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Beschlussarchiv

O2 2021
Paradigmenwechsel in der bundesweiten Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit

Beschluss O2: Paradigmenwechsel in der bundesweiten Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit

1.1. Wohnungs- und Obdachlosigkeit – Ein systemisches Problem

Zahlreiche Studien und Erhebungen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass Armut in der Bundesrepublik im globalen Vergleich quantitativ und qualitativ stärker zugenommen hat als in anderen Ländern. Aus den Verheißungen des „Wohlstands für alle“ ist heute unlängst „Wohlstand für wenige“ geworden. Ursächlich hierfür sind nicht nur der Umbau des bundesdeutschen Sozialstaats unter neoliberalen Vorzeichen, die zunehmende Prekarisierung von Arbeit und die Verschärfungen auf dem Wohnungsmarkt, sondern grundsätzlicher gesprochen: der Kapitalismus. Dieses System lebt aufgrund des ihm immanenten Grundkonflikts zwischen Kapital und Arbeit davon, dass Teile der Gesellschaft arm sind und bleiben. Als Jungsozialist*innen kämpfen wir für die Überwindung dieser Ordnung der zementierten Ungleichheit und wollen mit systemüberwindenden Reformen die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringen. Der Einsatz für einen gerechten Sozialstaat, der Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen unterstützt, spielt in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rolle für uns. Wir wollen die bisherigen Debattenstände und Perspektiven im Folgenden erweitern, indem wir mit wohnungs- und obdachlosen Menschen jene in den Blick nehmen, die im politischen Geschehen häufig eine untergeordnete Rolle spielen und gesellschaftlich ausgegrenzt und abgewertet werden.

Die Abwertung von wohnungs- und obdachlosen Menschen hat eine lange Tradition und fand unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ihren Höhepunkt: Wohnungs- und Obdachlose galten nach der Ideologie der Nationalsozialist*innen als „Arbeitsscheue“ und „Asoziale“, wurden verfolgt und seit 1937 in Konzentrationslager deportiert. Abgrenzung, Abwertung und Gewalt gegen „Menschen auf der Straße“ endeten jedoch nicht 1945, sondern gehören noch heute zu ihrer Lebenswirklichkeit. So hat sich die Zahl der angezeigten Straftaten gegen Obdachlose von 2011 (602) bis 2017 (1389) mehr als verdoppelt. Die Dunkelziffer von verbalen und physischen Angriffen wird deutlich höher liegen. Für den gleichen Zeitraum ermittelten Behörden in 29 Fällen wegen Mord an obdach- und wohnungslosen Menschen.

Fakt ist allerdings auch, dass Abwertung und Ausgrenzung nicht nur in Form verbaler und physischer Gewalt Ausdruck finden. Der bürgerliche Sozialstaat bedient mit seinen Angeboten zur Unterstützung von wohnungs- und obdachlosen Menschen Narrative der paternalistischen Entmündigung und zieht Hürden ein, die für Menschen jenseits der Bürgerlichkeit häufig nur schwer zu bewältigen sind. Dass gleichzeitig ein Bild von Obdach- und Wohnungslosigkeit als Ausdruck individuellen Scheiterns bedient wird, macht die Widersprüche und Unzulänglichkeiten unserer bisherigen Systeme deutlich. Als Jusos stellen wir uns entschieden gegen jede Form der Ausgrenzung von wohnungs- und obdachlosen Menschen – und verstehen Armut im Allgemeinen und Obdach- und Wohnungslosigkeit im Besonderen als eigenständige soziale Problemlage, auf die wir mit dem Aufbau eines auf Emanzipation und Selbstermächtigung ausgerichteten Sozialstaats reagieren wollen.

