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Beschlussarchiv

N1 2022
Breaking the (Block-)Chain

Antrag N01: Breaking the (Block-)Chain

Kryptowährungen werden immer populärer. Und sie versprechen viel: Ein Ersatz für
staatliche Währungen sollen sie sein, ganz ohne Banken, vollkommen anonym,
transparent und sicher.
Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen in Kryptowährungen investieren. Man
erhofft sich hohe Gewinne, gleichzeitig will man dazu beitragen, das Geldsystem zu
revolutionieren.
Doch Bitcoin und Co. schaffen es nicht, ihre Versprechen zu halten. Das System der
Kryptowährungen scheitert daran, ein Ersatz für echte Währungen zu sein. Vielmehr ist
es ein umweltschädliches und hochriskantes Spekulationsobjekt.

Von Krypto, Blockchain und Bitcoins
Grundlage für Kryptowährungenbasiert zunächst auf einer kontinuierlich erweiterbaren
Liste von Datensätzen, sogenannten Blocks. die kryptografisch miteinander verbunden
sind. Eine nachträgliche Änderung eines Blocks würde diese kryptographische Kette
brechen - die Blöcke selbst werden unveränderlich. Deshalb ist es auch unmöglich,
Daten aus einer Blockchain zu löschen.. Die Blockchain ist dezentral programmiert und
gespeichert und kann von beliebigen Nutzer*innen erweitert werden.
Im Gegensatz zu traditionellen Datenbanken, wird diese Liste von Datensätzen nicht
von einigen wenigen Servern verwaltet und gespeichert, sondern von allen
Nutzer*innen. Jeder Knoten des so entstehenden Netzwerks verfügt über eine lokale
Kopie aller Datensätze. Blockchains zeichnen sich nun dadurch aus, dass über die
verteilten Datensätze Konsistenz geschaffen werden soll, d.h. alle Knoten haben die
gleichen Daten in den gleichen Blöcken. Im Kontext von “Geld” vermeidet diese
Konsistenz u.a. dass der “gleiche Coin” doppelt ausgegeben wird (sog. “double-
spending” Problem). Kryptowährungen basieren auf Blockchains. In den Blöcken werden
Transaktionen zwischen Teilnehmenden gespeichert. So entsteht vereinfacht gesagt eine
öffentlich einsehbare Buchhaltung. Die Einheiten dieser Währung, z.B. Bitcoins können
zwischen den pseudonymen Teilnehmenden transferiert werden.
Banken als Intermediärinnen sollen hier nicht mehr benötigt werden.
Der Bitcoin, die wohl bekannteste Kryptowährung, benutzte diese Blockchain-Methode
als Erster, indem die Transaktionen zwischen Nutzer*innen über eine Blockchain
durchgeführt werden. Da es keine Banken gibt, gibt es auch keine administrative
Instanz, die festlegt, welche Transaktionen als nächstes geschrieben werden dürfen

