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Beschlussarchiv

F4 2019
Menschenrechte sind nicht nur nice to have

Menschenrechte sind nicht nur nice to have

Im Januar 2019 sollte es ein Urteil im Prozess gegen den Textildiscounter KiK wegen des Brandes in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan vor dem Landgericht Dortmund geben. Jedoch wurde die Klage wegen Verjährung noch nicht einmal zugelassen. Bei dem Brand kamen im September 2012 259 Menschen ums Leben. Dass darauf nun tatsächlich ein Prozess im Herkunftsland des auftraggebenden Unternehmens, also in Deutschland, folgte, ist neu – der Vorfall selbst ist es nicht, sondern steht im Gegenteil nur stellvertretend für viel zu viele andere Vorfälle derselben Art. Diese sind keine „Unglücke“, keine „Naturkatastrophen“ – sie sind menschengemacht und deshalb vermeidbar! Wir brauchen dringend grundlegende Veränderungen im globalen Wirtschaftsgefüge! Es gibt einige wenige Siegel und Zertifikate, die versuchen, nachhaltig Menschenrechte zu schützen und Umweltstan­dards durchzusetzen, doch oft sind die Methoden der Zertifizierung fragwürdig und kommen nur einer sehr kleinen Gruppe unter den Arbeitnehmerinnen zu Gute. Wir machen es uns aber zu einfach, wenn wir die Verantwortung für diese Verbesserungen bei den Verbraucherinnen abladen. Zum einen ist es für Verbraucherinnen unmöglich für ihren gesamten Konsum die Lieferketten auf Menschenrechtsverstöße zu überprüfen – die Unübersichtlichkeit der Lieferketten ist schließlich oft das Argument, was die Unternehmen selbst anführen, wenn sie ausführen, warum sie sich um die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer Produktion nicht kümmern können. Wie soll dieder Verbrau­cherin das dann leisten? Zum anderen ist diese Herangehensweise auch schlicht falsch: Die Einhaltung von Men­schenrechten darf keine Entscheidung sein, die von den Konsumentinnen beim Kauf eines Produkts in die eine oder andere Richtung getroffen werden kann. Eine analoge Regelung im Inland würde uns auch völlig absurd erscheinen: Ein Siegel auf Produkte, die in Deutschland unter Einhaltung des Mindestlohns hergestellt wurden und die restlichen Produkte dann ohne Siegel und ohne Mindestlohn. Die Verantwortung trügen die Konsumentinnen und sie würden entscheiden, ob sie durch den Kauf und den höheren Preis den Mindestlohn unterstützen wollen oder nicht. Das glei­che Bild lässt sich auf die Vereinigungsfreiheit, die Einhaltung von Maßnahmen zur Arbeitssicherheit oder das Verbot von Kinderarbeit übertragen. Mindestlohn, Gewerkschaften, Sicherheit bei der Arbeit und der Schutz von Kindern dürfen aber keine Produktattribute sein, mit denen sich Unternehmen auf dem Markt einen Wettbewerbsvorteil bei den Kundinnen ausrechnen. Es sind Menschenrechte und die sind nicht optional! Es darf hier keine „Entscheidung“ für oder gegen die Einhaltung dieser Rechte offen bleiben. Deswegen sind Verstöße gegen diese Rechte Verstöße gegen Gesetze! Aber während diese Regelung in Deutschland überwiegend unstrittig ist, soll es auf internationaler Ebene ausreichen, wenn sich Unternehmen freiwillig verpflichten oder sich Konsumentinnen aussuchen können, ob sie sich heute mal für oder gegen die Einhaltung von Menschenrechten entscheiden? Diese Situation ist für uns als Internationalistinnen nicht hinnehmbar! Eine Unterscheidung in „wir“, die Arbeitnehmerinnen in Deutschland oder der EU und in „die“, die Arbeitnehmerinnen im globalen Süden, deren Sicherheit und Gesundheit weniger schützens­wert und daher für Unternehmen ein freiwilliges „Extra“ darstellt, verurteilen wir zutiefst. Sie offenbart rassistische und (neo-)koloniale Strukturen. Sie ist die Voraussetzung für moderne Sklaverei und weltweite Ausbeutung, die den globalen Kapitalismus überhaupt erst möglich macht. Wir wollen aber eine Welt, in der jeder unter guten, sicheren und gesunden Bedingungen arbeiten kann, egal, wo sieer arbeitet! Wenn der Kapitalismus global ist, dürfen Menschen-und Arbeitnehmer*innenrechte nicht an nationalen Grenzen enden! Die Schaffung menschenwürdiger Arbeit ist ein Wert in sich. Bessere Arbeitsbedingungen ermöglichen aber auch Verbesserungen in anderen Lebensbereichen: Bessere Bezahlung und weniger Sorge um die eigene Sicherheit und Gesundheit, lässt Zeit, Energie und Kapazitäten, um sich selbst weiterzubilden, die eigenen Kinder in der Bildung zu unterstützen, sich politisch zu organisieren. Kurzum: Es wird Menschen empowern.

