Überall Krise, überall Patriarchat?! – in Zeiten multipler Krisen und der Dauerkrise Kapitalismus enttarnt sich das Patriarchat jedes Mal aufs Neue: prekäre Beschäftigung von FINTA, geschlechtsspezifische Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten, die Care-Krise und globale Krisen wie die Klimakatastrophe zeigen klar, dass das Patriarchat immer wieder Wege findet, all jene zu unterdrücken, die nicht in patriarchale Rollenbilder passen, beziehungsweise, die klein gehalten werden müssen, um Machthegemonien aufrecht zu erhalten. Unsere feministische Analyse identifiziert dabei Frauen, Inter, Nicht-binäre, trans und Agender Personen als jene Unterdrückten im Patriarchat. Je nach Kontext sind diese Gruppen zwar sehr unterschiedlich betroffen, sie eint jedoch der Ausschluss aus patriarchalen Hegemonien - ganz im Gegensatz zu Cis-Männern. Es braucht also intersektionale feministische Antworten auf diese Krisen sowie konsequente Solidarität, um unserem Kampf gegen das Patriarchat zum Erfolg zu verhelfen.
Geschlechtsspezifische Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten
Inhaltswarnung: Gewalt
Das Erstarken von autoritären Mächten erschüttert unsere Welt schon seit Jahren: Das Mullah-Regime im Iran, die Diktatur der Taliban in Afghanistan, Lukaschenkos unrechtmäßiger Machterhalt in Belarus, der Angriffskrieg auf die Ukraine oder auch der Krieg im Sudan. Die Anzahl an Kriegen und Krisen steigt immer weiter. In diesen Konflikten kommt es strukturell immer wieder zu geschlechtsspezifischer Gewalt und so wird bspw. sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Waffe genutzt, um Macht zu demonstrieren. Auch genderqueere Personen wie INTA fallen allzu oft dieser Gewalt zum Opfer. Differenziert werden müssen aber die Motive der unterschiedlichen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt. Frauen und Mädchen erfahren sexualisierte Gewalt in Krisen- und Kriegsgebieten, weil die Täter sie als Besitz eines ihnen feindlich gegenüberstehenden Mannes verstehen und sie so objektifizieren und sexualisierte Gewalt nutzen um sprichwörtliche Gebietskämpfe zu verkörperlichen. INTA-Personen wiederum fallen meist geschlechtsspezifischer Gewalt zum Opfer, da ihre bloße Existenz als ein Angriff auf patriarchale Hierarchien gewertet wird.
In Afghanistan verlieren Frauen seit August 2021 immer weiter an Rechten, INTA waren bereits vor der Machtergreifung der Taliban schweren Repressionen ausgesetzt, müssen nun jedoch einer völlig neuen Gewaltspirale Stand halten, da im Weltbild der Taliban kein Platz für Queerness und Geschlechtsidentitäten jenseits der Binarität ist. So wurden sie aus dem öffentlichen Leben verbannt, dürfen keine Bildungseinrichtungen besuchen oder am Arbeitsmarkt teilhaben. Ebenso sind FINTA erheblich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und müssen bei Protest gegen ihre Unterdrückung mit Verfolgung, Folter und Inhaftierung rechnen. Auch die gesundheitliche Versorgung von FINTA scheint auf längere Sicht nicht gesichert: Etwa durch das Studienverbot fehlt es an Gynäkolog*innen und Hebammen, um sichere Geburten zu begleiten. So scheint es nicht verwunderlich, dass etwa Afghanistan eine der höchsten Müttersterblichkeiten weltweit verzeichnet.