Das Problem mit dem Konsens: die Proof-of-Work Methode
Die bislang verbreitetste Methode für diese Validierung ist die „Proof-of-Work“-
Methode. Hier wird die Echtheit der neu zur Blockchain hinzugefügten Blocks von
sogenannten „Nodes“ (Computern im Blockchain-System) validiert. Die Nodes befinden
sich in einem ständigen Wettbewerb darum, wer den neuesten Block, also die neueste
Transaktion, validieren darf. Den Wettbewerb gewinnt der Node, der am schnellsten
eine kryptografische Gleichung lösen kann, die sich aus den jeweiligen Inhalten des
Blocks ergibt. Dabei handelt es sich um eine komplexe mathematische Aufgabe, die die
Computer mit immensem Rechen- und Energieaufwand lösen. Proof-of-Work besteht im
Wesentlichen daraus, solange Lösungen zu raten, bis das Ergebnis zur Gleichung passt.
Ist die Gleichung von einem Node gelöst worden, lässt sich dies leicht von allen
anderen Computern im jeweiligen Netzwerk überprüfen, es entsteht also ein Konsens
darüber, dass der neue Block ans Ende der Blockchain hinzugefügt wird. Außerdem
erhält der Computer, der die Gleichung als Erstes gelöst hat, neue Coins. Dies ist
der Prozess des Minings. Da derjenige Node, der zuerst einen neuen Block findet, zur
Belohnung einige Coins aus dem Nichts und obendrein die Transaktionsgebühren aller im
Block enthaltenen Transaktionen gutschreiben darf, entsteht ein Wettbewerb unter den
Minern, möglichst schnell eine neue Lösung zu finden
Das Problem hierbei: Je mehr Rechenleistung im Netzwerk insgesamt verfügbar ist,
desto komplizierter wird die zu lösende Gleichung. Das sorgt dafür, dass die Kosten
für das Mining von Bitcoins immer weiter in die Höhe schießen. Je höher der Anteil an
der Gesamtrechenleistung, desto mehr Coins fallen der jeweiligen Node zu. Die
Miner*innen arbeiten nicht mit-, sondern gegeneinander.
Hier werden diejenigen bevorteilt, die bereits über ein hohes Startkapital verfügen.
Das System schließt diejenigen aus, die es sich nicht leisten können, teure Computer
für das Mining zu kaufen – mit klassischen Währungen.
Außerdem sorgt das System nicht nur für einen immer größer werdenden Bedarf an
Hardware und Energie, die meiste verrichtete Arbeit ist zudem überflüssig, da es sich
beim Mining um einen Wettbewerb handelt. Viele Computer arbeiten gleichzeitig an der
Lösung desselben kryptografischen Problems, doch nur einer von ihnen gewinnt das
Rennen um die schnellste Lösung des Problems und damit die neu generierten Coins.
Der Energiebedarf ist dabei extrem hoch. Allein um einen einzigen Bitcoin zu minen,
wird derzeit eine Energiemenge von der Größenordnung benötigt, wie ein
durchschnittlicher Haushalt sie in zehn Jahren verbraucht.
Computer und Kapazitäten an Rechenleistung, die an anderer Stelle sinnvoller wären,
werden zum Mining eingesetzt. Besonders kritisch ist das vor dem Hintergrund von
Chipknappheiten/-krisen.
Hinzu kommen Extrem lange Transaktions- und Wartezeiten, aufgrund des komplizierten
Verfahrens zur Konsensfindung.
Das Proof-of-Work Verfahren, das Bitcoin und die meisten anderen Kryptowährungen
verwenden, sorgt also für enorme Energieverschwendung. Der Anreiz, immer größere
Computer zu bauen und immer mehr Energie zu verschwenden, ist dem System inhärent.
Skaleneffekte sorgen zudem dafür, dass sich Mining-Systeme zentralisieren. Für eine
höhere Erfolgschance tun sich Miner zu so genannten Pools zusammen. Die vier größten
Mining-Pools kontrollieren alleine fast 75% der Rechenkraft im Bitcoin-Netzwerk. Ein
Widerspruch zum Versprechen von unkontrollierten, dezentralisierten “Währungen”.