Der Status quo:

Wir begrüßen, dass die Bundesregierung seit unserem letzten Beschluss zum Thema 2014 nun einen Nationalen Akti­onsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien in diesem Bereich für 2016­2020 erstellt hat. Hier werden einige Maßnahmen vorgeschlagen, die im aktuellen System Verbesserungen bringen könnten, jedoch beruhen diese Maßnahmen alle auf Freiwilligkeit und sollen gar nicht verbindlich festgeschrieben werden. So soll beispielsweise geprüft werden, ob und wie Unternehmen künftig dazu gebracht werden können, „Ele­mente der Sorgfaltspflicht [zur Achtung der UN-Menschenrechte] anzuwenden“. Wir dürfen nicht länger akzeptieren, dass Unternehmen keinerlei Sanktionen oder ähnliches drohen, wenn sie, ihre Subunternehmen, Zuliefererinnen oder Geschäftspartnerinnen gegen Menschenrechte verstoßen! Wir wollen hier klare Kante zeigen und auf der rich­tigen Seite stehen – nämlich auf der der Arbeiterinnen weltweit! In anderen Teilen klingt der NAP wie blanker Hohn, beispielsweise beim Abschnitt zu Exportkrediten und Investitionsgarantien: „Mindestvoraussetzung für die Übernah­me der [Investitions-]Garantie ist die Einhaltung der nationalen Standards im Zielland.“ Nationale Standards sind zu oft Teil des Problems, wenn sie zum Beispiel keinerlei Regelungen zum Schutz und den Rechten von Gewerkschaften und Betriebsräten treffen oder die Standards im Arbeitsschutz absurd niedrig sind! Es kann doch nicht sein, dass diese für die Bundesregierung als „Mindestvoraussetzungen“ durchgehen! Im aktuellen Koalitionsvertrag heißt es: „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national ge­setzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen.“ Aber selbst mit einer vollständigen Erfüllung der im NAP formulierten Ziele darf sich die Bundesregierung nicht zufriedengeben: Diese selbst gesteckten Ziele sind viel zu niedrig: Nur die Hälfte aller in Deutschland sitzenden Unternehmen ab einer Größe von 500 Beschäftigten soll bis 2020 „Elemente menschenrechtliche Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert“ haben. Das ist uns zu wenig und muss auch allen Sozialdemokratinnen im Kabinett und der Bundestagsfraktion zu wenig sein! Wir stellen uns entschieden gegen jede Maßnahme und Formulierung, die die Illusion einer Freiwilligkeit seitens der Unternehmen stützt: Entweder ein Unternehmen wirtschaftet und hält dabei Menschen-und Arbeitnehmer*in­nenrechte ein oder dieses Unternehmen hat keine Daseinsberechtigung und gehört aufgelöst, wenn wiederholte Sanktionen nicht zu dieser Einhaltung führen. Diese Rechte stehen nicht zur Verhandlung! Wir begrüßen ausdrücklich, dass auch auf UN-Ebene eine Konvention zur transnationalen unternehmerischen Ver­antwortung erarbeitet wird, Den aktuell diskutierten Entwurf beurteilen wir als durchaus vielversprechend. Aber natürlich ist entscheidend, dass sich diejenigen Länder, in denen die betroffenen Unternehmen sitzen, für die Um­setzung stark machen. Bisher beteiligen sich jedoch weder die USA noch die EU an dem Prozess.

