Antrag INI13: Keine halben Sachen – Legalize it, aber richtig!
Grundlegendes
Endlich grinden die Mühlen, wenn auch langsam. Letzte Woche hat das Kabinett
Eckpunkte einer Cannabis Legalisierung bestätigt. Seit Jahren warten wir Jusos auf
diesen Tag, für den wir so lange gekämpft haben. Doch wie immer gilt: Veränderungen
geschehen nicht ohne Druck und die Artikulation von Interessen. Deswegen ist nun ein
guter Zeitpunkt, zentrale Punkte aus Konsument*innen-Perspektive zu artikulieren und
auf einen Gesetzesentwurf zu pochen, der zu der Lebensrealität vieler Konsument*innen
in Deutschland passt. Die Regelungen müssen sozial gerecht und nachvollziehbar sein.
Die zwei übergeordneten Ziele lauten:
Dem illegalen Handel und dessen gefährliche Praktiken muss die Grundlage
entzogen werden.
Folgende Punkte leiten wir daraus ab:
1. Legales Cannabis muss beste Ware sein, auch mit Blick auf den THC-Gehalt.
Während in den Niederlanden, Kanada oder den USA ein THC-Gehalt von über 20 Prozent
normal ist, würde Gras mit einer Obergrenze von 10 oder 15 Prozent als Cannabis
zweiter Klasse dastehen. In den letzten Wochen wurde in der gesellschaftlichen
Debatte eine THC-Obergrenze diskutiert. Dies allerdings würde einen Anreiz für den
Schwarzmarkt schaffen, stärkeres Gras anzubieten und damit neben der Abwesenheit von
Steuern und Staat ein weiteres Alleinstellungsmerkmal zu gewinnen. Auf der Suche nach
Cannabis mit höherem THC-Gehalt würden Konsument*innen auf den Schwarzmarkt
ausweichen. Dort laufen sie aber Gefahr, Gras, das z.B. mit synthetischen
Cannabinoiden und anderen Streckmitteln versetzt ist, zu kaufen. Auch führen THC-
Obergrenzen praktischen Problemen im Konsumalltag: Beispielsweise muss für das Backen
von Cookies über die sogenannte „Decarboxylierung“ das THC aus der Pflanze in Butter
eingekocht werden, um sie später zu verbacken. Bei einer cannabis-infused Butter sind
auch höhere Grenzwerte jenseits von 30 Prozent jedoch schnell erreicht und die
Person, die sie produziert hat, schnell wieder in der Illegalität. Was
Konsument*innen brauchen, sind einfach anwendbare und verständliche Regeln, die zum
Lebensalltag passen. Aus all diesen Punkten folgt:
Ein Gesetz zur Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis darf keine THC-
Obergrenze für Cannabis-Produkte enthalten. Auch Haschisch, Öle und THC-Edibles mit
hohem THC-Gehalt müssen über den legalen Weg erhältlich und konsumierbar sein.
2. Ob du mit 10, 20 oder 50 Gramm rumrennst – was geht das den Staat an?
Die Gründe, sich einen größeren Vorrat an Gras zuzulegen oder mit mehr als üblich
herumzulaufen, können vielfältig sein: Ein längerer Sommerurlaub mit der Bahn durch
Deutschland, eine Lieblingssorte, die häufig vergriffen ist oder die privaten
Pflanzen, die gerade geerntet wurden. Konsument*innen sollten sich in solchen
Situationen keine Sorgen machen müssen, dass sie mit zu viel unterwegs sind. Daraus
folgt:
Ein Gesetz zur Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis sollte großzügige
Grenzwerte zur Mitführung von Cannabis und THC-haltigen Produkten enthalten,
beispielsweise 50 Gramm oder mehr im öffentlichen Raum. Eine generelle Besitzgrenze
oder Erwerbsgrenze lehnen wir ab.