Dasselbe in Nicht-Wirklich-Grün: Proof-of-Stake
Eine weitere Methode, um neue Einträge in einer Blockchain hinzuzufügen, ist die
Proof-of-Stake Methode. Anders als bei der extrem energieintensiven Proof-of-Work
Methode, die Teilnehmer*innen mit hoher Rechenleistung bevorzugt, wird bei der Proof-
of-Stake Methode von jedem Node ein Einsatz (Stake) von Coins benötigt. Einer der
Nodes wird dann zufällig ausgewählt und darf nicht nur den Block zur Chain
hinzufügen, sondern erhält auch noch neu generierte Coins. Bei Fehlverhalten, z.B.
wenn ein “falscher Block” geschrieben wird, wird der hinterlegte Stake des
entsprechenden Knotens sanktioniert. Der damit einhergehende ökonomische Anreiz soll
die Sicherheit des Verfahrens garantieren.
Je mehr Coins gestaked wurden, desto größer ist jedoch die Chance, vom Algorithmus
ausgewählt zu werden. Somit werden auch bei dieser Konsens-Methode diejenigen Nodes
bevorzugt, die bereits über eine hohe Anzahl an Coins , und damit an “Vermögen”
verfügen.
Je nach Art der Kryptowährung gibt es unterschiedliche Methoden, um diese Bevorzugung
„reicher“ Nutzer*innen abzuschwächen, diese funktionieren jedoch nur schlecht und
schaffen es nicht, das Problem zu lösen.
Reiche Nodes mit hohem Stake dominieren also bei der Proof-of-Stake Methode die
Blockchain, weshalb diese für uns keine sinnvolle Alternative zur Proof-of-Work
Methode und als Konsens-Mechanismus für eine Blockchain ebenso wenig geeignet ist.

Das Ende der Banken?
Als vermeintlicher Vorteil von Kryptowährungen wird immer wieder angebracht, dass
Banken in dem System keine Rolle mehr spielen dies wird wie folgt argumentiert: Auf
makroökonomischer Ebene sei das gut, denn ohne Banken als Emittentinnen, also
Organisationen, die Wertpapiere ausgeben und mit begrenzter Höhe des Geldangebots sei
die „Währung“ wertstabil und nicht anfällig für Krisen. Auf mikroökonomischer Ebene
seien Transaktionen ohne Geschäftsbanken als „Vermittler“ anonym, sicher, schnell und
nicht zensierbar. So soll durch den Wegfall von Banken als Intermediärinnen und
Geldgeberinnen die gleiche Flexibilität und Anonymität wie beim Bargeld hergestellt
werden.
Banken, insbesondere Zentralbanken wird von Befürworter*innen von Kryptowährungen ein
allgemeines Misstrauen entgegengebracht. Letztere würden durch gezieltes befeuern der
Inflation die Nutzer*innen einer Währung “enteignen” und den Interessen einer kleinen
Elite dienen. Diese und weitere Verschwörungserzählungen werden häufig in ein
weitergehendes Netz aus ideologischen Narrativen eingearbeitet, die in Teilen auf
eine Abschaffung des Staatswesens als ganzes abzielen. Wir betrachten Technologie
niemals vom gesellschaftlichen Kontext losgelöst, sondern analysieren, wie sich
bestehende und neue Machtverhältnisse in ihm manifestieren. Kryptowährungen sind
nicht nur technische Lösungen für ein Problem, sondern sind eng verwoben mit einer
politischen Agenda. In einem der ersten Ankündigungsposts zu Bitcoin wird explizit
die Rolle von Zentralbanken als vertrauensbrechende Institution, die das Geld der
Menschen gezielt entwerte und darüber hinaus Kreditblasen erzeuge beschrieben. . Auch
aus unserer Sicht gibt es erhebliche Probleme im Bankensektor, allen voran die
Bereitstellung von Investitionsmitteln nur anhand von Profitinteressen der
Kapitalgeber*innen. Dennoch sind Banken in ihrer ursprünglichen Funktion als
Schnittstelle zwischen Geldmittel und Investition unerlässlich. Anstatt also die
Banken vollständig aus dem System zu entfernen, wie es Befürworter*innen von
Kryptowährungen propagieren, müssen sie vielmehr in ein System überführt werden, in
dem die Kriterien der Kreditvergabe unter demokratischer Kontrolle bestimmt werden.
Deshalb setzen wir uns für die langfristige Verstaatlichung des privaten
Bankensektors ein.
Als Jusos ist es unser Ansatz, Banken zu vertrauenswürdigen, demokratisch bestimmten
Geldinstituten zu machen. Das macht es überflüssig, ein „Währungssystem“ aufzubauen,
bei dem die Autorität über Transaktionen dezentral, vor allem an diejenigen, die
ohnehin schon mehr besitzen, verteilt wird.