Im Iran zeigt sich ein weiterer Unterdrückungsmechanismus: Seit mehreren Monaten werden regelmäßig junge Schüler*innen in der Schule vergiftet. Diese Vergiftungen treten fast ausschließlich an Mädchenschulen auf und betreffen mittlerweile tausende junge FINTA im Iran, die oft nach den Giftanschlägen im Krankenhaus behandelt werden müssen. Zeitgleich werden im Iran Frauen weiter massivst unterdrückt und systematisch entrechtet: kein Tanzen oder Singen in der Öffentlichkeit, eine Verschleierungspflicht und kein Anspruch auf das Sorgerecht der eigenen Kinder. Vor Gericht gilt die Aussage eines Mannes so viel wie die Aussagen von zwei Frauen. Die feministische Revolution seit dem Mord an Jina Mahsa Amini im September 2022 kämpft gegen diese Unterdrückung, doch das Mullah-Regime antwortet seit Monaten gewalttätig unter anderem mit der Hinrichtung von Aktivist*innen sowie der Vergewaltigung von inhaftierten Freiheitskämpfer*innen.
Auch in der Ukraine berichten seit dem Angriffskrieg Putins immer mehr FINTA von sexualisierter Gewalt. Allein 156 Fälle wurden zur Anzeige gebracht – die Dunkelziffer, so auch die Schätzung der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine, wird viel höher sein. Marta Havryshko, eine ukrainische Wissenschaftlerin, die schon jahrelang über sexualisierte Gewalt in Kriegen forscht, spricht von einer „Epidemie sexualisierter Gewalt“ in der Ukraine seit dem 24.02.2022.
In Belarus kämpfen FINTA an vorderster Front gegen das unterdrückerische autoritäre Lukaschenko-Regime
All diese Beispiele sind nur ein kleiner Teil der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen FINTA in Kriegs- und Krisengebieten - das wahre Ausmaß der Unterdrückung ist weder bekannt noch wirklich vorstellbar. All diese Unterdrückungsmechanismen zeigen aber eines deutlich: Gewalt an FINTA ist eine Waffe. Eine Waffe, die Machthierarchien reproduziert und die Betroffenen demütigen soll und ihnen ihre Existenz und Autonomie abspricht. So wenden in der Ukraine Soldaten sexualisierte Gewalt an, um die Kontrolle über eroberte Gebiete zu behalten. Das Vergiften von jungen FINTA in Schulen begreifen viele als Bestrafung gegen die Freiheitskämpfer*innen: Junge Schüler*innen werden also als Mittel zum Zweck genutzt. Genauso suggerieren diese Anschläge, dass langfristig junge Frauen nicht in Bildungseinrichtungen gehören - die Realität und das Leben von queeren Personen wird komplett negiert.
Die Lebensumstände für FINTA in Kriegs- und Krisengebieten sind prekär, lebensgefährdend und unfrei – so zeigt das Patriarchat wieder einmal, dass FINTA in diesem System nicht herrschen, sondern, dass über sie geherrscht wird, über sie entschieden wird und sie zum Objekt gemacht werden. Diese Analyse ist zentral, um gegen Gewalt gegen FINTA als Waffe vorzugehen. Es braucht gesamtgesellschaftlich ein Verständnis und es wird Zeit für eine linke, progressive feministische Außenpolitik, die diese Realitäten anerkennt und systemkritisch agiert. Unsere Solidarität muss langfristig sein und darf nicht abnehmen - es ist unsere Aufgabe als Feminist*innen nicht wegzuschauen, sich zu informieren und laut zu sein gegen Gewalt und für alle Betroffenen in Kriegs- und Krisengebieten.
