Die Bundesregierung hat vor zwei Jahren die pandemische Lage ausgerufen. Seither ist die Belastung für alle in unserer Gesellschaft auf ein kaum mehr erträgliches Ausmaß gestiegen. Schüler*innen mussten immer wieder in den Distanzunterricht wechseln. Junge Menschen konnten keinen Ausbildungsplatz finden. Studierende verloren ihre Nebenjobs. Die Häufigkeit von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen nahmen zu. Die Belastung für unser Gesundheitssystem ist ins Untragbare gestiegen. Gespürt haben wir davon aber aufgrund der harten Arbeit der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die tagtäglich für uns im Einsatz sind, bisher wenig. Allerdings fordert der nun fast zwei Jahre dauernde Ausnahmezustand, zusätzlich zur ohnehin hohen Belastung, seinen Tribut: die Personalsituation auf den Intensivstationen hat sich sehr verschärft, rund 6300 betriebsame Intensivbetten fehlen in ganz Deutschland im Vergleich zum Vorjahr. Aktuell verschärft sich die Situation jedoch von Tag zu Tag und bereits jetzt können wir festhalten: Die Corona-Lage in Deutschland ist dramatisch. Ständig werden neue Höchststände bei der Sieben-Tage-Inzidenz erreicht, zuletzt kletterte sie auf über 400. Seit mehreren Wochen wird von Virolog*innen vor der aktuellen Entwicklung der Infektionszahlen gewarnt. Eine breite Öffentlichkeit erwartet inzwischen weitere politische Anstrengungen, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Bundes- und Landesregierungen haben die (Wieder-)Einführung von Schutzmaßnahmen lange gescheut – zur Sicherheit aller muss endlich entschlossen gehandelt werden. Um Maßnahmen wie eine Triage zu verhindern, braucht es vor dem Hintergrund der Infektionszahlen auf Rekordniveau auch in der Pandemiebekämpfung entschiedenes Handeln und auch bisher ausgeschlossene Maßnahmen wie die Impflicht sind notwendig geworden. Uns ist völlig klar, dass die Impfpflicht ein weitreichender Schritt ist. Die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit für den*die Einzelne*n ist aber notwendig, um gesellschaftliche Freiheit zurückzuerlangen. Das allein reicht aber nicht. Es muss jetzt mehr passieren als Applaus und Respekt für die geleistete Arbeit im Gesundheitswesen, es braucht dringend eine Trendwende in der Gesundheitspolitik.
Deshalb fordern wir jetzt als sofortige Maßnahmen:
Einführung der 2G+ Regelung für Veranstaltungen und am Arbeitsplatz Auch Geimpfte können an Covid-19 erkranken und als Träger fungieren. Um auch die zu schützen, die aus medizinischen Gründen nicht auf eine Impfung zurückgreifen können, müssen sich auch Geimpfte regelmäßig testen lassen, bis die Infektionszahlen wieder spürbar sinken. Dies kann durch 2G+ Regelungen am Arbeitsplatz und bei Veranstaltungen für das öffentliche Leben gewährleistet werden.
Persönliche und ggf. mehrsprachige Kontaktaufnahme und an Adressat*innen orientierte Aufklärung über die Impfung, auch durch den Einsatz von Gesundheitsfachkräften in den Stadtvierteln Wir dürfen nicht den Fehler machen und die große Anzahl bislang nicht geimpfter Menschen einfach einer Gruppe überzeugter, radikalisierter oder gar ideologisch gefestigter Impfgegner*innen zuordnen. Häufig sind die Informationen zu Impfstoffen schwer verständlich und nur auf Deutsch zugänglich. Insbesondere für Menschen ohne akademischen Abschluss oder deren erste gelernte Sprache nicht Deutsch ist, stellt das eine Hürde dar. Diesen Menschen müssen, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, schnellstmöglich mehrsprachige und niedrigschwellige Informationen bereitgestellt werden. Zudem müssen wir weiter monitoren, warum Menschen sich nicht impfen lassen.
Niedrigschwellige Impfangebote mit Impfbussen in den Stadtvierteln, auf den Marktplätzen, vor den Supermärkten und durch die Wiederöffnung der Impfzentren Immer wieder kommt es zu Situationen, bei denen Menschen stundenlang für eine Impfung in der Schlange stehen und am Ende des Tages ohne Impfung bleiben. Das Potenzial, der Wille zur Impfung, dürfen wir nicht ungenutzt lassen. Immer noch stolpern wir nicht täglich vor dem Supermarkt, auf dem Weg zur Arbeit, beim Spaziergang durch die Stadt an einem Impfbus vorbei. Um eine Impfung zu erhalten, gibt es immer noch zu viele Hürden. Mit flächendeckenden Impfbussen muss das geändert werden.
Impfangebote für Kinder sofort umsetzen Auch die unter 12-Jährigen müssen jetzt sofort ein Impfangebot erhalten. Keinen Tag länger dürfen Kinder bei steigenden Inzidenzen der Gefahr ausgesetzt sein, sich zu infizieren. Wir haben keine Zeit, um Monate lang auf eine Umverpackung zu warten. Ab sofort muss vor den Schulen und Kitas, nahe von Spielplätzen und Sportplätzen ein Impfangebot zur Verfügung stehen.
Eine allgemeine Impfpflicht gegen COVID-19 ab 18 Jahren Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können (Risikopatient*innen o.ä.), sind hiervon ausgenommen. Nach einer noch festzulegenden Frist, soll der Impfstatus verfallen, sodass auch die Boosterimpfung Teil dieser Impfpflicht wird. Wer sich der Impfpflicht über einen Stichtag hinaus verweigert, soll mittels Bußgeld zur Impfung bewegt werden. Sofern ein Vollzug erforderlich ist, soll dieser durch die Länder erfolgen. Wer sich der Impfpflicht über einen Stichtag hinaus verweigert, soll durch Bußgelder oder Vergleichbares belangt werden.
Gut 68% der Gesamtbevölkerung sind aktuell vollständig geimpft. Diese zu niedrige Impfquote ist der Hauptgrund für die vierte Welle, eine fünfte scheint nur noch mit großer Anstrengung zu stoppen zu sein. „Mindestens 90% der Menschen in diesem Land müssen eine Immunität haben, um das vernünftig kontrollieren zu können“, so RKI-Präsident Lothar Wieler. Aus unserer Sicht ist dieser Wert nicht schnell genug zu erreichen, wenn weiterhin auf Freiwilligkeit gesetzt wird. Leider. Zwar meinte der Virologe Christian Drosten bereits im vergangenen Mai, dass jede:r immun werde. Nicht-Geimpfte würden sich „unweigerlich infizieren.“ Doch umso höher der Anteil der Ungeimpften, desto höher die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und Todesfälle.
Eine Minderheit an Ungeimpften bringt die geimpfte Mehrheit an die Grenzen ihrer Solidarität. Das gesellschaftliche Leben wird erneut zurückgefahren, deutlich schlimmer jedoch: Kliniken in Bayern, Sachsen, Thüringen und in Ballungszentren sind bereits überlastet. Ähnliches droht in anderen Teilen der Bundesrepublik. Das Pflegepersonal ist nach anderthalb Jahren Pandemie am Limit.
Wir müssen abwägen: Tausende weitere Tote, ein überfordertes Gesundheitssystem – oder eine Impfpflicht. Unsere Haltung dazu ist klar: Allgemeine Impfpflicht jetzt!
Sofortige Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 35h zur Entlastung der Pflegenden. Perspektivisch weitere Reduktion auf 25 h Die Pflege braucht neue Arbeitszeitmodelle, denn die durchschnittliche Pflegefachkraft entscheidet sich nach 7,5 Jahren für den Berufsausstieg. Dies ist vor allem auf die hohe Arbeitsbelastung zurückzuführen. Eine sofortige Reduktion der Wochenarbeitszeit wirkt dem „Pflegeexit“ entgegen. Stimmrecht der Profession Pflege im gemeinsamen Bundesausschuss und Einbeziehung von Pflegefachleuten in alle pflegerelevanten Krisenstäbe Pflegefachkräfte sind in den entscheidenden Gremien unterrepräsentiert. Um gemeinsam einen nachhaltigen Weg aus der Krise zu finden und ein Wiederholen zu verhindern, ist mehr Mitbestimmung von Pflegepersonal unerlässlich. 10 Tage Sonderurlaub im kommenden Jahr für Pflegekräfte Nach gehäuften Überstunden und sich aneinanderreihenden Diensten brauchen Arbeiter:innen in der Pflege eine Pause, um sich zu regenerieren und wieder neu und mit Freude in die Versorgung von Patient: innen starten zu können. Sofortige Umsetzung von PPR 2.0 (Pflegepersonal-Regelung) Um eine angemessene und würdevolle Pflege zu ermöglichen, ist eine bedarfsgerechte Personalverteilung und eine auskömmliche Personaldecke essenziell. Dadurch soll die Patient:innensicherheit sichergestellt und Pflegefehlern vorgebeugt werden. Darüber hinaus muss der Arbeitsschutz von pflegenden Personen gewährleistet sein. Die PPR 2.0 ist dafür ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. 10.000€ Prämie für auf Covid-Stationen eingesetzte Pflegekräfte, 8.000€ für alle weiteren Pflegefachkräfte, 5.000€ Prämie für Berufsrückkehrer:innen Klatschen gibt einem keine Lebensqualität, -zeit oder Kolleg:innen zurück. Und auch eine einmalige Prämie führt zu keinen strukturellen Verbesserungen, doch kann diese zumindest belohnen und Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Pflegekräfte müssen endlich angemessen entlohnt werden Einstiegsgehalt von 4.000€ brutto für Pflegefachkräfte in allen Bereichen und eine anschließende Tarifanbindung Wertschätzung muss sich im Lohn widerspiegeln. Wir schließen uns der Forderung der ver.di in den TV-L-Verhandlungen und solidarisieren uns mit den streikenden Kolleg*innen im Öffentlichen Dienst: 300 Euro mehr für alle Pflegekräfte im Öffentlichen Dienst muss als sofortige Verbesserung jetzt kommen. Mittelfristig muss durch die Eingruppierung in der Entgeltgruppe E10 ein Einstiegsgehalt von mindestens 4.000 Euro ein Anreiz für den Berufseinstieg und -verbleib geschaffen werden. Außerdem müssen wir endlich die flächendeckende Tarifanbindung erreichen, um auch für alle nicht im öffentlichen Dienst Beschäftigten eine angemessene Entlohnung zu erreichen.