Das Ende des Staates?

Kryptowährungen versprechen Freiheit von jedweder staatlichen Einflussnahme. Es wird
versucht, eine Form von privatem “Geld” zu schaffen. Ihre Narrative versucht
elementare volkswirtschaftliche Prozesse zu entpolitisieren und Entscheidungshoheit
auf Algorithmen und Märkten zu verlagern - frei von jedweder demokratischer
Kontrolle.
Das Ziel des Neoliberalismus, die demokratische Kontrolle über Wettbewerb und
Wirtschaft mindestens einzudämmen, wenn nicht gar ganz zu verhindern, lässt sich bis
zu seinem Entstehen zurückverfolgen. Kryptowährungen verfolgen dieses Ziel konsequent
weiter. Dies ist aus mehrere Hinsicht mit unserem Staatsverständnis unvereinbar. Man
denke nur an die Folgen einer derart ausgestalteten Währung in der Corona-Pandemie.
Der Staat hätte niemalsumfassende Hilfsprogramme bereitstellen können, der
Fortbestand der gesamten Volkswirtschaft wäre gefährdet.
Darüber hinaus verhindert die Blockchain auch sämtliche staatliche Eingriffe in
Vermögen. Transaktionen können nicht rückabgewickelt werden, selbst wenn sie aufgrund
von Betrug zustande kämen. Rechtskräftige Urteile könnten nicht vollstreckt werden;
gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung von Eigentum nicht durchsetzbar.
Kryptowährungen stehen den Prinzipien eines modernen Rechts- und Sozialstaates
fundamental entgegen.

Kryptowährung \= schlechte Währung?
Die Kritik vieler Befürworter*innen von Kryptowährungen an den Zentralbanken und
ihrer Geldpolitik folgt schon der falschen Annahme, dass Geldmenge und Inflation in
direktem Zusammenhang stünden. Diese Annahme basiert auf dem neoliberalen
Missverständnis von Währungs- und Geldpolitik und hat sich in der Vergangenheit
vielfach als falsch herausgestellt. Spätestens seit den Ankaufprogrammen der
Zentralbanken, die oft mit sinkender Inflation einhergingen, ist klar, dass dieser
Ansatz nicht der Wirklichkeit entspricht. Heute wissen wir: Es gibt viele
Einflussfaktoren auf Preissteigerungen wie die Vermögensverteilung, die Sparquote
oder schlicht Profitinteressen der Unternehmen.
Aus diesem Trugschluss wird ein System implementiert, das die Menge der Kryptocoins
künstlich begrenzt. So wird eine vermeintlich deflationäre Währung geschaffen. Doch
Deflation kann wirtschaftlich nicht gewollt sein, da sie zu Produktionsrückgang und
Arbeitslosigkeit führt.
Kryptowährungen schaffen es nicht, die wichtigsten Funktionen einer Währung zu
erfüllen. Sie sind kein „Geld“, da sie fast weltweit nicht als staatliches
Zahlungsmittel akzeptiert sind. Es gibt aufgrund ihrer Begrenztheit und Dezentralität
keinen geldpolitischen Handlungsrahmen für Zentralbanken. Daher sind Kryptowährungen
grundsätzlich schlechte „Währungen“ für Staaten und staatliche Gebilde, die mit
Geldpolitik im Sinne einer Gesellschaft handeln wollen. Aus diesem Grund gibt es auch
keine stabile Nachfrage nach diesen „Währungen“ und somit auch nicht die notwendige
Stabilität, um sie als Zahlungsmittel für Waren oder Dienstleistungen im Alltag zu
nutzen.
Auch verhindert die Begrenztheit der „Währung“ nicht das Auftreten von Inflation.
Vielmehr sind Kryptowährungen dafür besonders anfällig, da es keine stabile Nachfrage
nach der Währung gibt. Der Fakt, dass Kryptowährungen nicht von Zentralbanken,
sondern dezentral ausgegeben werden und in ihrer Menge begrenzt sind, macht sie also
mitnichten zu einer besseren „Währung“. Vielmehr bieten diese Eigenschaften die
Grundlage für die eigentliche Natur von Kryptowährungen: der als Spekulationsobjekt.