3. Legales Kiffen muss bezahlbar sein.
Wer es mit der Sicherheit für Konsument*innen ernst meint, muss das Kiffen bezahlbar
halten. Das Argument, mit der Legalisierung könne „der Staat schnell viel Geld
verdienen“ sorgt selbst bei so manch einer*einem Konservativen für Kopfnicken. Diese
neoliberale Logik lässt allerdings schnell das zentrale Ziel außer acht, dem
Schwarzmarkt ein Ende zu setzen. Solange es den Schwarzmarkt gibt, gibt es auch ein
Substitut auf das Verbraucher*innen ausweichen, wenn legales Gras zu teuer ist;
Gefahren auf dem Schwarzmarkt bleiben so bestehen und vermeintliche Verhaltensanreize
über Steuern laufen ins Leere. Dieses Thema hat aber auch eine
Gerechtigkeitsdimension: Wir wollen eine Situation vermeiden, bei der wir auf der
einen Seite das sichere und legale Gras für die haben, die es sich leisten können,
und auf der anderen Seite das häufig gestreckte und illegale Gras für alle anderen.
Aus diesen zwei Gedanken folgt:
Der Preis inkl. Steuern soll langfristig auch für Menschen mit geringen Einkommen
bezahlbar sein und unter dem Schwarzmarktpreis für vergleichbares Cannabis liegen.
Sollte eine neue Cannabis-Steuer erhoben werden, sollte diese zeitlich gestaffelt
eingeführt werden.
4. Legales Gras muss verfügbar sein
Was bringt guter Preis und gute Qualität, wenn es nicht verfügbar ist? Es braucht
eine breit aufgestellte Vertriebsinfrastruktur, die auch die ländlichen Regionen
abdeckt, um eine Verfügbarkeit von Cannabisprodukten im ganzen Land zu gewährleisten.
Legales Gras wird nicht nur ein Medizinprodukt, sondern auch Genussmittel sein. Für
eine gute Beratung beim Verkauf wird es für viele Konsument*innen nicht nur auf eine
versierte medizinische Einordnung ankommen, sondern z.B. auch auf Erfahrungswerte auf
der anderen Seite oder Raum für Austausch. Wir setzen uns für eine unkomplizierte
Lizenzvergabe ein, die Straftäter*innen nach dem BtMG nicht von der Lizenzvergabe
ausschließt. Daher fordern wir:
Die Möglichkeiten, legales Gras zu kaufen, müssen vielfältig und auch auf dem Land
gegeben sein. Sofern Jugendschutz- und Datenschutzbestimmungen es zulassen, soll der
Onlinehandel eingeführt werden. Das Anbauen von eigenem Gras muss legal sein – eine
Obergrenze an Pflanzen lehnen wir ab.
Konsum in den Fachgeschäften sowie im öffentlichen Raum, in dem auch Tabakprodukte
konsumiert werden dürfen, soll ermöglicht werden.
5. Zur Entkriminalisierung gehört die Amnestie!
Die internationalen Regelungen und die Strafverfolgung zur Prohibition von Cannabis
gehen auf vollkommen unwissenschaftliche und rassistische Kampagnen gegen Marihuana
in den USA der 30er Jahre zurück. Das Zitat des früheren Chefs des US-Drogendezernats
und späteren Mitglieds der UN-Drogenkommission, Harry J. Anslinger, „Kiffen lässt
Schwarze denken, sie wären so gut wie Weiße“ (aus dem engl.) spricht für sich. Die
Stigmata, die dem Kiffen damals angehängt wurden, halten bis heute an und machen sich
im gesellschaftlichen Diskurs und der Strafverfolgung bemerkbar. Letztere hat seit
den 2000er Jahren in Deutschland nochmal massiv zugenommen. Wir sehen es als Aufgabe
des Gesetzgebers, beim Beschluss über die Entkriminalisierung und Legalisierung von
Gras auch Fragen der Amnestie zu regeln. Daher fordern wir:
Zur Entkriminalisierung gehört auch die Einstellung laufender Strafverfahren, die mit
dem Eigenkonsum von Cannabis zusammenhängen, sowie der Erwerb, der Besitz oder die
Herstellung. Bereits vergebene, aber noch nicht oder nur zum Teil getilgte Strafen
werden erlassen.