1.2. Wohnungs- und Obdachlosigkeit – Was heißt das?

Die mangelnde Thematisierung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit im politischen Raum führt dazu, dass häufig unklar ist, welche Lebenslagen unter den angeführten Begriffen zu fassen sind. Definitionen spielen allerdings, wie im Folgenden deutlich wird, eine entscheidende Rolle:

  • Unter wohnungslosen Menschen versteht man alle, die weder über Wohneigentum noch über mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Unter den Begriff der Wohnungslosen fallen also auch diejenigen, die z.B. institutionell untergebracht oder bei Familienangehörigen oder Bekannten untergekommen sind.
  • Obdachlosigkeit umfasst einen Teilbereich der Wohnungslosigkeit. Als Obdachlose bezeichnet man Menschen, die ohne jegliche Unterkunft auf der Straße leben. Dabei wird zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Obdachlosigkeit unterschieden, wobei nur die unfreiwillige Obdachlosigkeit einen Anspruch auf ordnungsrechtliche Unterbringung des*der Betroffenen in (kommunalen) Unterkünften begründet. Für uns ist klar, dass nur die freie Willensentscheidung der jeweils betroffenen Person dafür ausschlaggebend sein kann, ob von freiwilliger oder unfreiwilliger Obdachlosigkeit gesprochen werden kann. Dies ist insofern relevant, als dass es eine übliche Praxis von Ordnungsbehörden ist, unter dem Vorwand vermeintlich freiwilliger Obdachlosigkeit die Einweisung in eine Unterkunft zu verweigern, weil der*die Betroffene als EU- Ausländer*in eine angebotene Rückreise in das jeweilige Herkunftsland nicht angenommen hat.
  • Jenseits dieser beiden Begrifflichkeiten müssen auch Menschen im Blick behalten werden, die zwar noch nicht direkt von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit betroffen, aber von dieser akut bedroht sind. Sie wollen wir durch präventive Schutzmaßnahmen unterstützten und damit den Eintritt in die Wohnungslosigkeit verhindern. Diese Gruppe umfasst beispielsweise Menschen, die von einer Räumungsklage oder einer bevorstehenden Kündigung durch den*die Vermieter*in betroffen sind. Unter die Gruppe der von Wohnungslosigkeit Bedrohten fallen auch die Menschen in latenter Wohnungslosigkeit, also oftmals Frauen, die nicht im Mietvertrag stehen und beispielsweise bei Konflikten mit ihren oftmals männlichen Partnern vor akute Probleme gestellt sind.
  • Die Gründe für Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind vielfältig. Sie ist häufig das multifaktorielle Ergebnis von mangelndem Wohnraum, Armut, sozialer Ausgrenzung und fehlenden Unterstützungsstrukturen für Menschen, die in Krisenlagen und Umbruchssituationen geraten. Zu letzteren zählen häufig die Trennung vom*von der Partner*in, Arbeitslosigkeit, Überschuldung, (psychische) Erkrankungen, Gewalterfahrungen im häuslichen Umfeld, Lösung aus dem Elternhaus oder aus Einrichtungen der Jugendhilfe und andere biografische Krisensituationen. Ein immer größer werdender Grund für Wohnungs- und Obdachlosigkeit stellt auch eine vorhergegangene Flucht dar. Denn die Wohnverhältnisse für Geflüchtete Personen sind vielerorts immer noch menschenunwürdig und drängen die Menschen in die Obdachlosigkeit. Der fehlende sozialrechtliche Anspruch von EU-Migrant*innen ist ein weiterer Grund. Diese Übersicht macht deutlich, dass es auf das gesellschaftliche Problem der Wohnungs- und Obdachlosigkeit verschiedener Antworten bedarf, die im Weiteren näher ausgeführt werden sollen.

1.3. Grundsicherung und Wohnungs-/Obdachlosigkeit Das bestehende System:

Obdachlose Personen sind berechtigt, Grundsicherung zu beziehen. Ein fester Wohnsitz ist keine Voraussetzung für den Bezug von Hartz IV, es reicht ein Personalausweis. Der Bescheid über die Gewährung von Leistungen kann nach Absprache auch an eine karitative Einrichtung oder ein Postfach gesandt werden. Die Auszahlung von Leistungen kann auch als Barauszahlung oder via Scheck erfolgen. Ein Bankkonto ist hierfür nicht zwingend notwendig.

