2009 schlossen sich vier Länder zu einem neuen Club der internationalen Kooperation zusammen: Brasilien, Russland, Indien und China. Ein Jahr später folgte das Schwellenland Südafrika. Unter der Abkürzung BRICS hat dieser Zusammenschluss in den letzten Monaten vor allem durch eine Frage viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt: Würde der russische Präsident Putin am BRICS-Gipfel 2023 in Johannesburg teilnehmen? Und wenn ja, würde die südafrikanische Regierung den internationalen Strafbefehl ausführen und Putin verhaften? Die Regierung des südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa sendete dazu widersprüchliche Signale und löste international Irritationen aus. Die für Südafrika höchst brisante Situation wurde am Ende dadurch vermieden, dass Putin nicht in Präsenz am Gipfel teilnahm. Dennoch ist die BRICS-Allianz immer mehr ins internationale Interesse gerückt - nicht zuletzt wegen der Erweiterung der Gruppe und der Frage inwiefern dies mit einer antiwestlichen Ausrichtung einhergehe. Umso wichtiger ist es, dass wir uns als Jusos mit diesem Zusammenschluss und seiner Rolle im globalen Wirtschafts- und Politikgeschehen sowie für den Globalen Süden auseinandersetzen.
Rising powers des Globalen Südens?
Die Abkürzung BRIC wurde ursprünglich nicht von den Staaten selbst geprägt, sondern von dem Chefvolkswirt von Goldman Sachs. Dieser verwendete den Begriff für einen Investmentfond, der vor allem ökonomisch aufstrebende Schwellenländer ansprechen wollte und am Markt hervorheben sollte, warum diese für Auslandsinvestitionen interessant seien. BRICS kommt in seinen Ursprüngen vor allem aus einer wirtschaftlichen Stoßrichtung. Nicht ohne Grund: Die Staaten umfassen gut 40 Prozent der Weltbevölkerung und erwirtschaften kaufkraftbereinigt fast ein Drittel des weltweiten BIP. Die wirtschaftliche Relevanz der BRICS-Staaten ist somit nicht zu leugnen. Allerdings war bislang vor allem Chinas Wirtschaftswachstum der Motor hinter diesen Zahlen. So macht China alleine etwa 70 Prozent des BIP der BRICS aus. Daran zeigt sich ein generelles Merkmal der BRICS, nämlich eine ausgeprägte Heterogenität der fünf Staaten. Die ökonomische Spannbreite zwischen dem wirtschaftlich stärksten Mitglied der Gruppe, China, und dem schwächsten Mitglied, Südafrika, ist enorm. Südafrika kratzt trotz wirtschaftlicher Potentiale an der Rezessionsgrenze und leidet unter massiven Stromausfällen. Einen weiteren Kontrast bildet Russland, zu dem die Einordnung “Globaler Süden” nicht passt und das zumindest ökonomisch aktuell kaum als “rising power” eingestuft werden kann. Auch wenn die EU-Sanktionen nicht zu einer unmittelbaren Leerung von Putins Kriegskasse führen, beeinträchtigen sie die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Russland und der EU voraussichtlich nachhaltig und legen die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von fossilen Rohstoffen offen. Zudem haben einige der Mitgliedstaaten mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Südafrika leidet nach wie vor unter Korruption und sozialer Ungleichheit, auch wenn Präsident Ramaphosa der Korruption immer wieder Kampf ansagt. Brasilien wurde bis vor kurzem von einem rechtsextremen Präsidenten regiert, der als “brasilianischer Trump” bezeichnet wurde und nach der Wahl von Lula da Silva kam es zu massiven gewalttätigen Ausschreitungen. Russland ist vor allem durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine gebunden und in China versucht die Führung im Xi Jinping das Wohlstandsversprechen der KPCh zunehmend durch einen aggressiven Nationalismus zu ersetzen - wohl auch deshalb, weil die Zeiten des bahnbrechenden Wachstums in China vorbei sind und sich die Konsequenzen von Spekulationsblasen ebenso wie der Überalterung zeigen. Die Einschätzung der BRICS-Staaten fällt also sehr gemischt aus. Nichtsdestoweniger strahlt der Verbund eine Attraktivität für weitere Beitritte aus. Mehr als 40 Länder sollen Interesse an der Mitgliedschaft bekundet haben, sechs neue Mitglieder sollen zum 1. Januar 2024 aufgenommen werden. Diese Attraktivität speist sich aus zwei Quellen: Dem Versprechen der Süd-Süd-Kooperation und damit einer Reform der westlich dominierten Entwicklungszusammenarbeit zum einen und der politischen Ausrichtung gegen die US-amerikanisch geprägten Weltordnung auf der anderen Seite.