Kryptowährung \= keine Währung!
Die Nutzung von Kryptowährungen als Spekulationsobjekt bietet sich aufgrund der hohen
Volatilität , also den Schwankungen ihres Wertsauch an. Der „Wert“ von
Kryptowährungen ist völlig losgelöst von realwirtschaftlichen Zusammenhängen. Er
hängt stattdessen maßgeblich von der inhärent instabilen Nachfrage ab. Die „Werte“
von Kryptocoins sind somit reine Spekulationsblasen mit all ihren Nachteilen.
Wer seine Kryptocoins verkauft und damit einen Gewinn in einer echten Währung macht,
kann dies nur, weil jemand anders die Kryptocoins zu einem höheren Preis kauft, als
man selbst einmal dafür bezahlt hat. Und auch das funktioniert nur, weil die
Käufer*innen sich erhoffen, dasselbe tun zu können. Jeder Euro, der mit Kryptowährung
verdient wird, kommt also von einem*r späteren Investor*in, der ebendiesen Euro
bereit ist zu investieren. Daraus wird deutlich, dass Kryptowährungen immer ein
Nullsummenspiel sind. Für Proof-of-Work basierende Coins sogar ein
Negativsummenspiel, da die Miner konstant neues Kapital in Form realer Devisen
benötigen, um den Betrieb und die Sicherheit des Netzwerkes zu sichern. Für Viele
sind sie ein massives Minusgeschäft. Damit Kryptowährungen als Wertanlage
funktionieren, bräuchte es immer neue Investor*innen, die bereit sind, immer mehr zu
investieren. Es handelt sich bei Kryptowährungen also um ein klassisches
Schneeballsystem, bei dem nur einige Wenige hohe Gewinne auf Kosten aller anderen
Beteiligten machen können. Im Marketing wird das Kryptonarrative benutzt, um vor
allem Produkte an ohnehin schon finanziell schwächere und benachteiligte Gruppen zu
verkaufen, die von den globalen Auswirkungen der Banken- und Finanzkrise besonders
hart getroffen wurden.
Die Sache mit der Anonymität
Ein häufig vorgebrachtes Argument für Bitcoin und andere Kryptowährungen ist, dass
sie anonyme und "zensurresistente" Zahlungen ermöglichen würden. Ersteres sei
besonders für Menschen wichtig, die von Diktaturen und autoritären Regimen verfolgt
werden. Zensurresistenz bedeutet dass keine, auch keine staatliche Stelle, in
Transaktionen eingreifen kann. Als Beispiel für die Notwendigkeit wird häufig
Wikileaks angeführt, deren Spendenkonten im Zuge der Veröffentlichung von US-
amerikanischen Depeschen von Visa, Mastercard und PayPal gesperrt wurden.
Das Design der meisten Kryptowährungen bedingt, dass alle jeweils getätigten
Transaktionen öffentlich einsehbar sind. Bitcoins werden zwischen kryptographischen
Wallet-Adressen transferiert (vergleichbar mit sehr langen Kontonummern), Zahlung
sind also lediglich Pseudonym. Zahlungen sind durch Behörden also nachverfolgbar,
wenn auch mit größerem Aufwand als bei konventionellen Überweisungen. Die
Nachverfolgbarkeit lässt sich über verschiedene Ansätze zusätzlich erschweren.
Aufgrund dieser Eigenschaften werden Kryptowährungen häufig in Verbindung mit
Kriminalität, Steuerhinterziehung und Geldwäsche gebracht. Berichten zufolge versuche
z.B. auch Russland, die im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg verhängten Sanktionen
durch die Nutzung von Kryptowährungen zu umgehen.
Abseits der Kryptowährungen- und Blockchain-Szene wurden, teilweise auch deutlich
früher, Technologien für ein sicheres, tatsächlich anonymes digitales Bezahlen
vorgeschlagen. Z.B. ECASH oder sich in der Entwicklung befindliche GNU Taler. Anders
als Bitcoin bauen diese auf dem etablierten Finanzsystem auf und ermöglichen die
Durchsetzung von Anti-Geldwäsche und Steuergesetzgebung. Auch die Transaktionen
selbst sind deutlich effizienter und praxistauglicher implementiert.
Wir erkennen an, dass die Teilhabe am Finanzsystem in unserer Welt unerlässlich ist
und darüber hinaus die Möglichkeit zum anonymen Bezahlen auch in formal
demokratischen verfassten Gesellschaften wünschenswert sein kann. Dafür müssen
notwendige gesetzliche Weichenstellung getroffen und die zur Verfügung stehenden,
geeigneten Technologien verwendet werden. Kryptowährungen gehören nicht dazu.