Daher fordern wir:

Auf uns Sozialistinnen kommt die Verantwortung zu, uns für internationale Solidarität und richtiges Handeln im fal­schen, kapitalistischen System stark zu machen. Wir fordern daher, dass die EU die Einfuhr von Produkten in allen Branchen, bei denen die Einhaltung von Menschen-und Arbeitsrechten über die gesamte Wertschöpfungs­kette und mit allen Vor-und Zwischenschritten nicht nachgewiesen werden kann, verbietet. Das stellt eine grundlegende Veränderung für den Außenhandel und das globale Wirtschaften europäischer Unternehmen dar, da nun die Nachweispflicht bei ihnen liegt. Wir sehen darin den einzigen, wirklich konsequenten Weg um einen europäi­schen Beitrag zur weltweiten Sicherung von Menschen-und Arbeitnehmerinnenrechte in der Wirtschaft zu leisten. Mit einer angemessenen Übergangsfrist haben Unternehmen genügend Zeit, um ihre Lieferketten zu überprüfen und gegebenenfalls übersichtlicher zu gestalten. Dieses Verbot darf nicht kurzfristig eingeführt werden, sondern braucht eine Transformationsplanung. Andernfalls haben Unternehmen keine Zeit, sich umzustellen und in der Folge sind Verbraucherinnen von ruckartig steigenden Preisen für ganze Güterkategorien betroffen, insbesondere Kleidung. Im Ergebnis darf es keine Kompromisse geben, aber es braucht genug Zeit, um den Marktdruck auf die Unternehmen wirken zu lassen. Deshalb fordern wir eine europäische Regelung, die Unternehmen verbindliche Sorgfaltspflichten in ihrer Lieferkette im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten auferlegt und bei unzureichender Kontrolle die Haftung für das Unternehmen auslöst. Solange es keine entsprechende europäische Regelung gibt, müssen wir die rechtliche Grund­lage dafür schaffen, dass die Einhaltung von Sorgfaltspflichten für Unternehmen innerstaatlich verbindlich sind. Diese Pflichten sollten u.a. aus dem Erstellen, Veröffentlichen, Umsetzen und Kontrollieren eines jährlichen Sorgfaltsplan bestehen, mit dem menschenrechtliche Risiken identifiziert und beseitigt werden. Die Sorgfaltspflichten müssen für die eigene Firma, sowie für Sub-und Tochterunternehmen, aber auch für die entsprechenden Teilaktivitäten der Zu­lieferer gelten. Es muss möglich sein, Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, anlassbezogen zu verklagen. Dabei muss die Beweispflicht beim Unternehmen liegen. Um einer Verurteilung zu entgehen, muss die­ses nachweisen, dass der Schaden auch ohne das eigene Zutun entstanden wäre oder dass es alle gebotene Sorgfalt angewendet hat. Es gibt bereits Beispiele, denen Deutschland folgen kann: Frankreich hat ein Gesetz für eine verbind­liche Sorgfaltspflicht („loi de vigilance“) verabschiedet, die Schweiz steht kurz vor einem Gesetz, Österreich ebenso und weitere Länder sind dabei ein Gesetz für das Thema Unternehmensverantwortung zu erarbeiten. Wir fordern, dass weitere Staaten und Freihandelszonen diesem Beispiel folgen. Deutschland muss in diesem Bereich Vorreiterin in allen Organisationen werden, in denen es Mitglied ist (OECD, G7, UN, EU, etc.) sein und Verbündete in diesen Gremien zu ähnlichen Gesetzen bewegen. Wir bedauern, dass die OECD, deren Mitglieder fast ausschließ­lich westliche Demokratien sind, derzeit zumeist lediglich Empfehlungen und Vorschläge für die Mitgliedsstaaten ausarbeitet. Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen und gegen Menschen-und Arbeits­rechte verstoßen, sindmit empfindlichen Strafen zu belegen.Wenn diese zu keiner Reaktion führen, das Un­ternehmen wiederholt gegen Menschen-und Arbeitsrechte verstößt und sich über einen längeren Zeitraum weigert, seiner Verantwortung gerecht zu werden, ist das letzte Mittel die Auflösung dieses Unternehmens. Durch diese Regelung erwarten wir, dass Regierungen keinen Anreiz mehr haben, schlechte Arbeitsbedingungen in ihren Ländern aufrecht zu erhalten, um attraktiv, d.h. billig für ausländische Arbeitgeberinnen zu sein. Um jetzt erfolgreicher Wirtschaftsstandort und Handelspartnerin zu sein, müssen Regierungen ganz im Gegenteil durch Ge­setze, deren Umsetzung und Kontrolle, gute Arbeitsbedingungen schaffen und Arbeitnehmerinnenrechte sichern und stärken. Zum Schutz der Demokratie sollen zudem Handelsverträge mit undemokratischen Staaten vollständig verboten werden. Solange Staaten Menschenrechte und grundlegende demokratische Freiheiten missachten, sind keine Verträge möglich, die den Bedürfnissen der dortigen Bevölkerung verlässlich Rechnung tragen. Besonders dort, wo Handelsverträge zur Festigung autoritärer Regime beitragen, dürfen selbige nicht abgeschlossen werden. Auch darf unser eigener politischer und parlamentarischer Gestaltungsspielraum nicht an die Willkürherrschaft anderer Staaten gebunden werden. Nach diesen Gesichtspunkten muss jedes neue Handelsabkommen sorgfältig auf den Prüfstand gestellt werden! Daraus folgt, dass die EU in jeder Verhandlung im Bereich Außenhandel die Einhaltung von Menschen-und Arbeitneh­merinnenrechte zur Grundbedingung macht. Die Maßnahmen im NAP gehen schon in die richtige Richtung, aber sie sind bei weitem nicht ausreichend! Wir fordern, dass die EU Handelsverträge erst abschließt, wenn die poten­tiellen Vertragspartnerinnen, die UN-Menschenrechtscharta und die ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert und wirksam implementiert haben. Außerdem muss sich die EU dafür einsetzen, dass im Regelungsbereich desder Vertragspartnerin ein entsprechend mit dem europäischen Menschenrechtsstandard und dessen Durchsetzungs­möglichkeiten vergleichbarer individueller Schutz gewährleistet wird. Die EU bietet ihre Unterstützung zur Schaffung der dafür benötigten Strukturen an. Diese Regelung soll zu einer Verbesserung für die Arbeitnehmerinnen führen. Es darf nicht passieren, dass durch diese Regelung nur Handelsströme umgeleitet werden und Arbeiterinnen, gegen deren Menschen-und Arbeitneh­merinnenrechte bislang verstoßen wurde, ihre Arbeit ganz verlieren. Daher fordern wir, dass es sich die staatliche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) auf nationaler und EU-Ebene zur Aufgabe macht, betroffene Länder und Unternehmen zur schnellen Umsetzung und Überwachung der Einhaltung von Menschen-und Arbeitneh­merinnenrechten zu beraten und zu unterstützen. Diese Sorgfaltspflicht muss auch bedeuten, dass sie nicht in private Sozialauditorinnen ausgelagert werden kann. Obgleich die Beauftragung privater Auditunternehmen mo­mentan häufig mangels vergleichbarer staatlicher Strukturen alternativlos ist, führt sie zu Interessenkonflikten der umeinander konkurrierenden Auditgeberinnen und ist von methodischen Mängeln geprägt. Daher ist es wichtig, staatliche Strukturen in den Produktionsländern – welche in jedem Fall vorzugswürdig sind – zu schaffen, die die Einhaltung menschenrechtlicher und arbeitsrechtlicher Standards überwachen, bzw. auch staatliche Stellen einzu­richten, die die Auditgeberinnen kontrollieren. Hierbei ist ein besonderes Augenmerk auf die Bekämpfung