Institutionalisierung und Entwicklung
Die BRICS-Staaten bilden weiterhin einen recht losen Zusammenschluss, der auch als “Multilateralismus à la carte” umschrieben wird, weil er es den Mitgliedern ermöglicht, in den Bereichen zusammenzuarbeiten, wo es ihren Interessen dienlich ist, ohne sich weitreichend zu verpflichten. Dennoch liegt der Erfolg der BRICS auch in ihrer Institutionalisierung. Von zentraler Bedeutung sind die NDB, die Neue Entwicklungsbank, sowie die Vereinbarung über eine Reserve und einen Notfallfonds. Die BRICS-Staaten zielen auf eine Schwächung des US-Dollar als Leitwährung ab und setzen sich das Ziel, ihren Handel in den jeweiligen Landeswährungen abzuwickeln. Die NDB fördert vor allem Infrastrukturmaßnahmen und steht allen UN-Mitgliedern offen. Damit bildet die NDB eine Ergänzung zu Weltbank und IWF und spiegelt das berechtigte Interesse der BRICS-Staaten wider, mehr Mitsprache bei der Entwicklungsfinanzierung zu erlangen. Für Weltbank und IWF gilt nach wie vor ein eklatantes Missverhältnis mit Blick auf die Stimmanteile. So halten die BRICS-Staaten 10 Prozent der Stimmanteile der IWF, die EU hingegen 27 Prozent (siehe hierzu auch die Beschlussfassung Juso-Bundeskongress 2021, F5 S. 67-68). Dass diese Dominanz europäischer und US-amerikanischer Interessen bei der Entwicklungszusammenarbeit durch Alternativen hinterfragt wird, ist berechtigt und notwendig.
Does The World Needs Better Economic BRICs?
Zum 01. Januar 2024 sollen unter dem neuen Namen BRICS plus Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate der Staatengemeinschaft beitreten. Durch diese Erweiterung und Aufnahme von sechs weiteren Mitgliedsstaaten gewinnt BRICS an globaler Präsenz und an wirtschaftlicher Bedeutung. Denn schon bald werden sechs der zehn wichtigsten Ölförderer Länder der Welt zukünftig Teil der BRICS plus-Gruppe sein. Darüber hinaus wird die Staatengemeinschaft voraussichtlich schon bald bis zu 37 % des globalen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften und 46 % der Weltbevölkerung repräsentieren. Neben der BRICS plus Gruppe haben weitere 40 Staaten vor dem südafrikanischen BRICS-Gipfel im August 2023 Interesse an einer BRICS-Mitgliedschaft geäußert. Darunter die unterschiedlichsten Länder aus Asien, Latein-Amerika und Nordafrika. Diese Unterschiedlichkeit beschreiben die BRICS-Mitgliedsländer bestens. Denn nach welchen Kriterien neue Mitglieder aufgenommen werden, ist innerhalb der BRICS umstritten und außerhalb nicht bekannt. Fest steht, durch die Aufnahme von neuen Mitgliedern werden auch Staaten beitreten, die antidemokratisch und autoritär sind, dies muss zukünftig kritisch beobachtet werden. Darüber hinaus werden Unsicherheiten ausgeweitet, denn viele der zukünftigen Mitglieder sind geprägt von Krisen und Konflikten. Die Aufnahme der neuen Staaten in BRICS plus verstärkt die Tendenz, dass BRICS nicht nur eine Wirtschaftskoalition, sondern auch ein politisches Gegengewicht zum Globalen Norden bilden.
Auswirkungen auf unsere Außenpolitik
Die Macht und der Einfluss der BRICS-Staaten wachsen und sie streben nach einer stärkeren Position in der globalen Arena. Diese Entwicklung können Deutschland und auch die EU nicht ignorieren. Wir stehen mit den BRICS-Staaten einem Konglomerat an Mächten gegenüber, die in weiten Teilen antidemokratisch geprägt sind und sich als schwere Dialogpartner*innen präsentieren. Diese Form der Zusammenarbeit stellt zugleich einen Widerspruch zu einer "wertegeleiteten" Außenpolitik dar, die auf Demokratie , Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte pocht. Dies erfordert nun von Deutschland, auch offen für andere Positionen zu sein und neue Wege zu finden, um außenpolitische Ziele, wie Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Demokratie, zu erreichen und zu verfolgen.