Um gegen diese gewaltvolle und prekäre Situation vorzugehen, fordern wir:
Unbezahlte Care-Arbeit als Teil patriarchaler Unterdrückung
Im Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit spricht man in der sozialistischen und marxistischen Theorie davon, dass Arbeiter*innen doppelt frei sind: Erstens frei von Kapitalbesitz und zweitens frei von Leibeigenschaft - das bedeutet sie können ihre Arbeitskraft selbst verkaufen. Teil unserer feministischen Analyse muss sein, diese Analyse um patriarchale Machthierarchien zu ergänzen. So sind vor allem Frauen in heterosexuellen Partnerschaften eben nicht frei in ihrer Entscheidung ihre Arbeitskraft zu verkaufen, da rechtliche und gesellschaftliche Normen sie aus der Erwerbsarbeit halten, damit sie sich voll und ganz der unbezahlten Sorgearbeit widmen. Besonders dieser Punkt verdeutlicht: Ein Sozialismusverständnis, das den Arbeitsbegriff nur als Erwerbsarbeit versteht, kann nie das unsere sein. Unsere antikapitalistische Analyse ist stattdessen: Wir alle sind im Laufe unseres Lebens sowohl auf professionelle (und bezahlte) wie auch unbezahlte Sorgearbeit angewiesen. Diese zumeist von Frauen verrichtete Arbeit ermöglicht erst die kapitalistische Ausbeutung der Arbeitskraft, sprich: Patriarchale Unterdrückung ist kein Nebenwiderspruch, sondern strukturell stabile Herrschaftsstruktur. Unser Kampf gegen das Patriarchat ist deshalb nicht durch unseren sozialistischen Kampf erledigt, sondern bedarf eigener Angriffspunkte.
Während der Coronapandemie spitzte sich die Situation sowohl im Bereich der bezahlten als auch der unbezahlten Care-Arbeit zu. Während innerhalb der professionellen Care-Arbeit Überlastung mehr als deutlich wurde, sah die Situation auch bei der unbezahlten Care-Arbeit nicht besser aus. In den Familien blieben zwar auch viele Väter (zwangsweise) während den Lockdowns zuhause, mehr Sorgearbeit verrichteten sie dadurch jedoch strukturell nicht. Tatsächlich verdoppelte sich laut dem DIW sogar die Zahl der heterosexuellen Partnerschaften mit Kind(ern), in denen die Frau die Sorgearbeit de facto allein verrichtet von 8% auf 16%. Doch nachdem die Erinnerung an die Lockdowns der Coronapandemie aus vielen Gedächtnissen verschwunden zu sein scheint, ist die Ungleichverteilung von Care-Arbeit geblieben. Und während vor allem dann gleichstellungspolitische Debatten politisch wie gesellschaftlich geführt werden, wenn es um die reichsten 10% geht - wie etwa bei der Elterngelddebatte - müssen wir diejenigen sein, die die materialistische Analyse der Care-Krise auf den Plan rufen. Denn: Das Ungleichverhältnis bei der unbezahlten Care-Arbeit führt strukturell zu Armut und Prekarisierung unter Frauen. Deshalb geht es ganz grundlegend darum, mehr Frauen in die Vollerwerbsarbeit zu bringen, damit ist das Problem jedoch noch nicht erledigt. Denn eine doppelte Belastung durch Erwerbs- und Care-Arbeit entlastet eben nicht, wenn letztere nicht gerechter verteilt wird. Deshalb geht es darum mehr Männer in die Pflicht zu nehmen und vor allem auch eine antirassistische Perspektive einzunehmen: Denn solange Care-Arbeit strukturell von weißen auf migrantisierte Frauen umverteilt wird, sind wieder einmal Cis-Männer die Profiteure der patriarchalen Ausbeutung, während zusätzlich ein Ungleichgewicht zwischen weißen und migrantisierten Frauen bestärkt wird.
Im Angesicht der Care-Krise fordern wir für eine bessere Verteilung unbezahlter Care-Arbeit deshalb:
Arbeit, Familie und Leben. Soziale Benachteiligung und Ungleichheit aufgrund des Geschlechts in Zeiten der multiplen Krisen
Laut dem Weltwirtschaftsforum gehören die steigende soziale Ungleichheit und die Klimakrise zu den größten Gefahren für die Weltgemeinschaft. Besonders von Armut betroffene Menschen können in Zeiten der multiplen Krisen keine Ressourcen aufbauen, um die Folgen dieser Krisen wie steigende Strom- und Gaspreise, Schäden durch Überschwemmungen, Wegfall von Arbeitsplätzen usw. abzufedern. Sie sind den Folgen dieser Krisen, die das kapitalistische System hervorbringt, ausgeliefert.