Von Ethereum, NFTs und Smart Contracts
Mittlerweile sind NFTs in aller Munde. Die Idee: Blockchain soll dazu verwendet
werden, den Austausch digitaler Objekte zu ermöglichen, indem Objekte kreiert werden,
die einerseits verlustfrei übertragen werden können und andererseits einzigartig und
eindeutig identifizierbar sind.
Ein NFT, ein non-fungible Token, ist also ein nicht austauschbarer Token, der eine
einzigartige Seriennummer hat und nicht aufgeteilt werden kann.
Maßgebend ist hierfür die Ethereum-Blockchain, bei der diese Tokens durch kleine
Mikroprogramme, sogenannte Smart Contracts, kreiert werden. Diese Smart Contracts
können theoretisch ganz unterschiedlich aussehen. Sie können beispielsweise Apps oder
andere Anwendungen sein.
Das Problem an dieser Technologie ist dabei weniger ihre Idee, sondern vielmehr ihre
Umsetzung. Der Gedanke, digitale Objekte, die dank der Digitalisierung immer
wichtiger werden, fälschungssicher und eindeutig identifizierbar zu machen, klingt
vielversprechend. Auch die dezentrale Speicherung von Daten und deren Schutz könnten
sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für die Technologie sein, die hinter NFTs steckt.
In der Realität sind NFTs jedoch untrennbar mit Kryptowährungen verbunden und werden
nicht etwa zum Schutz vor Fälschungen oder Datenmissbrauch eingesetzt. Stattdessen
dienen sie dazu, die Spekulationen mit Kryptowährungen weiter zu befeuern. Bei den
eingesetzten Smart Contracts handelt es sich meist schlicht um URLs, die zu einem
Bild führen.
Hier soll das vermeintliche Ziel sein, Künstler*innen dabei zu helfen, mit digitaler
Kunst Einnahmen zu generieren. Käufer*innen können einen eindeutigen Nachweis über
den Besitz eines Kunstwerks erwerben, der in der Blockchain gespeichert ist. So soll
auch passives Einkommen über Weiterverkäufe möglich werden.

