Im Zuge der jetzt abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen von SPD, Bündnis ‘90/Die Grünen und der FDP hat die Debatte um die Anschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr wieder Fahrt aufgenommen, und die SPD droht ihre friedenspolitische Glaubwürdigkeit zu verlieren, indem einer Anschaffung zugestimmt wird. Im Sondierungspapier der sogenannten Ampel-Parteien wurde bekräftigt, dass diese drei Parteien eine „führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes“ einnehmen wollen und den Bedarf einer „abrüstungspolitischen Offensive“ sehen. Auch im frisch veröffentlichten Koalitionsvertrag setzen sich die drei Parteien eine „Wiederbelebung der internationalen Abrüstung und Rüstungskontrolle“ zum Ziel. Dennoch beinhaltet der Koalitionsvertrag die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr, was den abrüstungspolitischen Zielen aus Sondierungspapier und Koalitionsvertrag diametral gegenübersteht. Die Ampel-Parteien laufen Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit bereits zu Beginn ihrer Koalition zu verspielen. Wasser predigen, aber dann Wein trinken – das darf nicht der Anspruch der deutschen Sozialdemokratie sein, dieses Verhalten hat in den vergangenen Jahren bereits Wähler*innenstimmen gekostet. Daher fordern wir die SPD als stärkste Kraft in diesem Bündnis dazu auf, sich nicht nur gegen die Bewaffnung von Drohnen auszusprechen, sondern deren Anschaffung auch aktiv zu verhindern. Die Anschaffung von bewaffneten Drohnen, die auch als Angriffswaffen genutzt werden können, bedeutet eine weitere Aufrüstung der Bundeswehr. Aus jungsozialistischer Sicht müssen wir uns aber auch heute verstärkt für Abrüstung einsetzen. Die SPD hat den Anspruch, Friedenskraft in Deutschland und Europa zu sein, und lehnt jegliche Form von Angriffs- und Präventivkriegen ab (Hamburger Programm). Damit geht auch eine konsequente Abrüstungspolitik einher. Mit Blick auf die Konflikte beispielsweise in Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan, oder auch auf die sich rivalisierenden Staaten Algerien und Marokko ist festzustellen, dass ein neues Wettrüsten mit waffenfähigen Drohnen bereits begonnen hat. Die USA, China, die Türkei und Russland mischen als größte Hersteller der sogenannten unmanned aerial vehicles (UAV) kräftig mit: So liefern sich Russland und die Türkei einen Stellvertreterkrieg in Bergkarabach. Zudem stehen auch starke wirtschaftliche Interessen hinter der zunehmenden Aufrüstung. Um den Eintritt in diese bereits jetzt bestehende Aufrüstungsspirale zu vermeiden, gilt es von der Bewaffnung von Drohnen abzusehen. Zudem ist es nicht tragbar, in einen Rüstungswettlauf im Bereich der Drohnentechnologie einzusteigen, während auch das atomare Wettrüsten global wieder an Fahrt aufgenommen hat. Auch hier erwarten wir von der SPD und der SPD-Bundestagsfraktion, dass sie sich verstärkt für ein internationales Abrüsten im atomaren Bereich einsetzt und darauf hinwirkt, dass die Bundesrepublik Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag der UNO unterzeichnet. Des Weiteren fordern wir die SPD dazu auf, sich, ihrem Parteivorstandsbeschluss von 2013 folgend, verstärkt für die Ächtung derartiger Waffensysteme einzusetzen. Zusätzlich soll sich die SPD für ein einheitliches internationales Regelwerk zur Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Kampfdrohnen einsetzen.
Denn obwohl bereits zahlreiche Staaten über die Anschaffung nachdenken, oder sie bereits einsetzen, gibt es noch kein internationales Regelwerk zur Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von bewaffneten Kampfdrohnen. Das Argument, dass eine Bewaffnung von Drohnen längst überfällig und unumgänglich ist, da das weltweite Wettrüsten bereits in vollem Gang und technische Entwicklung nicht aufzuhalten ist, ist purer Zukunftspessimismus. Statt sich an der Aufrüstung zu beteiligen, muss sich die Bundesrepublik Deutschland international für die Vermittlung und Lösung von Konflikten einsetzen. Der wichtigste Ansatz in der internationalen Konfliktlösung ist für uns die Diplomatie. Diplomatische Verhandlungen nehmen für uns den obersten Stellenwert bei der Lösung von Konflikten ein und sind damit Grundlage unseres antimilitaristischen Handelns. Der Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen senkt zudem die Hemmschwelle für einen Kriegseintritt, unter anderem da weniger Soldat*innen in das eigentliche Einsatzgebiet entsendet werden müssen. Getreu dem Motto „Nie wieder Krieg!“ dürfen wir das Absenken solcher Hemmschwellen niemals in Kauf nehmen. Auch das muss bei einer konsequenten Abrüstungspolitik berücksichtigt werden. Befürworter*innen argumentieren bei der Anschaffung bewaffneter Drohnen oftmals mit der Unaufhaltsamkeit des technischen Fortschritts. Auch die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kommen in einem Bericht von Oktober 2020 zu dem Schluss, dass sich auch das im 14. Jahrhundert entwickelte Schwarzpulver trotz seiner mörderischen Konsequenzen nach und nach durchsetzte, und „[…] die Menschheit sich vermutlich an ein Leben mit Kampfdrohnen gewöhnen müssen wird.“ Der Verweis auf das Schwarzpulver übersieht jedoch den Umstand, dass es damals weder Kriegs- noch Völkerrecht gab. Erst die jahrhundertelange Erfahrung mit der Brutalität des Krieges hat dazu geführt, dass globale Normen und Waffenächtungen überhaupt möglich wurden. Die Ächtung von ABC-Waffen (atomare, biologische und chemische Waffen) folgte erst nach hunderttausenden Toten und Veteranen, die dem Gaskrieg des ersten Weltkriegs zum Opfer fielen. Perfide dabei: Dieser wurde der Bevölkerung damals als humanitär und fortschrittlich verkauft, da er angeblich den Krieg maßgeblich verkürzen würde. Heute wird diesbezüglich ähnlich argumentiert: Drohnen seien sehr viel präziser und effektiver, wodurch weniger Kollateralschäden entstünden – es also weniger zivile Opfer geben würde.