Von Armut und/oder sozialer Ausgrenzung sind unterschiedliche Menschen in verschiedener Weise betroffen. Dies hängt unter anderem mit der Lebens- und Familiensituation, der Klassenzugehörigkeit und Klassenherkunft, dem gelesenen Geschlecht oder der zugeschriebenen ethnischen Herkunft oder Rassifizierung, dem Bildungsgrad, der Migrationsgeschichte oder mit Behinderungen und/oder Erkrankungen zusammen. Statistisch gesehen sind soziale Benachteiligung, Armut sowie soziale Ausgrenzung geschlechtsspezifisch bestimmt. Im steigenden Alter nimmt dieses Ungleichgewicht der Geschlechter sogar noch zu. Dabei liegt das Armutsrisiko von Frauen im Alter spürbar über dem des gesamtgesellschaftlichen Durchschnitts. Auch leiden queere Menschen besonders häufig unter Altersarmut und Krankheit. Dies hat unter anderem etwas damit zu tun, dass auch heute noch queere Menschen Angst haben müssen, sich am Arbeitsplatz zu outen und/oder durch den sogenannten „Minderheitenstress“ früher zu erkranken. Die Erfahrung von Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt hat bei allen von struktureller Diskriminierung betroffenen Menschen Auswirkungen auf das Leben, die Arbeit und die Rente.
Aus vergeschlechtlichten Rollenzuschreibungen und den damit verbunden Nachteilen für Frauen - allen voran der Verdrängung vom Arbeitsmarkt - ergibt sich so z.B., dass Frauen statistisch gesehen mit einem höheren Armutsrisiko leben müssen.
Auch das Bild der „traditionellen Familie“ trägt dazu bei. Es entstand zu Beginn der Neuzeit und prägt und stabilisiert „männliche“ und „weibliche“ Rollenbilder. Das konservative Idealbild einer lebenslangen heterosexuellen Ehe in einer Versorgungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, in der sich die Partner*innen ergänzen, teilt Aufgaben und Tätigkeiten in einer zweigeschlechtlichen Vorstellung den Menschen zu. Dem Mann kommt hierbei die Rolle des „Ernährers“ und der Frau die Rolle als „Hausfrau und Mutter“ zu. In diesem konservativen, heute noch verbreiteten Bild der „traditionellen Familie“ werden beide Partner*innen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten begrenzt. Heute gibt es noch immer rechtliche Regelungen, die mit diesem Bild der Ehe verbunden sind. So können z.B. im Falle einer Trennung oder Scheidung entstandene Nachteile - etwa durch das Ehegattensplitting - durch die Übernahme von unbezahlter Care-Arbeit in der beruflichen Entwicklung nicht aufgeholt werden.
Das patriarchal geprägte Normbild der „traditionellen Familie“ scheint bei Erfüllung meist zu guter staatlicher Familienförderung zu führen, wohingegen „Abweichungen“ negative gesellschaftliche Folgen haben. So haben Alleinerziehende ein außerordentlich hohes Armutsrisiko und sind zu 88% Frauen. Ungefähr 40% der Alleinerziehenden müssen Grundsicherung beziehen. Im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen haben zusammenlebende Eltern mit nicht mehr als zwei Kindern ein geringeres Armutsrisiko. Hier scheint „Familienförderung“ zu funktionieren. Trennungen können hingegen schnell zu sozialen Nachteilen führen. Menschen, die in anderen Familienformen leben, erhalten weniger finanzielle Förderung und haben ein höheres Armutsrisiko.
Seit Jahren ist ein bestehendes politisches Thema die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dennoch ist eine Folge der Corona-Krise ein neues Bestärken konservativer Geschlechterrollen und Aufgabenverteilungen. Obwohl ein Familienmodell, bei dem die partnerschaftliche Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit nicht erfolgt, für viele junge Paare nicht mehr attraktiv zu sein scheint, können knapp ein Drittel der erwerbstätigen Mütter kein Einkommen erzielen, mit dem sie sich materiell absichern können. Des Weiteren nehmen die meisten Männer noch immer keine oder nur eine sehr kurze Elternzeit. Hier setzen auch die Elterngeldregelungen Anreize, patriarchal geprägten Aufgabenverteilungen nachzugehen. In Fällen, in denen der männliche Partner mehr verdient, erscheint es für diesen nicht so attraktiv, eine Elternzeit zu nehmen, da die finanziellen Verluste größer wären als bei der Elternzeit der Partnerin.