Auch nur ein Poker-Tisch

Während zwar der Token selbst einzigartig ist, ist das dazugehörige Kunstwerk genauso
gespeichert und übertragbar wie jedes andere Bild im Internet. Es gibt keine
kryptografische Verbindung zwischen Kunstwerk und Token, ebenso wenig wie eine
Authentizitätsgarantie. Theoretisch kann jede*r ein NFT in Umlauf bringen, unabhängig
davon, ob ihm oder ihr das Kunstwerk tatsächlich gehört. Konsequenzen sind praktisch
keine zu befürchten.
Künstler*innen müssen also nicht nur als erste ein NFT ihres Kunstwerks erstellen,
bevor es jemand anderes tut. Sie sind darüber hinaus gezwungen, in die Spekulation
mit Kryptowährung einzusteigen, da diese die Grundlage für den Kauf und Verkauf von
NFTs bilden und untrennbar mit ihnen verbunden sind.
NFTs sind also nur für diejenigen von Vorteil, die bereits Kryptowährungen besitzen,
speziell Ether, die „Währung“ der Ethereum-Blockchain. Durch den Hype um NFTs ging
der „Wert“ des Ethers nach oben und neue Käufer*innen kauften sich die extrem
volatilen Coins von denjenigen, die zuvor weitaus weniger für sie bezahlt hatten, um
am NFT-Markt teilnehmen zu können.
Die Künstler*innen werden lediglich benutzt, um sie für das System der Kryptowährung
auszunutzen und um sie dazu zu bringen, selbst Kryptowährungen zu kaufen, um so das
Erstellen der NFTs zu bezahlen. Kommt es dabei manchmal zu kleinen Gewinnen für die
Künstler*innen, hilft dies lediglich dabei, sie weiter für das System der
Kryptowährungen ausnutzen zu können.
Kaum anders als bei herkömmlicher Blockchain-Technologie wie beim Bitcoin handelt es
sich also auch hier um reine Spekulationsobjekte. Wie bei anderen
Spekulationsobjekten ist der „Wert“ losgelöst von dem vermeintlichen Gegenwert, etwa
einem Kunstwerk. Gerade beim Handel mit NFTs kommt es durch gut vernetzte Communities
dabei häufig dazu, dass der Preis eines NFTs durch Netzwerke künstlich immens in die
Höhe getrieben wird, damit die teilhabenden Akteur*innen sich daran bereichern
können. Die letzte Käufer*in ist dabei immer die Verlierer*in des Spiels.
Während sich diese Spekulation derzeit vor allem auf digitale Kunstobjekte
beschränkt, ist aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Smart Contracts in
Ethereum ein breites Anwendungsspektrum denkbar. Zeiten des Internets sind Zeiten der
unbegrenzten Vervielfältigung. NFTs lassen sich in diesen Zeiten auch nutzen, um aus
einem unbegrenzten Angebot ein beschränktes zu machen. Sie sind nicht nur ein Mittel
zur Verifizierung, sondern dadurch auch ein Mittel der Privatisierung. Auch
Internetkonzerne wie Discord oder Twitter sind interessiert an der Implementierung
von NFTs, denn schließlich kann über das entsprechende Mikroprogramm, jedes digitale
Dokument, jede Website oder jeder digitale Raum mit Hilfe eines NFTs monetarisiert
und zum Spekulationsobjekt gemacht werden, indem künstlich eine nicht notwendige
Knappheit erzeugt wird.
Hoheitliche Aufgaben werden der Kontrolle demokratisch legitimierter und
kontrollierender Institutionen entzogen und in den Machtbereich privater Unternehmen
bearbeitet.Etablierte und teilweise erkämpfte Mechanismen zum Ausgleich von
Machtgefällen werden abgeschafft und durch Code ersetzt. Risiken werden auf die
Individuen verlagert, ohne die Möglichkeit regulierend einzugreifen.

Das Ende der Kette

Das System rund um Kryptowährungen, NFTs und Blockchain-Technologien ist komplex. All
diese Technologien können aus heutiger Perspektive kein Ersatz für staatlich
herausgegebenes Geld sein, sie können keine Währung ersetzen und sie eignen sich
nicht, um die derzeitigen Probleme des Bankensystems zu lösen.
Im Gegenteil, sie tragen darüber hinaus zur weiteren Kapitalisierung des digitalen
Raums bei, sind umweltschädlich und sozial ungerecht.
Wir fordern deshalb:

  • Das Verbot des Minings und des Handelns von Kryptowährungen, sowie des
    Auszahlens von Kryptowährung
  • Ein Verbot des Proof-of-Work Mechanismus für Blockchain und Aufklärung über die
    damit verbundenen ökologischen Konsequenzen
  • Investitionen in die Forschung an und Verbesserung von verteilten Systemen und
    Datenspeichern, insbesondere zur Entwicklung resilienter Konsens-Mechanismen