Sind Personen im Leistungsbezug von Obdachlosigkeit bedroht, zum Beispiel durch hohe Mietschulden, gibt es die Möglichkeit, ein Darlehen vom Leistungsträger (Jobcenter, Optionskommune oder Sozialamt) zu erhalten, um diese Schulden zu begleichen und die drohende Wohnungslosigkeit infolge einer Zwangsräumung abzuwenden. Auch können Leistungsträger auf Wunsch die Miete direkt an Vermietende überweisen, um der Gefahr einer möglichen Zweckentfremdung der Mietzahlungen vorzubeugen. Zudem können mittellose, nicht sesshafte Menschen (Durchreisende, Landfahrer*innen, Personen ohne festen Wohnsitz) beim jeweils zuständigen Leistungsträger einen sogenannten „Tagessatz“ erhalten. Hierbei handelt es sich um einen Geldbetrag, der sich in seiner Höhe am Hartz-IV- Regelsatz bzw. der Hilfe zum Lebensunterhalt orientiert. Eine Bewilligung erfolgt nur für kurze Zeiträume, da davon ausgegangen wird, dass dieser Personenkreis nicht vor Ort sesshaft wird, sondern weiterzieht. Je nach Kommune sind unterschiedliche Leistungsträger für die Auszahlung zuständig. Besteht eine Leistungsberechtigung nach SGB XII, beispielsweise aufgrund einer vollen Erwerbsminderung (unter drei Stunden Arbeitsfähigkeit pro Tag) oder der Vollendung des

  1. Lebensjahres, können neben der „Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung“ auch „Hilfen zur Überwindung besonderer Schwierigkeiten" bezogen werden. Wenn „besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten" verbunden sind (z.B. nach einer Haftentlassung), soll eine gezielte Hilfestellung zur Überwindung dieser Schwierigkeiten gewährt und eine Eingliederung in das gesellschaftliche Leben ermöglicht werden. Zu diesen Leistungen zählen laut Diakonie Deutschland: persönliche Betreuung, Beratung, Hilfen bei der Beschaffung und dem Erhalt einer Wohnung, Unterstützung beim Einstieg ins Arbeitsleben oder bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Fehler im System: Grundsätzlich muss, aufgrund der „Komm-Struktur“ und der hohen Hürden der Behörden und Ämter, in Frage gestellt werden, ob von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffene Menschen die Hilfen und Unterstützungen, die sie in Anspruch nehmen können, überhaupt kennen. Häufig muss ein enormer bürokratischer Aufwand mit langen Warte- und Bearbeitungszeiten betrieben werden. Eine nicht zu unterschätzende Barriere können zudem auch Scham, bereits bestehende soziale Isolationen oder Krankheiten wie eine Suchterkrankung sein. Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit und die politischen Maßnahmen, die dafür notwendig sind, liegen derzeit in der Zuständigkeit aller drei föderalen Ebenen: Kommunen, Land und Bund. Die Kommunen übernehmen dabei die Hauptverantwortung. Sie nehmen Anzeigen der Obdachlosigkeit von den Betroffenen auf (die bürokratische Grundvoraussetzung für den Zugang zu Unterkünften und weiteren Verwaltungsmaßnahmen); finanzieren und betreuen die gewerblichen, ehrenamtlichen oder städtischen Träger, die Unterkünfte betreiben und obdachlosen Menschen Angebote der Grundversorgung wie Nahrungsmittel oder Hygienemöglichkeiten zur Verfügung stellen; stellen Personaldokumente aus; stellen Beratungsangebote zur Verfügung und stellen Sozialarbeiter*innen ein. Die Länder sind verantwortlich für die Finanzierung der Kommunen; die gesetzlichen Rahmenbedingungen, auf deren Grundlage die Kommunen Obdachlosigkeit bekämpfen; und in manchen Ländern, via landeseigener Wohnungsbaugesellschaften, auch für den staatlichen Wohnungsbau und die Zweckbindung landeseigener Wohnungen. Der Bund – genauer gesagt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – ist gemeinsam mit den Bezirken zuständig für die Jobcenter. Das Sozialgesetzbuch II (SGB II) ist die bundesrechtliche Grundlage für die Grundsicherung und die Funktionsweise der Jobcenter. Die Kosten für die Grundsicherung trägt der Bund, die Kosten für die Unterkunft von Grundsicherungsempfänger*innen teilen sich Bund und Kommune. Aus diesen verschränkten Strukturen entstehen massive bürokratische Hürden – sowohl für Betroffene als auch für wirksame politische Lösungsansätze. Menschen, die bereits im Hartz-IV-Bezug leben, können durch (Miet-)Schulden oder Kürzungen des Regelsatzes, aufgrund von Sanktionen, in Obdachlosigkeit geraten. Auch richten sich die Kosten der Unterkunft (KdU) nach vorgegeben Sätzen und nicht nach den tatsächlichen Wohnkosten. Diese werden nach erstmaliger Beantragung nur für sechs Monate übernommen. Dies gilt ebenso für Menschen die Grundsicherung nach SGB XII beziehen, da Regelsätze und KdU identisch berechnet werden. Wird die Miete der Betroffenen erhöht, besteht das Risiko diese nicht mehr bezahlen zu können, da die „Einnahmen“ nicht erhöht werden können. Im Gegenteil können diese durch Sanktionen, welche sich bereits als unwirksames und eben nicht arbeitsförderndes Mittel erwiesen haben, noch verringert werden. Eine Befragung des Bundesverfassungsgerichts, durchgeführt durch die Wuppertaler Sozialinitiative Tacheles, ergab: „58 Prozent der Betroffenen und 52 Prozent der Beratungsstellen kennen Fälle, bei denen Hartz-IV-Bezieher wegen Kürzungen ihre Wohnung verloren.“ Als häufigster Grund für sogenannte „Pflichtversäumnisse“ wurden psychische Erkrankungen der Betroffenen genannt. Oftmals waren diese schlicht nicht mehr in der Lage, sich ein Attest zu besorgen. Dies unterstreicht auf eindrückliche Weise die ethische Fragwürdigkeit des Systems der Sanktionierung im Hartz-IV-Bezug. Auch ein eigenfinanzierter Ausgleich gestiegener Mieten/Wohnkosten der Betroffenen über den Regelsatz würde zum einen eine zunehmende Verarmung fördern und wird zum anderen, durch das Anrechnen von Einnahmen auf den Regelsatz (z.B. bei Minijob 300€ von 450€), zusätzlich erschwert. Menschen, die Grundsicherung beziehen, sind somit besonders von Obdachlosigkeit bedroht. Die Ausgestaltung der Grundsicherung in ihrer derzeitigen Form trägt maßgeblich dazu bei. Als Jusos begrüßen wir die Abkehr unserer Partei vom bisherigen Grundsicherungssystem und möchten im Weiteren Perspektiven beschreiben, die beim künftigen Umbau des Sozialstaats berücksichtigt werden müssen.