Diese Fälle, in denen der männliche Partner mehr verdient, sind keine Einzelfälle und haben etwas mit den Lohnunterschieden zwischen den Geschlechtern zu tun. Der unbereinigte Gender Pay Gap ist seit 2002 konstant und liegt im gesamtdeutschen Durchschnitt bei 18%. Diese Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen ergeben sich unter anderem daraus, dass Frauen häufiger unbezahlten Tätigkeiten innerhalb der Familie nachgehen und so weniger Zeit in ihre Karriere investieren können oder öfter in Teilzeitjobs arbeiten, bei denen keine weiteren Aufstiegschancen bestehen. Der Lohnunterschied bei den direkt vergleichbaren Tätigkeiten, also der sog. bereinigte Gender Pay Gap, liegt laut dem statistischen Bundesamt bei sechs Prozent. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft liegt dies daran, dass Frauen häufiger Brüche in ihrer Erwerbsbiografie haben und in schlecht bezahlten Berufen arbeiten.
Bereits die Wahl des Berufes und der Ausbildung werden von Vorstellungen und Rollen im Bezug zum Geschlecht geprägt. In der heutigen Zeit sind die sogenannten MINT-Berufe mit den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft “männlich” und die sogenannten SAGE-Berufe mit den Bereichen Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Erziehung und Bildung eher “weiblich” dominiert. Hieran schließt sich eine schlechtere Bezahlung der frauendominierten Berufe an. Gemäß der kapitalistischen Verwertungslogik wird noch immer ein Unterschied gemacht in der Bewertung der Nützlichkeit sozialer Berufe und ‘traditionellen’ Arbeitsverhältnissen, die direkt die Kapitalakkumulation beeinflussen. Bereits in der Ausbildung sind diese schulisch ohne Gehalt oder sogar mit Gebühren verbunden. So können Ansprüche auf die Altersvorsorge schlechter aufgebaut werden. Dies kann in Kombination mit Teilzeitarbeit und Familiengründung zur Altersarmut führen. In „weiblich“ zugeschriebenen Berufen erfahren die Arbeitenden häufig eine fehlende finanzielle Wertschätzung, geringere Tarifbindungen und Aufstiegschancen. Diese fehlende finanzielle Wertschätzung ist ein Ergebnis gesellschaftlicher Abwertung und Unterdrückung.
Aufgrund dieser geschlechtsbezogenen, in bestimmten Lebenssituationen und Lebenslagen auftretenden sozialen Ungleichheiten und Benachteiligungen, fordern wir:
Antifeminismus und Faschismus gehen Hand in Hand - Für einen feministischen Antifaschismus
Rechte und Faschist*innen sind international wie auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Im thüringischen Sonneberg wurde der erste AfD-Landrat gewählt, die Europawahlen stehen vor der Tür und rechte Parteien wähnen sich schon im Erfolgsrausch. Als antifaschistischer Verband muss uns dies besorgen, wissen wir doch, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Klassismus und Sexismus, aber auch Ableismus Hand in Hand mit dem Faschismus gehen. Frauen, queere Personen, BIPoC, arme Menschen und Menschen mit Behinderung dienen den Faschist*innen als Projektionsfläche. So wird im Namen der weißen Frau Stimmung gegen Geflüchtete gemacht, im Namen der bürgerlichen Kleinfamilie gegen queere Personen gehetzt und obendrein eine Sozial- und Gesundheitspolitik propagiert, die alles andere als feministisch und progressiv ist. Und deshalb dürfen uns Errungenschaften wie etwa die Streichung des Paragraf 219a auch nicht trügen: Rechte und Faschist*innen arbeiten bereits am Rollback und wollen grundlegend an die von uns erkämpften Rechte!
