Schon vor der Corona-Pandemie waren in Deutschland jährlich ein Viertel bis ein
Drittel der Bevölkerung von psychischen Erkrankungen bzw. Symptomen betroffen,
ähnliche Zahlen gelten auch für die Europäische Union. Dies trifft nicht zuletzt auch
junge Menschen: Die psychische Belastung von Studierenden war bereits vor der
Pandemie groß, wurde durch diese jedoch verschärft und begründet durch grundlegende
Veränderungen in den Studienbedingungen, sowie den Beratungsangeboten.
Die Strukturen eines Studiums stellen nicht nur den erfolgreichen Verlauf dessen,
trotz psychischer Erkrankung, massive Hürden in den Weg. Hinzu kommt, dass der enorme
Leistungsdruck und finanzielle Sorgen psychische Erkrankungen begünstigen und
Symptome dieser verschärfen können. Hier sind insbesondere Anwesenheitspflichten,
strikte Studienverlaufspläne und Drittversuch-Regelungen zu nennen. Als 2020 die
Corona-Pandemie den Alltag der Studierenden auf den Kopf stellte, verschärfte sich
diese zuvor existierende Situation massiv: Studierende litten besonders unter der
sozialen Isolation und der Austausch mit Kommiliton*innen ist für die meisten
weggebrochen. Ständige Zoom-Meetings, die Studierende auf den gleichen wenigen
Quadratmetern bestritten, auf denen sie kochen, schlafen und entspannen sollen,
machen eine räumliche Trennung von Arbeit und Privatem unmöglich. Sämtliche Struktur
im Alltag und Studium verschwimmt und Studierende verlieren die klare Trennung von
Arbeits- und Freizeit. Und als würde all das nicht ausreichen, haben viele
Studierende ihren Nebenjob und somit einen maßgeblichen Betrag ihrer
Studienfinanzierung verloren. Doch anstatt an den Strukturen des Studiums, der
Studienfinanzierung oder der Versorgung von Therapieplätzen (für Studierende)
grundlegende progressive Änderungen zu schaffen, wurde darauf gesetzt, dass
Studierende durch eine bloße Rückkehr zur Präsenzlehre schon zurecht kommen würden.
Dies ist jedoch ein Trugschluss!
Die diesjährig dazugekommenen Krisen treffen also nicht auf eine “neutrale”, sondern
auf eine massiv vorbelastete Gruppe der Studierenden. Dies muss im Umgang der
sozialen Krise reflektiert und mitgedacht werden und in die Maßnahmen zu dieser
inhaltlich einfließen.
In Deutschland existieren derzeit 57 organisierte Studierendenwerke. Während bspw. in
Baden-Württemberg alle acht über eine psychologische Beratungsstelle mit
Ansprechpartner*innen verfügen, ist in den letzten Jahren - vor allem bedingt durch
die Corona-Pandemie - für viele die Distanz zu Hilfsangeboten größer geworden, der
Beratungsbedarf jedoch gestiegen.
Nicht nur getrieben von höheren Durchfall-/Abbruchquoten mussten sich Studierende
innerhalb der letzten zwei Jahre durch Online-Vorlesung und Selbststudium zwängen,
oft in einer neuen Stadt, ganz allein.
Wir müssen also schnell handeln. Es braucht eine Aufarbeitung der Folgen der Pandemie
auf junge Menschen, sowie tatsächliche politische Veränderungen, die dezidiert auf
Studierende und junge Menschen abzielt und nun auch materiell die Solidarität der
jungen Menschen in der Pandemie würdigt.
Die Jusos fordern hierzu folgendes:
Ausfinanzierung der Studierendenwerke durch die Länder!
Die Anlaufstellen für psychologische Beratung werden häufig durch die örtlichen
Studierendenwerke übernommen. Um diese bedarfsgerecht auszubauen, bedarf es einer
Ausfinanzierung der Studierendenwerke durch die Länder.
Forderung Angebotsaufklärung & Stigmatabekämpfung:
Ebenso wissen wir, dass durch nur ausreichend Geld nicht alle Löcher zu stopfen
sind. Wir Jusos fordern, größere Aufklärungsarbeit über die bereits bestehenden
Möglichkeiten, um die Entstigmatisierung von psychischen Gesundheitsproblemen aktiv
voranzutreiben. Die Hochschule soll so aus Augen der Länder nicht länger allein
Prüfungsstätte, sondern auch Ort des sozialen Austauschs und einen sicheren Raum für
Studierende darstellen.
Jungsozialistisches BAföG gegen finanzielle Ängste
Auch die Frage der Studienfinanzierung beeinflusst die psychische Gesundheit der
Studierenden. Auch aus diesen Gründen ist eine Bestätigung unserer Forderung nach
einer grundlegenden BAföG Reform, die sowohl die Bedarfssätze als Vollzuschuss
deutlich anhebt und durch die durch die Anhebung der Förderhöchstdauer und
Elternunabhängigkeit, die Anzahl der geförderten Studierenden massiv ausweitet.
Für ein selbstbestimmtes Studium!
Ein Studium muss auch für Studierende mit psychischer Erkrankung bestritten werden
können. Der Studiumsalltag und die Gestaltung dessen muss hierfür die benötigte
Flexibilität und Selbstbestimmung für Studierende ermöglichen. Anwesenheitspflichten
müssen der Vergangenheit angehören, Freiversuchsregelungen etabliert bzw. beibehalten
werden und die Vorteile einer digitalen und asynchronen Lehre in Studium und Lehre
mit einfließen zu lassen.
Forderung an die Kultusministerien und Bildungseinrichtungen der
Länder:
• Verstärkter Austausch der Kultusministerien mit Bildungsforschungsinstitutionen
(Alle Abkürzungen bitte ausschreiben)), sowie Überprüfung und Weiterentwicklung der
Lehrpläne, hin zu einer stärkeren Ausrichtung auf psychische Gesundheitsprävention,
Ausbau der Weiterbildungsinfrastruktur (für bspw. Vertrauenspersonen).
• Einführung eines postakademischen Ausbildungsgangs (Schulpsycholog:in), für
Psycholog:innen, mit dem Ziel, praktische Fähigkeiten für das Berufsfeld Schule zu
erwerben.
• Schaffung freier Unterrichtsstunden für die psychologische Gesundheitsprävention
und Aufgreifen von außerschulischen Bildungsangeboten von z.B. Vereinen (bspw.
Irrsinnig Menschlich e.V.).
Forderung an die Institutionen des tertiären Bildungsbereichs:
• Informationsveranstaltungen für Studierende, bei welchen sich die Studierendenwerke
vorstellen (psychologische Beratungsstelle, Studierendenberatung etc.), sowie
verstärktes Aufzeigen der Sozialdienstleistungen der Studierendenwerke durch
multimediale Kanäle.
Eine psychologische Behandlung von Lehramtsanwärter*innen darf zu keinen Nachteilen
im Studium, bei der Einstellung in den Schuldienst und bei der Verbeamtung führen.
Darüber hinaus darf es zu keiner Benachteiligungen bei der (verpflichtenden) privaten
Krankenkasse und bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung kommen.