Gleichzeitig ist ein tiefergehendes Umdenken in unserer Außenpolitik erforderlich. Ein Hauptziel der BRICS-Gruppe besteht darin, eine multipolare Weltordnung zu schaffen, in der die Macht nicht länger von westlichen Ländern dominiert wird, und Ungleichgewichte in der auf internationaler Gremienebene ausgeglichen werden. In einer sich ständig verändernden Welt muss der Globale Norden lernen, sich neuen Vorstellungen darüber zu eröffnen, wie die Weltordnung funktionieren kann. Deutschland und die EU sollten Rückschlüsse aus dieser veränderten Welt ziehen und erkunden, wie sie einen pragmatischen Umgang mit den BRICS-Staaten erreichen können. Gleichzeitig soll dies allerdings nicht dazu führen, dass wir unsere Grundwerte und Grundausrichtungen der Außenpolitik in Frage stellen. Die Verankerung demokratischer Werte begreifen wir weiterhin als ein erstrebsames Gut globaler Natur. Dennoch müssen wir den neuen globalen Rahmenbedingungen gerecht werden und nach Lösungen suchen, die unsere Interessen und Werte wahren. Ein progressiver Impuls für unsere Außenpolitik, der Flexibilität, Offenheit und die Bereitschaft zur Anpassung an eine sich verändernde Welt ohne Aufgabe unserer Prinzipien vereint, ist dringend erforderlich.
Internationale Institutionen
BRICS hat auf institutioneller Ebene die Fähigkeit, verschiedene Dynamiken miteinander zu verbinden. Dies geschieht dabei nicht nur auf multilateraler Ebene, sondern auch durch bilaterale Vereinbarungen zwischen den derzeitigen Mitgliedsstaaten. So tritt durch die Kombination aus multilateraler Ausrichtung und bilateralen Beziehungen eine Erweiterung des "Multilateralismus à la carte" ein.
Maßgeblich geprägt hat dabei die Neue Entwicklungsbank (NDM) das Narrativ der BRICS als eine Infrastrukturgemeinschaft und spielt eine zentrale Rolle. Beeindruckende 48% der von der NDB geförderten Projekte bezogen sich dabei im Zeitraum von 2016 bis 2020 auf Infrastrukturmaßnahmen. Insbesondere die Förderung und Voranbringung von Süd-Süd Kooperationen erscheint dabei als ein Schlüsselthema und das wichtigste Instrument der NDB. Man muss dies als ein Zeichen für ein verändertes Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit betrachten, welche auf Solidarität und verminderten Auflagen basiert. Aufgenommen wird dabei das Narrativ globaler Machtverschiebungen, wobei diese Veränderungen zugunsten des Globalen Südens erfolgen sollen. Die Ambitionen der BRICS eine größere Rolle in der internationalen Politik zu spielen, wird deutlich reflektiert.
BRICS und Russlands Krieg gegen die Ukraine
Im Grundsätzlichen handelt es sich bei BRICS um einen informellen Staatenbund, der kein gemeinsames sicherheitspolitisches Verständnis oder klare politische Leitlinien teilt. Folglich kommt es zu einer gewissen Lockerheit innerhalb der Gruppe, die die Koordination in sicherheitspolitischen Fragen erschwert. Die Positionierungen in Bezug auf globale Krisenverhältnisse sind von außen heraus intransparent, von innen heraus undefiniert. Es ist folglich umso wichtiger, genauer zu untersuchen, welche Rolle die jeweiligen BRICS-Staaten in Russlands Krieg gegen die Ukraine spielen.