von Kor­ruption zu legen. Wir stellen uns schlussendlich aber eine Regelung analog zum Zoll vor: Der Staat kontrolliert die Ein­haltung der von ihm erlassenen Gesetze, die Verantwortung für die Umsetzung und Einhaltung dieser trägt aber das Unternehmen und daher muss auch die entsprechende Infrastruktur vom Unternehmen geschaffen und unterhal­ten werden. Zudem müssen unabhängige Beschwerdestellen eingerichtet und die Arbeiterinnen darüber informiert werden. Jede andere Unterstützung von Privatwirtschaft seitens staatlicher EZ-Stellen, die dieses Ziel nicht verfolgt, (wie beispielsweise im Rahmen des Programms developpp.de zur Förderung von Public-Private-Partnerships und deutscher Unternehmen im Ausland) ist einzustellen. Als Internationalistinnen sehen wir es mit Sorge, dass sich der Prozess globaler wirtschaftlicher Integration von dem multilateralen Kontext der Welthandelsorganisation (WTO) in den bilateralen Rahmen verschoben hat. Bei aller Kritik, die wir an der WTO haben, bietet sie doch für Länder mit niedrigen und mittleren Pro-Kopf-Einkommen bessere Mög­lichkeiten, sich zusammenzuschließen und ihre Interessen gegenüber den Ländern mit hohem Einkommen besser zu vertreten. Daher fordern wir, dass sich die EU dafür einsetzt, Verhandlungen zum Außenhandel wieder von der bi-auf die multilateralen Ebene zu heben und sich dafür einzusetzen den multilateralen Prozess – sei es in der WTO oder in anderem Rahmen – wiederzubeleben. International agierende Unternehmen können aufgrund von Investorinnenschutzklauseln in Freihandelsverträgen gegen Staaten klagen, wenn sie befürchten, dass ihnen durch Gesetzesänderungen Profite entgehen -selbst wenn diese Gesetzesänderung von den demokratisch gewählten Vertreterinnen der im Land lebenden Bevölkerung ge­macht wurde. Demnach können Staaten, die ihre Gesetzeslage bezüglich Arbeits-und Sicherheitsstandards verbes­sern wollen, in Schwierigkeiten kommen. Auf Investitionsschutzklauseln in Handelsabkommen muss vollständig ver­zichtet werden.Investorinnen des einen Landes müssen das „Risiko“ einer politischen Veränderung im Partnerland selbst tragen. Im kapitalistischen System ist dies Teil ihrer Eigenverantwortung als Akteurinnen am Markt unter Kapitaleinsatz. Zudem können sie sich gegen Schäden versichern. Wir lehnen es ab, dass private Unternehmen ge­wählte Regierungen für ihr Handeln außerhalb des nationalen Rechts oder den Verträgen internationaler Organisa­tionen haftbar machen können. Anders herum können Unternehmen aber nicht von Staaten auf Verletzungen von Menschenrechten verklagt werden. Dieses Ungleichgewicht ist für uns nicht hinnehmbar! Das Beispiel der Textilwirt­schaft macht es deutlich: Die Verstöße gegen Menschen-und Arbeitnehmerinnenrechte, gegen die grundlegendsten Standards hinsichtlich Gesundheit und Sicherheit in den Textilfabriken von Ländern mit niedrigem Einkommen sind bekannt. Den auftraggebenden Unternehmen mit Sitz in Ländern des globalen Nordens darf nicht länger erlaubt wer­den, Unwissenheit vorzutäuschen! Sie müssen Verantwortung für alle Arbeitnehmerinnen übernehmen, egal, in wel­chem Land, in welchem Teil der Lieferkette oder in welchem Sub-Subunternehmen sie arbeiten! Bisher gibt es keine klaren Regeln für internationale Haftungsfragen und bei Klagen beziehen sich die Juristinnen auf die selbstgeschrie­benen Code of Conducts der Unternehmen. Mit diesem Zustand können wir uns nicht zufriedengeben. Wir brauchen dringend neben nationalen Gesetzen auch