Vergangene Urteile müssen aus dem Bundeszentralregister gelöscht und Berufsverbote
aufgehoben werden.
6. Kiffen ab 18 – kein aber.
Komasaufen am 18. Geburtstag, aber wehe jemand schenkt Dir Baba Weed? Wir streben
eine Gleichstellung von Cannabis und Alkohol an. Wenn wir es 18-jährigen Menschen
zutrauen, ihren Alkoholkonsum und die Wahl der Getränke in Hinblick auf ihre
Gesundheit und ihres sich noch entwickelnden Körpers selbst einzuschätzen, dann
sollte das auch für dem Konsum von Cannabis und die Wahl der Knolle gelten. Daraus
folgt:
Kiffen muss ab 18 legal sein, ohne besondere Regeln für „diese jungen Leute“.
Programme zur Prävention von bedenklichen Konsummustern bei Alkohol und Cannabis
werden ausgeweitet.
7. Gestern gekifft, heute Abend am Steuer - das muss gehen!
Menschen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, kennen die Angst: Wer kontrolliert
wird, ist in der Regel seinen Führerschein los, auch nach teils tagelanger Abstinenz.
Das liegt an der aktuellen Nachweisbarkeitsregel. Diese besagt: Ist der Wirkstoff
nachweisbar, dann wirkt er auch. Hohe Bußgelder und Fahrverbote sind die Folge,
unabhängig davon, ob die Fahrtüchtigkeit tatsächlich eingeschränkt war. Kein*e
Konsument*in kann niedrigschwellig einschätzen, ob das THC im Eigenblut noch
nachweisbar ist. Der aktuelle Grenzwert ist absolut unpraktikabel und überlässt es
dem Zufall und dem Stoffwechsel einer Person, ob bei dieser nach 4 Tagen noch
Wirkstoff nachweisbar ist oder nicht. In einer Welt, in der Gras rauchen legal ist,
braucht es praktikable Grenzwerte, die dem Sicherheitsprinzip im Straßenverkehr
gerecht werden und die gleichzeitig einen praktikablen Rahmen darstellen, in dem
Selbsteinschätzungen und Faustregeln anwendbar sind. Daraus folgt:
Wir fordern einen Grenzwert für den Straßenverkehr, der gleichzeitig eine Rauschfahrt
ausschließt, aber für regelmäßige Konsument*innen eine alltagstaugliche Lösung
darstellt. Dieser soll sich an bereits bestehenden Regelungen aus anderen Ländern
orientieren, wie den 6 Nanogramm THC pro Milliliter Vollblut in Portugal und den
Niederlanden. Außerdem fordern wir die Förderung der Entwicklung alternativer
Testmethoden. Außerdem muss die Ungleichbehandlung im Verkehrsrecht beendet werden,
indem vergleichbare Regeln zur Fahrt unter Alkoholeinfluss geschaffen werden.
8. Cannabis nicht den Kapitalist*innen überlassen
Mit der Erwartung der Cannabis Legalisierung reiben sich bereits jetzt Investor*innen
die Hände. Sie stehen in den Startlöchern um riesige Grow-Anlagen aufzubauen, den
Markt zu dominieren und Gewinne abzuschöpfen. Es ist für uns keine Option, mit dem
hart erkämpften Konsum von Cannabis als Genußmittel die Rendite von Investor*innen
und Aktionär*innen zu finanzieren. Die Produktion von Cannabis muss in kommunaler und
genossenschaftlicher Hand erfolgen um die hohen Erwartungen an regionale, nachhaltige
und preiswerten Anbau und Verkauf gerecht zu werden. Neben Genossenschaftlichen
Modellen soll es auch in Cannabis-Social Clubs möglich sein, als eingetragene Vereine
gemeinsam und nichtkommerziell im Rahmen des Eigenanbaus Cannabis anzupflanzen und
an die Mitglieder auszugeben.