Die Rolle Russlands innerhalb der BRICS hat sich im Laufe der Jahre stark entwickelt. Als eines der Gründungsmitglieder hat Russland schon lange eine aktive Rolle in diesem Staatenbund. Insbesondere in der politischen Dimension kommt Russland eine große Bedeutung zu. Russland hat sich als Befürworter der Erweiterung von BRICS zu BRICS plus positioniert und erfolgreich die Einbeziehung weiterer aufstrebender Volkswirtschaften vorangetrieben, die seine Interessen teilen. Unter den Neu-Mitgliedern sind der Iran und Äthiopien, welche als enge Unterstützer*innen Russlands gelten und so sitzen schon bald die drei größten Unterstützer*innen Russlands, China, Iran und Äthiopien, an einem Verhandlungstisch. Dies hilft Russland insbesondere dabei, Alternativen zum Globalen Norden zu schaffen und gegen die Sanktionen des “Westens” vorzugehen. Denn derzeit trägt keines der BRICS-Länder die Sanktionen gegenüber Russland mit. Dies hat erhebliche Auswirkungen, insbesondere auf den Frieden in der Ukraine. Obwohl Brasilien und Südafrika sich innerhalb von BRICS für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg ausgesprochen haben, waren diese Bemühungen bisher wenig erfolgreich. Fest steht, solange China, Brasilien und Indien weiterhin zu den größten Abnehmer*innen des russischen Öls gehört, ist die Finanzierung des russischen Krieges gegen die Ukraine gesichert und Russland kann sich seine Kriegstreiberei weiterhin finanzieren. Und dennoch ist die politische Unterstützung von China, Brasilien und Indien für den russischen Ukraine-Krieg begrenzt. Diese Nuancen müssen bei der Gestaltung der Politik und diplomatischen Bemühungen gegenüber den BRICS-Staaten berücksichtigt werden. Bilaterale Gespräche beispielsweise mit Indien müssen weiterhin als relevant in Betracht gezogen werden. Sanktionen müssen so gestaltet sein, dass sie ihr politisches Ziel erreichen, trotz dessen, dass andere Staaten wie beispielsweise China die Sanktionen gegen Russland nicht im gleichen Maße unterstützen. Grundsätzlich müssen wir begreifen, dass bilaterale Abkommen innerhalb der BRICS-Staaten in Verbindung mit Russland eine potenzielle Gefährdung des Friedens in Europa darstellen. Falls Staaten wie Indien oder Brasilien eine vermittelnde Rolle zugeschrieben werden kann, sollte diese dennoch genutzt werden.
China - eine Supermacht?
China ist die größte Volkswirtschaft unter den BRICS-Staaten und trägt erheblich zur wirtschaftlichen Dynamik der Gruppe bei. Als ein bedeutender Handelspartner hat China erhebliche Investitionen in die BRICS-Region getätigt und dadurch seinen Einfluss in den BRICS verstärkt. Obwohl sich die Volksrepublik China in den vergangenen Jahrzehnten zu einer globalen Macht entwickelt hat, befindet sich China seit einiger Zeit nicht mehr in ihrer Hochwachstumsphase, in der sie mal war. Realität ist, dass demographische Probleme herrschen: Die Bevölkerung altert massiv, es hapert an Innovationen und die Produktionszahlen sind eher schlecht. Daher ist China auf der Suche nach neuen Märkten und neuen Partner*innen und setzt Hoffnung in die Erweiterung von BRICS, um dem Anspruch des chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping, eine globale politische Macht zu sein, zu folgen. Denn auch Xi Jinping weiß, dass eine Organisation mit vielen Mitgliedern einen ganz anderen geopolitischen Einfluss hat, als wenn ihr nur fünf Länder angehören. Innerhalb der BRICS Gruppe versucht China schon seit einiger Zeit eine führende globale Rolle einzunehmen und seinen Einfluss zu erweitern. Chinas Machtausübung erfolgt dabei unter anderem auch durch die Schaffung von Institutionen und die Förderung von bilateralen Beziehungen zu anderen Ländern, wie Russland. Dies umfasst unter anderem auch den Einsatz von wirtschaftlichem Druck und Unterstützungsabkommen, um politische Ziele zu erreichen. Ferner müssen wir derzeit allerdings erkennen, dass bei der stagnierenden Wirtschaft Chinas das Wohlstandsversprechen für die Bevölkerung an Bedeutung verliert. Der chinesische Nationalismus als neue Ideologie hingegen befeuert die globalen Tätigkeiten Chinas auf eine potentiell aggressive Weise.
Ziel Chinas ist es, den Globalen Süden um sich herum zu scharen und diese nach China zu richten. Dabei soll Einfluss ausgeübt und die Weltordnung neu geprägt werden. Doch auch innerhalb der BRICS Staaten wird China kritisch betrachtet. So will sich beispielsweise Indien nicht den weltpolitischen Vormachtsbestrebungen Pekings unterordnen, wie wir am Beispiel des brodelnden Konfliktes um das Himalaya-Gebirge sehen können. Chinesicher und indischer Nationalismus stehen in Konkurrenz zueinander. Auch im Hinblick auf Chinas Etablierung und der Suche nach neuen Mitgliedsstaaten, mit der Unterstützung Russlands, wird Brasilien nervös. Denn für die schwächeren Glieder der BRICS Gemeinschaft bedeutet dies einen weiteren Machtverlust.
Ein übergeordnetes Ziel vereint die BRICS Länder: eine Gegenmacht zum Globalen Norden, insbesondere der USA, zu sein. Als volkswirtschaftliches stärkstes Land innerhalb der BRICS kommt China dabei eine besondere Bedeutung zu, obwohl sich nicht alle Mitgliedsstaaten des BRICS-Zusammenschlusses derzeit China unterordnen. Es ist von entscheidender Bedeutung, sicherzustellen, dass Chinas Machtausübung im Einklang mit internationalen Normen und Prinzipien erfolgt und nicht auf Kosten der Souveränität und Interessen der globalen Gemeinschaft geht.
