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Beschlussarchiv

INI13 2022
Keine halben Sachen – Legalize it, aber richtig!

Antrag INI13: Keine halben Sachen – Legalize it, aber richtig!
Grundlegendes
Endlich grinden die Mühlen, wenn auch langsam. Letzte Woche hat das Kabinett
Eckpunkte einer Cannabis Legalisierung bestätigt. Seit Jahren warten wir Jusos auf
diesen Tag, für den wir so lange gekämpft haben. Doch wie immer gilt: Veränderungen
geschehen nicht ohne Druck und die Artikulation von Interessen. Deswegen ist nun ein
guter Zeitpunkt, zentrale Punkte aus Konsument*innen-Perspektive zu artikulieren und
auf einen Gesetzesentwurf zu pochen, der zu der Lebensrealität vieler Konsument*innen
in Deutschland passt. Die Regelungen müssen sozial gerecht und nachvollziehbar sein.
Die zwei übergeordneten Ziele lauten:

  • Konsument*innen, egal ob sie gelegentlich oder täglich kiffen, müssen von der
    Illegalität befreit werden.
  • Dem illegalen Handel und dessen gefährliche Praktiken muss die Grundlage
    entzogen werden.

    Folgende Punkte leiten wir daraus ab:
    1. Legales Cannabis muss beste Ware sein, auch mit Blick auf den THC-Gehalt.

    Während in den Niederlanden, Kanada oder den USA ein THC-Gehalt von über 20 Prozent
    normal ist, würde Gras mit einer Obergrenze von 10 oder 15 Prozent als Cannabis
    zweiter Klasse dastehen. In den letzten Wochen wurde in der gesellschaftlichen
    Debatte eine THC-Obergrenze diskutiert. Dies allerdings würde einen Anreiz für den
    Schwarzmarkt schaffen, stärkeres Gras anzubieten und damit neben der Abwesenheit von
    Steuern und Staat ein weiteres Alleinstellungsmerkmal zu gewinnen. Auf der Suche nach
    Cannabis mit höherem THC-Gehalt würden Konsument*innen auf den Schwarzmarkt
    ausweichen. Dort laufen sie aber Gefahr, Gras, das z.B. mit synthetischen
    Cannabinoiden und anderen Streckmitteln versetzt ist, zu kaufen. Auch führen THC-
    Obergrenzen praktischen Problemen im Konsumalltag: Beispielsweise muss für das Backen
    von Cookies über die sogenannte „Decarboxylierung“ das THC aus der Pflanze in Butter
    eingekocht werden, um sie später zu verbacken. Bei einer cannabis-infused Butter sind
    auch höhere Grenzwerte jenseits von 30 Prozent jedoch schnell erreicht und die
    Person, die sie produziert hat, schnell wieder in der Illegalität. Was
    Konsument*innen brauchen, sind einfach anwendbare und verständliche Regeln, die zum
    Lebensalltag passen. Aus all diesen Punkten folgt:
    Ein Gesetz zur Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis darf keine THC-
    Obergrenze für Cannabis-Produkte enthalten. Auch Haschisch, Öle und THC-Edibles mit
    hohem THC-Gehalt müssen über den legalen Weg erhältlich und konsumierbar sein.

    2. Ob du mit 10, 20 oder 50 Gramm rumrennst – was geht das den Staat an?
    Die Gründe, sich einen größeren Vorrat an Gras zuzulegen oder mit mehr als üblich
    herumzulaufen, können vielfältig sein: Ein längerer Sommerurlaub mit der Bahn durch
    Deutschland, eine Lieblingssorte, die häufig vergriffen ist oder die privaten
    Pflanzen, die gerade geerntet wurden. Konsument*innen sollten sich in solchen
    Situationen keine Sorgen machen müssen, dass sie mit zu viel unterwegs sind. Daraus
    folgt:
    Ein Gesetz zur Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis sollte großzügige
    Grenzwerte zur Mitführung von Cannabis und THC-haltigen Produkten enthalten,
    beispielsweise 50 Gramm oder mehr im öffentlichen Raum. Eine generelle Besitzgrenze
    oder Erwerbsgrenze lehnen wir ab.