Fortschritte bei internationalen Abkommen, die die Verantwortung von Unternehmen entlang deren gesamten, auch transnationalen Lieferkette benennen. Wir begrüßen, dass bei der UN nun der Treaty-Prozess zur Erarbeitung von Regelungen von transnationaler Unternehmensaktivität angelaufen ist – allerdings ohne Mitarbeit seitens der EU! Wir fordern daher die EU auf, sich im Rahmen des UN-Treaty-Prozesses dafür stark zu machen, dass Unternehmen die Einhaltung von Menschen-und Arbeitnehmerinnenrechte entlang ihrer gesamten Lieferkette zu verantworten haben.Wir fordern die EU-Mitgliedstaaten auf, der EU ein Verhandlungsmandat für den Treaty-Prozess zu geben. Dafür soll sich insbesondere auch Deutschland einsetzen. Außerdem brauchen wir endlich einen internationalen Handelsgerichtshof. Für die bisherige Regelung, dass sich Unternehmen durch das Outsourcing an Sub-und Sub-Subunternehmen aus der Verantwortung stehlen kön­nen, haben schon zu viele Arbeiterinnen mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben gezahlt. Diesen Aspekt des globalen Kapitalismus nehmen wir nicht länger hin! Handelsabkommen können auch ökologische Risiken bergen. Wir möchten dort stärker auf lokale Produktion setzen, wo eine CO2-Einsparung beispielsweise durch deutlich kürzere Transportwege möglich ist. Um nachhaltige Produktion einzupreisen, muss in Handelsverträgen eine Einfuhrregelung nach ökologischen und sozialen Maßstäben festgelegt und auf EU-Ebene kontrolliert werden. Der Ausstoß von Treibhausgasen bei der Pro­duktion und dem Transport bis an die Grenze muss den Preis von Importgütern insoweit erhöhen, wie es der in der EU geltenden durchschnittlichen Steuer pro Tonne CO2-Äquivalent entspricht. Dabei liegt die Dokumentations­pflicht für diese Klima-Lieferkette grundsätzlich bei denjenigen Unternehmen, die die Produkte in die EU einführen wollen. Für mit den EU-Ländern vergleichbar starke Volkswirtschaften kann abweichend davon die Beweislast auf die exportierenden Unternehmen übertragen werden. Auch innerhalb Deutschlands und der EU werden die Rechte von Arbeitnehmerinnen verletzt. Dies betrifft vor al­lem Migrantinnen und mobile Beschäftigte aus Mittel-und Osteuropa, die ihre Rechte nicht kennen oder sie nicht einklagen können, weil sie beispielsweise nur geringe Sprachkenntnisse haben oder sich wegen eines unklaren Auf­enthaltsstatus nicht an staatliche Stellen wenden wollen. Auch in Deutschland und in der EU muss gelten, dass Unternehmen Verantwortung für alle Arbeitnehmerinnen entlang ihrer Lieferkette tragen. Wir fordern da­her, dass entsprechende Regelungen schon jetzt auf nationaler und EU-Ebene getroffen werden, auch wenn der Prozess auf internationaler Ebene noch andauern mag. Hierzu braucht es sowohl nicht-staatliche Beratungs­und Anlaufstellen als auch staatliche Stellen, die aber bei unklarem Aufenthaltsstatus nur die Arbeitnehmer*innen­rechte einfordern und keine Informationen hinsichtlich des Aufenthaltsstatus weitergeben oder gar selbst in diesem Kontext aktiv werden. Beide Arten von Anlaufpunkten müssen ausreichend aus öffentlicher Hand finanziert sein und ohne Hürden für die Betroffenen zu kontaktieren sein – beispielsweise durch Informationsmaterial, -kampagnen in verschiedenen Sprachen und Ansprechpersonen, die diese Sprachen sprechen. Hierbei sollen insbesondere die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch mit gewerkschaftlichen Einrichtun­gen angestrebt werden, die bereits in diesem Bereich bestehen.