Laut der Studie „Living under Drones“ von der Stanfort University und der New York University starben im Zeitraum von Juni 2004 bis September 2012 zwischen 2.562 und 3.325 Menschen durch US-amerikanische Drohnenangriffe allein in Pakistan. Unter den Opfern waren laut der Studie zwischen 474 und 881 Zivilist*innen, darunter 176 Kinder. Wie in jedem Krieg werden also auch in einem mit Drohnen geführten Krieg Zivilist*innen und Kinder getötet und sind Leidtragende des Konfliktes, die Zahlen sind alles andere als gering. In der Debatte um bewaffnete Drohnen sollten wir also auch aus der mörderischen Historie des Krieges lernen und alten, längst widerlegten Argumentationsmustern nicht mehr folgen. Nicht nur für betroffene Zivilist*innen stellen Drohnenangriffe eine massive psychische Belastung dar, sondern auch für die angriffsausführenden Drohnenpilot*innen. Bereits 2015 berichteten ehemalige Drohnenpiloten der US-Armee in einem offenen Brief an den damaligen Präsidenten Barack Obama von posttraumatischen Belastungsstörungen, die sie aufgrund des „systematischen Zerstörens unschuldiger Leben“ entwickelten. An dieser Stelle müssen wir auch an die Verantwortung denken, die die Bundesrepublik gegenüber ihren Soldat*innen hat, denn eine posttraumatische Belastungsstörung verändert ein Menschenleben massiv. Die Unterzeichner des Briefes sehen ebenfalls einen Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen, wie beispielsweise denen in Paris und dem Drohnenprogramm. Dies kann in Teilen auch auf die oben aufgeführten negativen Reaktionen der Zivilbevölkerung auf die massive Belastung durch Drohnenkriege zurückgeführt werden. Kampfdrohnen heizen somit eine Gewaltspirale an, die immer neue Gefährdungspotentiale schafft, statt für insgesamt mehr Sicherheit zu sorgen. Selbst wenn in speziellen Situationen, die keinesfalls pauschal und schon gar nicht im Vorhinein festgelegt werden können, bewaffnete Drohnen für ein gewisses Mehr an Sicherheit für Soldat*innen sorgen könnten: Uns Jungsozialist*innen und Sozialdemokrat*innen ist klar, dass im Fall von Kampfdrohnen ein eventuelles Mehr an Sicherheit für die einen, im Gegenzug definitiv weniger Sicherheit für die anderen, in diesem Fall die Zivilbevölkerung, bedeutet. Ein Gegeneinander-Aufwiegen von Menschenleben ist jedoch ausnahmslos nicht mit unseren internationalistischen Werten sowie unseren Idealen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität vereinbar. Auch wenn ein Vergleich zwischen der US-Armee und der deutschen Bundeswehr ungültig ist, müssen wir uns aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen mit bewaffneten Kampfdrohnen bewusst sein, dass diese einer strengen parlamentarischen Regulierung bedürfen. Uns ist allerdings auch bewusst, dass andere parlamentarische Mehrheiten dazu führen können, dass einem Einsatz von bewaffneten Kampfdrohnen und/oder weniger Reglementierungen leichtfertiger zugestimmt wird. Die Oberbefehlsgewalt liegt im Bundesverteidigungsministerium bzw. Bundeskanzler*innenamt. Es wäre vermessen zu glauben, ein unmenschliches Kriegsszenario durch die deutsche Bundeswehr mittels bewaffneter Drohnen könne niemals eintreten. Für ein solches Szenario darf die SPD nicht der Türöffner sein. Die Außenpolitik einer sozialdemokratisch geführten Regierung sollte sich stets am Prinzip der Solidarität orientieren, um Friedensförderung und -wahrung zu ermöglichen. Potenzielle Gewaltkonflikte sollten vermieden werden, und es sollte der ernsthafte Versuch unternommen werden, bereits bestehende Konflikte in eine gewaltfreie Form des Interessensausgleichs umzuwandeln. Dieses Ziel kann durch Aufrüstung und die Anschaffung bewaffneter Drohnen, die völkerrechtlich nicht reguliert sind, nicht erreicht werden, denn: „Konflikte können zwar militärisch entschieden, aber niemals nur militärisch gelöst werden.“ (Hamburger Programm).