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Beschlussarchiv

O1 2021
Kommunale Finanzen auf den Kopf stellen – Funktionierende Kommunen als Keimzelle der Demokratie

Beschluss O1: Kommunale Finanzen auf den Kopf stellen – Funktionierende Kommunen als Keimzelle der Demokratie

Wir fordern einen solidarischen Schuldenschnitt für alle Gemeinde und Kommunen. Kommunalschulden machen circa einen Anteil von 6,8% der gesamten Staatsschulden aus, führen jedoch dazu, dass vielerorts Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder völlig beschnitten sind. Eine Umverteilung dieser Schulden auf den Bund würde aufgrund einer Umverteilung der Zinslasten von Gemeinden auf den Bund dazu führen, dass die finanziellen Handlungsspielräume der Kommunen steigen. Falls die direkte Übernahme aller Kommunalschulden durch den Bund aufgrund der grundgesetzlichen Schuldenbremse und Widerstands der CDU im Bundestag bei der Aufweichung nicht möglich sein sollte, fordern wir die Einrichtung eines kommunalen Entschuldungsfonds. Der Fonds soll jährlich mindestens 5% der kommunalen Schulden (Stichtag 01.01.2021) übernehmen, wobei die Priorität auf hoch verschuldeten Kommunen liegen soll. Bei den Schulden sind nicht nur die langfristigen Schulden der Kernhaushalte zu berücksichtigen, sondern insbesondere auch ausgelagerte Schulden (in Extrahaushalten oder sonstigen öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen) und Kassakredite. Die Bundesländer, die bereits eine eigene Art von kommunalen Entschuldungsfonds haben (z.B. Hessen), sollen dafür entschädigt werden. Die Schulden von Bundesländern, die gleichzeitig Träger kommunaler Aufgaben sind, werden zu 20% berücksichtigt. Die Gesamtfinanzierung des Fonds erfolgt aus laufenden Bundesmitteln. Weiterhin sind flankierende Maßnahmen, um strukturelle Defizite in Bezug auf kommunale Einnahmen und Ausgaben zu reduzieren, um einer Neuverschuldung strukturschwacher Kommunen entgegenzuwirken, notwendig. Daher fordern wir:

  • Die Abschaffung des kommunalen Beitrages zu den Sozialausgaben. Hierzu ist es notwendig, direkte zweckgebundene Transfers vom Bund zu den Kommunen zu ermöglichen.
  • Eine moderate Erhöhung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer. Langfristig setzen wir uns jedoch für eine Abschaffung der regressiven Umsatzsteuer ein. Als Ersatz sollte Kommunen dann eine anderweitige Einnahmequelle zugesichert werden.
  • Die Einbeziehung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer bei gleichzeitiger Entlastung dieser in der Einkommenssteuer.
  • Die Wiedereinführung einer Gewerbekapitalbesteuerung. Wertschöpfung führt nicht nur zu einmaligen Gewerbeerträgen, sondern oft auch zum Aufbau von Kapital innerhalb des Gewerbes. Die Intention der Gewerbesteuer ist es, Kommunen dazu zu bringen, attraktive Umfelder für wirtschaftliches Handeln zu schaffen. Der Aufbau von Gewerbekapital ist ein Ergebnis dieser Bemühungen der Kommunen und als solche auch mit einer kommunalen Steuer zu belegen.
  • Die besondere Berücksichtigung kommunaler Einnahmen bei der Grundsteuerreform.

Analyse: Kommunen und deren Handlungsfähigkeit sind aufgrund der direkten Schnittstell, die diese zwischen Staat und Bevölkerung darstellen, ein enorm wichtiges Element in föderalen Demokratien. Mangelnde Kitaplätze, schlechte Infrastruktur, schlecht ausgestattete Schulen und Kindergärten ergeben sich aus finanzieller kommunaler Handlungsfähigkeit oder einer sehr starken Einschränkung dieser. Teilweise ist diese finanzielle Notlage durch Eigenverschulden, aber auch durch Strukturwandel entstanden, dem die Kommunen als solches nichts entgegenzusetzen haben bzw. hatten. Kommunen in ihrer Funktion als Dienstleister für Demokratie und Gemeinwesen müssen jedoch handlungsfähig sein und bleiben. Um aus dem Status quo mit seiner finanziellen negativspirale für viele Städte und Gemeinden auszubrechen, ist ein Umdenken in der aktuellen Schuldenstruktur und der Gestaltung der Einnahmen und Ausgaben notwendig. Unmittelbar ergibt sich daraus die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts für alle Gemeinden und Kommunen. Weiterhin sehen wir vor allem Reformbedarf hin zu planbaren kommunalen Einnahmen. Hierbei sollen mehr Nutzer der örtlichen Infrastruktur mit in die Pflicht genommen werden, aber gleichzeitig an anderer Stelle entlastet werden. Weiterhin müssen die Beiträge zur Sozialhilfe, die in einigen Kommunen bis zu 85% des Haushaltes stemmen, reduziert und gedeckelt werden. Hierzu müssen auch dem Konnexitätsprinzip gerecht werdende Zahlungen vom Bund an die Kommunen zum Bewältigen dieser Aufgaben ermöglicht werden. Ein Schuldenschnitt kann nur dann erfolgreich sein, wenn die strukturellen Probleme, wie schlecht planbare Einnahmen und hohe Ausgaben für Sozialhilfe, gelöst werden und Kommunen dadurch nachhaltig finanziell handlungsfähig werden.