühlen ist die Entscheidungsmacht
allein auf eine*n Professor*in konzentriert. In Kombination mit der besonders
strengen Hierarchie sowie der viel zu niedrigen Anzahl von nicht männlichen
Professuren und Lehrstuhlinhaberschaften, begünstigt das Lehrstuhlprinzip
patriarchalen Machtmissbrauch. Außerdem erschwert es insbesondere für FINTA und
Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zu Forschungsprojekten und höheren
Hochschulämtern. Wir stehen für demokratische Hochschulen, an denen wissenschaftliche
Mitarbeiter*innen, Professor*innen, nichtwissenschaftliche Mitarbeiter*innen und
Studierende paritätisch an Mitbestimmung teilhaben. Department-Strukturen haben aus
unserer Sicht das Potential, mehr Menschen und besonders den Betroffenen spezifischer
Diskriminierungserfahrungen endlich die Entfaltungs- und Teilhabemöglichkeiten
bereitzustellen, die sie schon lange verdient haben. Damit der Wissenschaftsbetrieb
ein gerechter Raum für alle Menschen, wird, fordern wir ergänzend zu der Etablierung
der Department-Strukturen zielgerichtete Antidiskriminierungs- und Förderprogramme,
die aktiv und unter Berücksichtigung intersektionaler Diskriminierungserfahrungen auf
die Verringerung bestehender Ungleichheiten hinwirken.
Um Arbeitnehmer*innen auch an Universitäten eine flexible und freie Familien- und
Lebensplanung zu ermöglichen, muss es ein Recht auf echte Teilzeit, und, wo möglich,
ein Recht auf Home-Office geben.
Letztlich müssen auch Personalvertretungen im wissenschaftlichen Bereich gestärkt
werden, mit dem Ziel den Personalräten in den Mitbestimmungsgesetzen auf Landesebene
die Befugnisse eines Betriebsrats zu geben, um die Durchsetzung der Rechte
wissenschaftlichen Personals sicherzustellen.