Rechte Parteien nutzen dabei insbesondere Online-Medien, um ihre Reichweite zu vergrößern und vor allem bei jungen Menschen Anklang zu finden. Diese Strategie verstärkt den Nährboden für faschistische Tendenzen sowohl in Bildungseinrichtungen als auch in der Gesellschaft insgesamt und verfestigt patriarchale und diskriminierende Strukturen. Neben Parteien gibt es vermehrt auch männliche Influencer, die durch Online-Content junge Männer ansprechen und aktiv misogyne, meist kombiniert mit queerfeindlichen Aussagen tätigen. Darunter fallen auch sogenannte Incels, die es sich zur Aufgabe machen frauenfeindliche Ansichten zu verbreiten. Zwar wird sich oftmals über diese Menschen lustig gemacht, ihre Taten dürfen jedoch ganz und gar nicht verharmlost werden. Es wird ein misogynes Frauenbild gepaart mit Queerfeindlichkeit, besonders Transfeindlichkeit und anderen Diskriminierungsformen erstellt. Nicht Cis-Männer werden enorm objektifiziert und Gewalt gegen sie wird legitimiert. Die Reichweite dieser Männer und ihre Wirkung auf andere, besonders Kinder und Jugendliche, muss als ernsthaftes Problem begriffen werden. Parteien wie die NoAfD sind an vorderster Spitze mit dabei, solche Narrative mitzutragen.
So stehen Parteien wie die AfD für die Verdrängung der Frau vom Arbeitsmarkt, denn sie erkennen in ihr nur die Hausfrau und Mutter. Sie stehen für einen Abbau des Sozialstaates, um etwa Wohnungslose und Geflüchtete gegeneinander auszuspielen und sie beschwören queerfeindliche Mythen wie die Frühsexualisierung und würden am liebsten Aufklärungsunterricht aus Schulen verbannen, Abtreibungen illegalisieren sowie Verhütung tabuisieren. Krankheitsversorgung bei sexuell übertragbaren Krankheiten sehen sie nicht als Teil der Daseinsvorsorge. Diese Liste könnte lange weitergeführt werden und wäre trotzdem nur die Spitze des Eisberges, denn die menschenfeindliche Haltung endet nicht bei politischen Programmpunkten, sondern schlägt immer wieder in Gewalt um. Um diese Gefahr richtig zu erkennen, reicht es jedoch nicht, nur jene in den Blick zu nehmen, die selbst körperliche Gewalt ausüben. Vielmehr muss uns umtreiben, wenn Vertreter*innen etablierter Parteien, wie etwa der CDU/CSU, die Grenze des Sagbaren immer weiter verschieben und sich willentlich dem Kulturkampf der AfD anschließen. Für uns bleibt Antifaschismus deshalb Handarbeit und feministischer Auftrag.
Antifaschismus und Feminismus müssen Hand in Hand gehen, um die gemeinsamen Kämpfe gegen Patriachat und Faschismus zu bestreiten. Die antifaschistische Szene wird von Männern dominiert. Der eigene Sexismus innerhalb antifaschistischer Bewegungen wird selten reflektiert. Das muss ein Ende haben. Die antifaschistische Bewegung darf nicht zur Bühne der Selbstdarstellung von Männern werden, sondern sollte Bühne des politischen Kampfs gegen den Faschismus sein. Wir brauchen einen feministischen Antifaschismus.