    3. Legales Kiffen muss bezahlbar sein.
    Wer es mit der Sicherheit für Konsument*innen ernst meint, muss das Kiffen bezahlbar
    halten. Das Argument, mit der Legalisierung könne „der Staat schnell viel Geld
    verdienen“ sorgt selbst bei so manch einer*einem Konservativen für Kopfnicken. Diese
    neoliberale Logik lässt allerdings schnell das zentrale Ziel außer acht, dem
    Schwarzmarkt ein Ende zu setzen. Solange es den Schwarzmarkt gibt, gibt es auch ein
    Substitut auf das Verbraucher*innen ausweichen, wenn legales Gras zu teuer ist;
    Gefahren auf dem Schwarzmarkt bleiben so bestehen und vermeintliche Verhaltensanreize
    über Steuern laufen ins Leere. Dieses Thema hat aber auch eine
    Gerechtigkeitsdimension: Wir wollen eine Situation vermeiden, bei der wir auf der
    einen Seite das sichere und legale Gras für die haben, die es sich leisten können,
    und auf der anderen Seite das häufig gestreckte und illegale Gras für alle anderen.
    Aus diesen zwei Gedanken folgt:
    Der Preis inkl. Steuern soll langfristig auch für Menschen mit geringen Einkommen
    bezahlbar sein und unter dem Schwarzmarktpreis für vergleichbares Cannabis liegen.
    Sollte eine neue Cannabis-Steuer erhoben werden, sollte diese zeitlich gestaffelt
    eingeführt werden.

    4. Legales Gras muss verfügbar sein
    Was bringt guter Preis und gute Qualität, wenn es nicht verfügbar ist? Es braucht
    eine breit aufgestellte Vertriebsinfrastruktur, die auch die ländlichen Regionen
    abdeckt, um eine Verfügbarkeit von Cannabisprodukten im ganzen Land zu gewährleisten.
    Legales Gras wird nicht nur ein Medizinprodukt, sondern auch Genussmittel sein. Für
    eine gute Beratung beim Verkauf wird es für viele Konsument*innen nicht nur auf eine
    versierte medizinische Einordnung ankommen, sondern z.B. auch auf Erfahrungswerte auf
    der anderen Seite oder Raum für Austausch. Wir setzen uns für eine unkomplizierte
    Lizenzvergabe ein, die Straftäter*innen nach dem BtMG nicht von der Lizenzvergabe
    ausschließt. Daher fordern wir:
    Die Möglichkeiten, legales Gras zu kaufen, müssen vielfältig und auch auf dem Land
    gegeben sein. Sofern Jugendschutz- und Datenschutzbestimmungen es zulassen, soll der
    Onlinehandel eingeführt werden. Das Anbauen von eigenem Gras muss legal sein – eine
    Obergrenze an Pflanzen lehnen wir ab.
    Konsum in den Fachgeschäften sowie im öffentlichen Raum, in dem auch Tabakprodukte
    konsumiert werden dürfen, soll ermöglicht werden.

    5. Zur Entkriminalisierung gehört die Amnestie!
    Die internationalen Regelungen und die Strafverfolgung zur Prohibition von Cannabis
    gehen auf vollkommen unwissenschaftliche und rassistische Kampagnen gegen Marihuana
    in den USA der 30er Jahre zurück. Das Zitat des früheren Chefs des US-Drogendezernats
    und späteren Mitglieds der UN-Drogenkommission, Harry J. Anslinger, „Kiffen lässt
    Schwarze denken, sie wären so gut wie Weiße“ (aus dem engl.) spricht für sich. Die
    Stigmata, die dem Kiffen damals angehängt wurden, halten bis heute an und machen sich
    im gesellschaftlichen Diskurs und der Strafverfolgung bemerkbar. Letztere hat seit
    den 2000er Jahren in Deutschland nochmal massiv zugenommen. Wir sehen es als Aufgabe
    des Gesetzgebers, beim Beschluss über die Entkriminalisierung und Legalisierung von
    Gras auch Fragen der Amnestie zu regeln. Daher fordern wir:
    Zur Entkriminalisierung gehört auch die Einstellung laufender Strafverfahren, die mit
    dem Eigenkonsum von Cannabis zusammenhängen, sowie der Erwerb, der Besitz oder die
    Herstellung. Bereits vergebene, aber noch nicht oder nur zum Teil getilgte Strafen
    werden erlassen.
    Vergangene Urteile müssen aus dem Bundeszentralregister gelöscht und Berufsverbote
    aufgehoben werden.