BRICS und der Kampf gegen den Klimawandel
Auch mit Blick auf den Klimawandel eint die BRICS-Staaten die Kritik am globalen Norden. Doch unterschiedlicher können ihre Strategien, Bedingungen und Ziele zum Klimaschutz kaum sein. Fest steht, auch die BRICS Staaten können es sich nicht leisten, nichts gegen den Klimawandel zu tun, denn die Auswirkungen des Klimawandels auf die BRICS Staaten sind ungefähr genauso groß wie der Einfluss, den die BRICS Staaten auf den Klimawandel haben. China und Indien haben bereits vor dem BRICS-Gipfel im Jahr 2023 unter Hitzewellen und Starkregen gelitten, Waldbrände in Sibirien sind außer Kontrolle geraten und Brasilien erwartet einen Winter mit extremem Regen.
China leistet als derzeit wirtschaftlich stärkster Mitgliedstaat von BRICS weltweit den größten Anteil in der Produktion von Windturbinen sowie Solarpanelen und baut die weltweit leistungsstärksten Wasserkraftwerke. Ohne die Fortschritte, die einige BRICS-Staaten in Bezug auf den Klimawandel leisten, wäre die Erreichung der Klimaneutralität deutlich erschwert. Gleichzeitig befinden sich unter den BRICS-Staaten Plus auch Staaten, die als Rohöl- und Erdgas-Lieferanten sowie Atommächte agieren. Diese Faktoren machen sie zu bedeutenden Akteur*innen in den Verhandlungen zur globalen Klimaneutralität. Das resultiert darin, dass wir in Bezug auf die globale Bekämpfung des Klimawandels und für die Gestaltung einer nachhaltigen und klimaneutralen Zukunft auf die BRICS-Staaten als Mitstreiter*innen nicht verzichten können.
Zusammenarbeit statt Blockbildung
Es ist nicht zu leugnen, dass die BRICS-Gruppe eine weltweit wachsende Bedeutung bekommt. Voraussichtlich werden die BRICS Plus Staaten mit der Erweiterung um BRICS Plus etwa 37 % des globalen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften und 46 % der Weltbevölkerung repräsentieren. Im Vergleich dazu repräsentieren die G7-Staaten nur etwa elf Prozent der Weltbevölkerung und sie erwirtschaften kaufkraftbereinigt nur 33 % des weltweiten BIP.
Wir Jusos erkennen daher an, dass die BRICS und BRICS Plus Staaten eine Rolle bei der Gestaltung der globalen Agenda spielen werden und sich zu wichtigen Akteur*innen in einer sich wandelnden globalen Landschaft entwickelt haben. Eine konstruktive Zusammenarbeit unter Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit den BRICS Plus Ländern soll genutzt werden, um gemeinsame Herausforderungen anzugehen und Chancen zu nutzen. Unser aller Ziel muss sein, eine gerechtere und nachhaltigere Weltordnung zu fördern.
Fest steht, dass der Globale Norden die eigenen multilateralen Formate für Staaten des globalen Südens attraktiver machen und öffnen muss. Es bleibt Tatsache, dass die BRICS-Staaten aufgrund ihres fehlenden gemeinsamen sicherheitspolitischen Verständnisses für den Globalen Norden schwer kalkulierbar sind. Doch unabhängig von sehr berechtigter Kritik an Staaten innerhalb der BRICS-Gruppe ist das Streben nach echtem Multilateralismus, an dem alle Staaten gleichberechtigt teilhaben können und der nicht als Machtinstrument des Globalen Nordens wirkt, legitim. Wir müssen zurecht mit der Erkenntnis leben, dass das vom Globalen Norden so stark geprägte Ordnungsmodell zukünftig nicht mehr einfach allgemein weltweit akzeptiert werden wird. Die BRICS-Staaten zeigen durch die Erweiterung um weitere Mitgliedsstaaten ihr gestärktes Selbstbewusstsein. Diesem Selbstbewusstsein sollte proaktiv mit mehr Zusammenarbeit und Reformbereitschaft mit Blick auf internationale Institutionen begegnet werden. Eine Logik des globalen Wettkampfs oder sogar der Gegen-Blockbildung verkennt die berechtigten Interessen der BRICS und würde die politischen Gemeinsamkeiten zwischen den BRICS-Staaten vermutlich sogar noch stärken.