1.4. Zahlen und Daten – Das Wohnungslosenberichterstattungsgesetz

Die Datenlage zum Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist sehr dünn. Dieser Umstand ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass der Bundesgesetzgeber erst im Jahr 2020, mit dem Wohnungslosenberichterstattungsgesetz, die nötige Grundlage dafür geschaffen hat, mittels einer Bundesstatistik Informationen zu Menschen in Wohnungslosigkeit zu erheben. Erste Ergebnisse werden für das Jahr 2022 erwartet. Angesichts dessen gibt es derzeit leider nur Schätzungen, die auf Befragungen in Hilfseinrichtungen beruhen. So geht die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) über das Jahr 2018 von ca. 678.000 Menschen in Wohnungslosigkeit aus. Damit ist die geschätzte Jahresgesamtzahl der Wohnungslosen im Vergleich zum Vorjahr um 4,2 % gestiegen. Die Zahl der Obdachlosen wird für das gleiche Jahr auf 41.000 geschätzt. Das Wohnungslosenberichterstattungsgesetz ist ein wichtiger Schritt des Bundes zur Verbesserung der Datenlage. Doch es gibt auch Probleme: In der derzeitigen Fassung des Gesetzeswerden nur Daten über Personen erhoben, „denen zum Stichtag wegen Wohnungslosigkeit Räume zu Wohnzwecken überlassen oder Übernachtungsgelegenheiten zur Verfügung gestellt worden sind.“ Das bedeutet, dass wohnungslose Menschen, die bei Familie oder Bekannten untergekommen sind oder ohne jegliche Unterkunft auf der Straße leben, keine Beachtung in der Statistik finden werden. Genauso wenig werden derzeit gesonderte Daten zu wohnungslosen anerkannten Geflüchteten erhoben, obwohl diese laut Schätzung der BAGW ca. 50 % der Menschen in Wohnungslosigkeit ausmachen. Wir fordern, dass der Bund die obengenannten Personengruppen ebenfalls erfasst und die Statistik weiter ausbaut. In den Blick zu nehmen sind auch von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen, wobei die Zahl der eingereichten Räumungsklagen und angesetzter Räumungstermine als Ansatzpunkt zur Datenerhebung fungieren kann.