    6. Kiffen ab 18 – kein aber.
    Komasaufen am 18. Geburtstag, aber wehe jemand schenkt Dir Baba Weed? Wir streben
    eine Gleichstellung von Cannabis und Alkohol an. Wenn wir es 18-jährigen Menschen
    zutrauen, ihren Alkoholkonsum und die Wahl der Getränke in Hinblick auf ihre
    Gesundheit und ihres sich noch entwickelnden Körpers selbst einzuschätzen, dann
    sollte das auch für dem Konsum von Cannabis und die Wahl der Knolle gelten. Daraus
    folgt:
    Kiffen muss ab 18 legal sein, ohne besondere Regeln für „diese jungen Leute“.
    Programme zur Prävention von bedenklichen Konsummustern bei Alkohol und Cannabis
    werden ausgeweitet.

    7. Gestern gekifft, heute Abend am Steuer - das muss gehen!
    Menschen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, kennen die Angst: Wer kontrolliert
    wird, ist in der Regel seinen Führerschein los, auch nach teils tagelanger Abstinenz.
    Das liegt an der aktuellen Nachweisbarkeitsregel. Diese besagt: Ist der Wirkstoff
    nachweisbar, dann wirkt er auch. Hohe Bußgelder und Fahrverbote sind die Folge,
    unabhängig davon, ob die Fahrtüchtigkeit tatsächlich eingeschränkt war. Kein*e
    Konsument*in kann niedrigschwellig einschätzen, ob das THC im Eigenblut noch
    nachweisbar ist. Der aktuelle Grenzwert ist absolut unpraktikabel und überlässt es
    dem Zufall und dem Stoffwechsel einer Person, ob bei dieser nach 4 Tagen noch
    Wirkstoff nachweisbar ist oder nicht. In einer Welt, in der Gras rauchen legal ist,
    braucht es praktikable Grenzwerte, die dem Sicherheitsprinzip im Straßenverkehr
    gerecht werden und die gleichzeitig einen praktikablen Rahmen darstellen, in dem
    Selbsteinschätzungen und Faustregeln anwendbar sind. Daraus folgt:
    Wir fordern einen Grenzwert für den Straßenverkehr, der gleichzeitig eine Rauschfahrt
    ausschließt, aber für regelmäßige Konsument*innen eine alltagstaugliche Lösung
    darstellt. Dieser soll sich an bereits bestehenden Regelungen aus anderen Ländern
    orientieren, wie den 6 Nanogramm THC pro Milliliter Vollblut in Portugal und den
    Niederlanden. Außerdem fordern wir die Förderung der Entwicklung alternativer
    Testmethoden. Außerdem muss die Ungleichbehandlung im Verkehrsrecht beendet werden,
    indem vergleichbare Regeln zur Fahrt unter Alkoholeinfluss geschaffen werden.

    8. Cannabis nicht den Kapitalist*innen überlassen
    Mit der Erwartung der Cannabis Legalisierung reiben sich bereits jetzt Investor*innen
    die Hände. Sie stehen in den Startlöchern um riesige Grow-Anlagen aufzubauen, den
    Markt zu dominieren und Gewinne abzuschöpfen. Es ist für uns keine Option, mit dem
    hart erkämpften Konsum von Cannabis als Genußmittel die Rendite von Investor*innen
    und Aktionär*innen zu finanzieren. Die Produktion von Cannabis muss in kommunaler und
    genossenschaftlicher Hand erfolgen um die hohen Erwartungen an regionale, nachhaltige
    und preiswerten Anbau und Verkauf gerecht zu werden. Neben Genossenschaftlichen
    Modellen soll es auch in Cannabis-Social Clubs möglich sein, als eingetragene Vereine
    gemeinsam und nichtkommerziell im Rahmen des Eigenanbaus Cannabis anzupflanzen und
    an die Mitglieder auszugeben.