Im Angesicht des Erstarkens rechter Kräfte wollen wir deshalb:
Globale Krisen und koloniale Kontinuitäten in einer patriarchal geprägten Weltgemeinschaft
Von den Auswirkungen der Corona-Pandemie, über die Folgen des russischen Angriffskrieges bis zu den Folgen der Klimakrise: Wir leben in einer Zeit der Krise. Der Kapitalismus ist Erzeuger von Krisen, Unterdrückung und sozialer Ungleichheit und zeigt sich nicht in der Lage die Grundbedürfnisse aller Menschen nach Essen, Wohnen, Heizen, Mobilität, Sicherheit und Teilhabe zu sichern. Eng mit dem Kapitalismus und den globalen Krisen verbunden sind die historischen Folgen des Kolonialismus. Hierbei ist die Ausbeutung von Arbeitskraft ein zentraler Bestandteil des kapitalistischen Systems, sei es historisch in den Kolonien durch Sklavenhandel und Zwangsarbeit oder aber in der heutigen kapitalistischen Welt durch Sklavenhandel, Zwangsarbeit und durch ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Des Weiteren prägen die Folgen des Kolonialismus unsere heutige Welt und tragen zu aktuellen Krisen bei. So zeigt sich nicht nur zwischen den unterschiedlichen Einkommensgruppen der Industrienationen, sondern im Verhältnis des globalen Nordens zum globalen Süden, dass die gesellschaftlichen Gruppen der Weltgemeinschaft, deren Beitrag zum Klimawandel am geringsten ist, die stärkste Betroffenheit von den Folgen des Klimawandels z.B. durch Überschwemmungen, Hitzewellen, Starkwetterereignisse, Dürreperioden usw. erfahren und erfahren werden. Diese Ungleichheit und Ungerechtigkeit in der Betroffenheit und Verursachung des Klimawandels kann als eine Folge des Kolonialismus gesehen werden. Weitere koloniale Kontinuitäten stellen die Ressourcenausbeutung in Ländern des globalen Südens, kulturelle Unterdrückung und Diskriminierung, die politische Einflussnahme, die zu korrupten Regierungen, politischer Instabilität und autoritären Regime führte und die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit in der Weltgemeinschaft zwischen den Ländern dar. Die Länder, die von kolonialer Ausbeutung heute noch wirtschaftlich profitieren und die Länder, die hiervon betroffen sind, die dadurch entstehende Armut und aufkommenden Konflikte sowie Kriege im globalen Süden sind das, was wir unter kolonialen Kontinuitäten begreifen.
Im Bereich der wirtschaftlichen Ungleichheit hat die koloniale Ausbeutung zu einer ungerechten Verteilung von Ressourcen und zu wirtschaftlicher Abhängigkeit geführt. Weiterhin leben wir in einer ungleichen globalen Wirtschaftsordnung, in der koloniale Mächte der Länder des globalen Nordens eine dominante wirtschaftliche Position einnehmen. Diese soziale und wirtschaftliche Ungleichheit führt zur Entstehung und Verstärkung globaler Krisen wie Armut, Ausbeutung, der Klimakrise und trägt zu Fluchtursachen bei. Aufgrund dessen, dass wir in einer patriarchal geprägten Welt leben, sind so vor allem FINTA von Gewalt, Ausbeutung und Armut bedroht, aufgrund der Wirkung kolonialer und rassistischer Strukturen sind BIPoC eine weitere vulnerable Gruppe dieser Gewalt, Ausbeutung und Armut. Im Sinne eines intersektionalen Analyserahmens vermögen wir die gegenseitige Verschränkung dieser strukturellen Diskriminierungen zu erfassen und wissen: Im Dreiklang von Race, Class und Gender wirken Rassismus, kapitalistische Zwänge und Patriarchat ineinander.
Eine gerechte und feministische Weltordnung, in der alle Menschen unabhängig ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer Behinderung, ihrer Rassifizierung, ihrer Klassenzugehörigkeit und ihrer Sexualität in Frieden gleichberechtigt leben können, erfordert einen strukturellen Wandel, der die historisch gewachsenen Ungleichheiten bekämpft sowie eine solidarische auf Augenhöhe stattfindende Zusammenarbeit zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden fördert. Es erfordert die Verantwortungsübernahme von Regierungen, multinationalen Unternehmen, der Zivilgesellschaft, den internationalen Intuitionen und den gesellschaftlichen Personengruppen, die heute noch vor allem im globalen Norden von Ausbeutungsstrukturen, vom Kapitalismus und von den kolonialen Kontinuitäten profitieren.
Vor diesem Hintergrund fordern wir: