Antrag K01: Wittenberg ist nicht Paris - unsere Kampagne für
Solidarität und gegen die extreme Rechte
Die politische Landschaft Deutschlands hat sich mit der Gründung der AfD verändert.
Die AfD vertritt in Teilen deutlich rechtsextreme Positionen, duldet Faschist*innen
nicht nur in ihren Reihen, vielmehr werden diese sogar mit Führungs- und
Entscheidungspositionen betraut. Trotz alledem war es dieser Partei bei vergangenen
Wahlen möglich, Teile der Wähler*innen davon zu überzeugen, ihnen ihre Stimme zu
geben. In vereinzelten Prognosen - vor allem im Osten - wird ihnen immer wieder das
Potential bescheinigt, stärkste Partei zu werden. Dieses Szenario könnte bei den 2024
in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen stattfindenden
Landtagswahlen Realität werden. Somit kann es dazu kommen, dass es ohne Beteiligung
der AfD keine Möglichkeit mehr geben wird, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden.
Faschist*innen dürfen nicht in Regierungsverantwortung kommen! Für dieses Ziel müssen
wir gemeinsam als antifaschistischer Verband streiten. Brandenburg, Sachsen und
Thüringen unterscheiden sich in vielen Aspekten voneinander, auch was die derzeitigen
politischen Verhältnisse angeht.
Während die AfD laut aktuellen Umfragen im Bund „nur“ bei 15% liegt (Forschungsgruppe
Wahlen, Umfrage vom 09.09.22), erreicht sie in den ostdeutschen Bundesländern derzeit
knapp ein Drittel der Menschen. Gleichzeitig fällt die AfD hier mit besonders harten
Ausfällen nach Rechts auf. Häufig treffen rechtsextreme, westdeutsche Kader hier auf
eine dankbare Parteibasis, die ihre Radikalität begrüßt.
Die Gründe für diese enorm starken Ergebnisse der AfD in den ostdeutschen
Bundesländern sind vielfältig. Viele Menschen sahen und sehen immer noch in der AfD
eine Protestpartei, die ihre Probleme aufgreift und einen Gegenpol zu den etablierten
Parteien bildet. Auch die bisher mangelnde gesellschaftliche und politische
Aufarbeitung der Baseballschlägerjahre und die dafür mit verantwortlicher
vorhergehender, gewollter und ungewollter Blindheit bezüglich neonazistischer
Aktivitäten in der DDR und der real existierende Rassismus in der DDR sind Grundlage
für die Attraktivität der AfD für Teile der ostdeutschen Bevölkerung. Dazu
beigetragen hat auch der Ansatz der akzeptierenden Jugendsozialarbeit. Durch diesen
Ansatz war es Kadern der extremen Rechten möglich, mit staatlicher Förderung ihre
Ideologie in Jugendzentren zu verbreiten und sich dort den Raum zu nehmen. Weiterhin
fühlen sich viele Menschen in Ostdeutschland abgehängt vom Westen, nicht ernst
genommen und seit der politischen Wiedervereinigung 1990 ist bis zum heutigen Tag
keine gesellschaftliche Wiedervereinigung erfolgt.
All diese Faktoren bedingen die politische Landschaft im Osten. Die AfD ist schon
jetzt in allen drei Landesparlamenten stark vertreten und erschwert massiv
gesellschaftliche progressive Projekte, Initiativen und Vereine, während sie
gleichzeitig ihre neue Machtposition ausnutzt, um rechte Strukturen, z.B. in der
Jugendarbeit zu fördern und darüber langfristige, stabile rechte Netzwerke
aufzubauen.
Wir stehen in Ostdeutschland auch in diesem Herbst mit der bereits eingetretenen
Energiekrise erneut vor Massenprotesten, die vielerorts von rechten Akteuer*innen
angeführt werden. Unlängst gab es einen großen Protest der rechten Szene in Leipzig,
der sich gegen die Energieeinsparungsmaßnahmen richtete. Bei diesem Protest kam es zu
Ausschreitungen und Übergriffen gegenüber linken Demonstrierenden sowie zu
Polizeigewalt.
Diese Demonstrationen werden sich weiter zuspitzen und auch erheblichen Einfluss auf
die Stimmung zu den Landtagswahlen haben. Dort wo rechte Akteur*innen sich an
Demonstrationen beteiligen oder diese organisieren, werden wir als Jusos
selbstverständlich dagegenhalten und erwarten das auch von allen anderen
demokratischen Kräften. Preissteigerungen, Energieknappheit und existenzielle Sorgen
sind ein Grund auf die Straße zu gehen - aber niemals, um den Schulterschluss nach
Rechts zu suchen.
Hinzu kommt, dass die Parteien- und Gewerkschaftsbindung in Ostdeutschland erheblich
schwächer ausgeprägt ist, als im Westen der Republik. Deshalb sind die Strukturen und
auch die finanziellen Ressourcen der Parteien, auch der SPD, in Ostdeutschland
prekär. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Dimension, dass auch
sozialdemokratische Regierungsbeteiligungen einen Anteil an der heutigen Situation
haben, muss auch Teil unserer Analyse sein.Analog zu unserer Kritik an der Großen
Koalition im Bund, muss auch die fortlaufende Regierungsbeteiligung der SPD in
Sachsen und Sachsen-Anhalt als stetiger Juniorpartner der CDU hinterfragt werden.
Unsere jungsozialistische Analyse betont seit jeher, dass Regierungsbeteiligung nicht
zum Selbstzweck verkommen darf. Deshalb kämpfen wir weiter für progressive Mehrheiten
ohne CDU, AfD und FDP. Dennoch ist es auch unvereinbar mit unserem antifaschistischen
Selbstverständnis, eine Regierungsbeteiligung der AfD zuzulassen. Sollten Koalitionen
mit konservativen Parteien nötig sein, um das sicherzustellen, bekennen wir uns zu
dieser Verantwortung. Sollten andere demokratische Mehrheiten möglich sein, sind
diese aus unserer Sicht wahrzunehmen und weiterhin unser erklärtes Ziel.
Es bedarf bundesweiter Solidarität und Kraftanstrengungen, damit 2024 verhindert
werden kann, dass die drei Bundesländer nach den Landtagswahlen unfähig sind, stabile
Regierungen zu bilden. Es drohen unweigerlich schwarz-blaue Koalitionen, die
Auswirkungen dessen wären nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern zu spüren -
säße die AfD erstmals in einer Landesregierung - so säße sie auch erstmals im
Bundesrat. Faschist*innen haben in keinem Parlament etwas zu suchen und es ist unsere
Aufgabe als Jungsozialist*innen dafür zu streiten, dass sie aus allen Parlamenten
rausfliegen. Während das in Schleswig-Holstein bereits passiert ist, ist es in
Ostdeutschland leider noch fernab jeder Realität.
Wir wollen daher als Juso-Bundesverband im Jahr 2024 eine Kampagne zum „Kampf gegen
Rechts“ für die Landtagswahlen organisieren. Die Details dieser Kampagne werden im
nächsten Arbeitsprogramm festgehalten. Der Juso-Bundesvorstand wird beauftragt bis
dahin die für eine erfolgreiche Umsetzung einer solchen Kampagne notwendigen
organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen und notwendige Vorplanungen zu leisten.
Im Rahmen der vorhandenen Ressourcen sollen folgende Ideen in der Planung
Berücksichtigung finden:
1. Um Präsenz als Jusos zu zeigen, soll es in Brandenburg, Sachsen und Thüringen
jeweils eine Großveranstaltung geben. Hier geht es vor allem darum, diejenigen
anzusprechen, die sich nach Representanz ihrer ostdeutschen Identität und
gleichzeitig dem Kampf gegen Rechts bewusst sind. Eine Abstimmung über das
Format und die Durchführung der Veranstaltungen erfolgt dabei in Kooperation mit
den Juso-Landesverbänden. Diese Großveranstaltungen sollen Safer-Spaces für
Jusos, Linke und alle anderen Menschen die nicht in das Weltbild der extrem
Rechten passen. Die dafür notwendigen Maßnahmen müssen in die Planung mit
einbezogen werden.
2. Wir unterstützen die Wahlkämpfe mit einer Grundausstattung mit passenden Merch-
Artikeln. Das umfasst die Gestaltung von Plakaten, Stickern, Feuerzeugen und
ähnlichen Artikeln, die bei Juso-Aktionen verteilt werden. Darüber hinaus wird
der Online-Wahlkampf durch die Bereitstellung von Canva-Vorlagen bereichert.
3. Alle drei Bundesländer sind Flächenländer, die gerade im ländlichen Raum weniger
ausgeprägte Juso-Strukturen aufweisen. Deshalb wird jedem Landesverband ein Bus
finanziert, mit dessen Hilfe der Wahlkampf in der Fläche besser umgesetzt werden
und die Sichtbarkeit der Jusos in der Fläche erhöht werden soll.
Wir Jusos sind antifaschistisch und antirassitisch.
Unser gemeinsames Ziel ist und bleibt es, den Rechten kein Fußbreit Raum zu
überlassen.
Wir Jusos kämpfen Seit an Seit für eine bessere Zukunft. Es bedarf unserer
bundesweiten Solidarität, um der extremen Rechten und ihrem parlamentarischen Arm
Einhalt zu gebieten.
Wir Jusos sind solidarisch und wir Jusos sind bereit, diejenigen zu unterstützen, die
unsere Hilfe im Kampf gegen die extreme Rechte brauchen - egal ob Genoss*innen oder
zivilgesellschaftliche Akteure.
Unsere Demokratie ist gerade in Krisenzeiten anfällig, wir sind es, die gegen jeden
Versuch der rechtsextremen Raumnahme aufstehen, widersprechen und uns dem
widersetzen.