1.5. Vulnerable Gruppen – Unseren Blick schärfen

Wenngleich die meisten wohnungs- und obdachlosen Menschen alleinstehende Männer sind, wird die Gruppe der Wohnungs- und Obdachlosen insgesamt in den letzten Jahren immer heterogener. Grund hierfür sind verschiedene vulnerable Gruppen, die besonders von Obdach- und Wohnungslosigkeit gefährdet sind.

  • Zunächst seien dabei junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren genannt. Schätzungen zufolge sind etwa 37.000 junge Menschen von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen. Die Gründe hierfür liegen meist in der Lösung aus Einrichtungen und Betreuungskontexten der Jugendhilfe nach Erreichen der Volljährigkeit. Das Wegbrechen von Unterstützungsstrukturen und der Mangel von bezahlbarem Wohnraum führen häufig in die Wohnungslosigkeit. Häufig wird zudem von organisierter Verantwortungslosigkeit seitens der Jugendämter berichtet, die in vielen Fällen finanzielle Unterstützungen verweigern. Dabei muss klar sein, was für die jungen Erwachsenen auf dem Spiel steht: Denn ohne Meldeadresse keine Ausbildung, kein Studium und damit eben auch keine Berufsperspektive. Es beginnt eine Teufelsspirale – und das bereits im jungen Alter.
  • Gesonderten Problemlagen sehen sich auch Frauen ausgesetzt. Ihr Anteil an Obdach- und Wohnungslosigkeit nimmt seit Jahren stetig zu. Wichtig bei ihnen ist die besondere Kategorie der latent wohnungslosen Frauen, die einen nicht unbeträchtlichen Anteil ausmachen. Bei latent Wohnungslosen ist zwar ein Wohnsitz vorhanden, aber die Frau steht nicht im Mietvertrag. Insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt führt die latente Wohnungslosigkeit zu einer Abhängigkeit, durch welche Frauen in Gewaltspiralen gefangen sind. Nicht nur bei einer Trennung und/oder Konflikten haben Frauen Probleme. Auch durch das Versterben des Partners kann ein Wohnungsverlust folgen. Alleinstehende Frauen können dann durch oft schlechter bezahlte Berufe die Miete nicht alleine stemmen. Einmal in Wohnungslosigkeit gelandet, ergeben sich für Frauen vielseitige Herausforderungen: Zunächst ist hervorzuheben, dass das Hilfssystem vor allem auf Männer ausgerichtet ist; Frauen gehen zudem weniger proaktiv auf die Einrichtungen zu. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang das sogenannte Zufriedenheits- Paradoxon: Frauen nehmen zumeist die eigene prekäre Situation als nicht so schlimm wahr, meist mit der Begründung, andere hätten es noch schlimmer. Durchbricht eine Frau dann doch dieses Paradoxon, muss sie sich mit zu wenig (abschließbaren) Schutzräumen zufriedengeben. Flieht sie vor sexualisierter und/oder häuslicher Gewalt, besteht jedoch meist eine so große Dringlichkeit, dass nicht gewartet werden kann bis etwa ein Platz in einem Frauenhaus frei wird. Die Frauen, die dann auf der Straße landen, haben nicht nur ein erhöhtes Risiko Gewalt zu erfahren, sondern sehen sich oft auch gezwungen, sexuelle Abhängigkeitsverhältnisse einzugehen, die nicht selten in der unfreiwilligen Prostitution enden.
  • Schätzungen zufolge sind in Deutschland jährlich etwa 40.000 Kinder und Jugendliche von Wohnungslosigkeit bedroht. Wie auch bei den jungen Erwachsenen, wirkt sich dies massiv auf ihre Bildungschancen aus: Die Wahrscheinlichkeit, keinen Schulabschluss zu erlangen, steigt drastisch.
  • Wie bereits oben beschrieben, sind 50 % aller Wohnungslosen in Deutschland Geflüchtete. Wohnungslosigkeit heißt für sie meist, dass der Übergang von einer Flüchtlingsunterkunft scheitert, sie verbleiben in der Unterkunft. Die Wohnungssuche gestaltet sich schwierig, wegen vielfältiger Gründe: Es existieren Sprachbarrieren, manchmal keine Kenntnisse über Hilfsstrukturen und Ansprechpartner*innen und nicht zuletzt Rassismus. Auch in der Politik werden Geflüchtete gegen (deutsche) Obdachlose ausgespielt.
  • Etwa 40.000 EU Bürger*innen sind in Deutschland wohnungs- oder obdachlos. Meist handelt es sich um Arbeitsmigrant*innen, die entweder keine Arbeit finden oder aber in einer so prekären Beschäftigung arbeiten, dass Wohnraum schlichtweg nicht leistbar ist. Bei ihnen ist das spezifische Problem, dass sie keinen Anspruch auf Hilfsleistungen haben, wenn kein Einkommen vorliegt und die Personen von existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen sind. Das einzige Angebot von Seiten der Behörden lautet meist die organisierte Rückreise. Dabei wird ein Ticket in das jeweilige Herkunftsland ausgestellt; wird es nicht angenommen, wird die obdach- oder wohnungslose Person als „Freiwillige*r” eingestuft; zuvor bestehende Ansprüche im Bereich der ordnungsrechtlichen Maßnahmen erlöschen damit.
  • Vor besonderen Herausforderungen stehen auch ortsfremde Wohnungs- und Obdachlose. Dies sind Menschen, die, nachdem sie wohnungslos wurden, an einen anderen Ort gehen als der ihrer letzten Meldeadresse. Meist erhalten sie nur kurzfristige Unterstützungsangebote; häufig stehlen sich Kommunen aus der Verantwortung mit dem Argument, dass die Kommune des letzten gemeldeten Wohnsitzes verantwortlich sei. Dies ist schlichtweg falsch. Doch die ortsfremden Wohnungs- und Obdachlosen können sich – mittellos wie sie nun einmal sind – nicht dagegen wehren. Sie bleiben also ohne die Hilfe, die ihnen eigentlich zusteht.

Die Liste an vulnerablen Gruppen ist lang. Doch auch wenn ihre Probleme teils vielfältiger nicht sein könnten; viele von ihnen könnten von allgemeinen Maßnahmen profitieren, wie sie etwa zum Thema bezahlbarer Wohnraum hier aufgeführt werden. Klar ist aber natürlich auch: Es braucht auch spezifische Lösungsstrategien für die sehr heterogen Betroffenen.

1.6. Wohnungs- und Obdachlosigkeit (präventiv) bekämpfen

Wir Jusos setzen uns für eine Neuausrichtung der Wohnungs- und Obdachlosenpolitik und Vereinheitlichung der gelebten Praxis der (präventiven) Bekämpfung des hier thematisierten gesellschaftlichen Problems ein. Das bisherige Hilfesystem für wohnungslose Menschen aus ordnungsrechtlichen Unterbringungen, den im Sozialrecht (SGB II; SGB XII) begründeten Unterstützungen und niedrigschwelligen Hilfen für Wohnungslosen, z.B. in Tagestreffs und Tafeln, hat Defizite und stößt an seine Grenzen. Hierzu zählt ganz wesentlich, dass es oftmals nicht gelingt, Wohnungslosigkeit durch die Vermittlung von Wohnraum zu beenden. Aus den kurzfristigen Notlösungen der kommunalen Notunterbringung werden viel zu häufig Dauerzustände, die Wohnungslosigkeit zementieren. Als Jusos fordern wir einen Paradigmenwechsel, den man auf die mittlerweile bekannte Formel „housing first“ runterbrechenkann. Unsere Wohnungs- und Obdachlosenpolitik hat insgesamt zwei Schwerpunkte, die im Folgenden konkretisiert werden: (1) Wohnungsverlust verhindern (2) Wohnungslosigkeit beenden Uns ist bewusst, dass von den verschiedenen Handlungsebenen die kommunale von zentraler Bedeutung ist, aber ohne ein Ineinandergreifen bundes- und landespolitischer Maßnahmen nicht in der Lage sein wird, das gesellschaftliche Problem der Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu bekämpfen.

1.6.1. Stufe 1: Prävention – Wohnungsverlust verhindern

Die effektivste Methode gegen Wohnungslosigkeit ist, den Verlust von Wohnraum zu verhindern. Wichtig ist daher eine umfassende Präventionsstrategie. Auf einer ersten Stufe muss sichergestellt werden, dass erste Anzeichen früh erkannt und ihnen entschlossen entgegengetreten wird. In einer weiteren Stufe geht es darum, den Verlust von Mietverhältnissen zu verhindern bzw. Zwangsräumungen abzuwenden. Anzeichen erkennen und Hilfen leisten In einer ersten Stufe der Präventionsstrategie geht es darum, bereits erste Anzeichen für den Wohnraumverlust, beispielsweise durch Jobverlust, zunehmende Verschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit, zu erkennen und sicherzustellen, dass diese Information zuverlässig verarbeitet wird. Dazu muss das bisherige Nebeneinander verschiedener Strukturen aufgebrochen und die verschiedenen Kompetenzen und Hilfsangebote gebündelt werden. Deshalb setzen wir uns für die vom Bund finanzierte Etablierung eines Fachstellenkonzepts auf kommunaler Ebene ein. Es stellt im Bereich der Prävention einen der zentralen Bausteine dar, mit dem wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen bedarfsgerecht und zügig geholfen werden soll.

Unsere Forderungen:

  • Eine bundesweit einheitliche Anlaufstelle: Um unklare Zuständigkeiten zu vermeiden und möglicherweise Betroffenen oder den Personen in deren Umfeld eine erste Anlaufstelle zu bieten, braucht es eine übergeordnete bundesweit einheitliche Hilfestelle, die als erste Ansprechpartnerin für alle Fragen im Zusammenhang mit einem (drohenden) Wohnungsverlust erreichbar ist. Dabei soll es sich nicht um eine neue Behörde handeln, sondern eine Vermittlungsstelle, von der aus je nach konkreter Zuständigkeit eine Weitervermittlung an die verschiedenen, bereits bestehenden lokalen Fachstellen und Hilfsangebote erfolgt. Damit diese Anlaufstelle allen Menschen bekannt wird, wird die Kontaktmöglichkeit in einer bundesweiten Kampagne kommuniziert.
  • Hilfe und Unterstützung, die sich an der Lebenswirklichkeit der Betroffenen orientiert: Viele Menschen wenden sich nicht aktiv an die bestehenden Hilfsangebote. Daher braucht es neben einer bundesweiten Anlaufstelle auch lokale Präventionsteams nach dem Konzept der aufsuchenden sozialen Arbeit als Teil einer flächendeckenden und vernetzten Interventionsinfrastruktur. Diese sollen an die Fachstellen angebunden sein und die Menschen nach einem verbindlichen Handlungsleitfaden, der jeweils auf kommunaler Ebene auszuarbeiten ist, persönlich ansprechen. Damit soll die bisherige „Komm-Struktur“ der Behörden aufgebrochen werden. Wir Jusos setzen auf Konzepte, bei denen die Unterstützung zu den Menschen kommt. Die Präventionsteams sollen etwa bei Tafeln, Hausaufgabenhilfen sowie bei weiteren Unterstützungsangeboten für finanzschwache bzw. besonders oft betroffene Menschen tätig werden. Auch Vermieterinnen müssen in die Verantwortung genommen werden. Hierzu zählt eine Verpflichtung zum proaktiven Handeln in Zusammenarbeit mit den Präventionsteams.
  • Soziales Quartiersmanagement etablieren: In Wohnquartieren sollen künftig Gemeinschaftsräume und Konzepte sozialer Hausverwaltung fest mit eingeplant Dies ermöglicht Freiräume für die Bewohner*innen und fördert einerseits die Vernetzung und Integration der Menschen im Quartier, andererseits kann durch eine sozialpädagogische Betreuung vor Ort sichergestellt werden, dass mögliche Probleme frühzeitig erkannt werden und schnell Hilfe vermittelt wird. Im Bauplanungsrecht muss daher das soziale Quartiersmanagement künftig ein fester Bestandteil im Zusammenhang mit der Schaffung von Wohnraum werden. Die Realisierung von Konzepten zum sozialen Quartiersmanagement in bestehenden Nachbarschaften darf keine Frage der haushalterischen Lage der jeweiligen Kommune sein. Die Kosten der Maßnahmen müssen vom Bund getragen werden und Mehrbedarf an Personal darf den Kommunen nicht verwehrt werden. Bei Wohnungsbeständen großer Immobilienkonzern sind diese verpflichtet, diese Angebote zu schaffen und sich an den Kosten der Präventionsarbeit einer Kommune zu beteiligen. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese Kosten nicht an die Mieterinnen weitergereicht werden dürfen. Die sozialpädagogische und rechtliche Beratung und Betreuung dahingehend, wie drohende Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit früh erkannt und abgewendet werden kann, muss ein fester Bestandteil des sozialen Quartiersmanagements sein.
  • Unterstützung für junge Menschen: Vulnerable Gruppen müssen besonders vor drohender Wohnungslosigkeit geschützt werden. Für junge Menschen im System der Jugendhilfe muss es gestaltete und begleitete Übergänge für die ersten Jahre nach Erreichen der Volljährigkeit geben. Damit soll die Gefahr minimiert werden, dass sie durch alle sichernden Netze fallen. Hier müssen besonders zugeschnittene Formen der Einzelfallbetreuungsangebote im Kontext der aufsuchendensozialen Arbeit bereitgestellt werden. Wichtig ist zudem die Abschaffung von Sanktionen, in diesem Fall ganz besonders für junge Menschen unter 25 Jahren.
  • Schutz von Frauen: Frauen müssen besser vor toxischen und gewaltvollen Beziehungen geschützt werden können. Dabei gilt zuallererst der Grundsatz "Wer schlägt, der geht!". Dafür sollen Opfer von Gewalt auf die bereits bestehenden Möglichkeiten des Wegweisungsrechts und des Gewaltschutzgesetzes aufmerksam gemacht und bei der Durchsetzung ihrer Rechte ausdrücklich unterstützt werden, sofern sie dies wünschen. Es braucht ein flächendeckendes, niedrigschwellig zugängliches Netzwerk an Hilfsangeboten für Betroffene. Das Verlassen von Gewalträumen muss für betroffene Frauen jederzeit und verlässig durch den Staat gewährleistet werden. Insbesondere der Ausbau von Frauenhäusern muss prioritär vorangebracht werden. In diesem Zusammenhang ist unter anderem die Umsetzung der Istanbul Konvention wichtig. Wir setzen uns zudem für die Entwicklung von Strategien zur Bewältigung des Übergangs aus versteckter Wohnungslosigkeit ein.
  • Situation von Geflüchteten: Die bestehenden Konzepte in der Unterbringung Geflüchteter muss grundlegend verändert werden. Es braucht eine enge Betreuung die die Vermittlung der Wohnung in den Vordergrund stellt. Der Aufenthaltsstatus oder Sprachkenntnisse dürfen hier nicht relevant sein. Wohnsitzauflagen stellen ein bürokratisches Hindernis dar, welches vielen Geflüchteten die Möglichkeit auf den schnellen Bezug einer eigenen Wohnung nimmt. Wir setzen uns für eine schnelle und unbürokratische Unterbringung von Geflüchteten in einer eigenen Wohnung ein.
  • Situation von EU-Bürger*innen: Ausbeutung von Menschen, die den noch prekäreren Beschäftigungsverhältnissen in ihren Herkunftsländern entfliehen, verurteilen wir aufs Schärfste. Wir fordern die konsequente Bekämpfung des Mindestlohnbetruges, welcher ganz besonders bei Saisonarbeitskräften den Standartfall darstellt. Egal woher ein Mensch stammt, er hat ein Recht auf einen Mindestlohn von mind. 12 Euro und auf einen Staat, der diesen konsequent durchsetzt. Betriebe und Unternehmen, welche Arbeitskräfte als saisonale Unterstützung anwerben, müssen verpflichtet werden, qualitative und bedarfsgerechte Arbeitswohnungen zur Verfügung zu stellen, für die maximal der Mietzins in Höhe von einem Drittel des verfügbaren Einkommens erhoben werden darf. Eine Vermietung von einzelnen Betten/Schlafplätzen sowie die Unterbringung in Mehrbettzimmern über einen längeren Zeitraum müssen verboten werden. Darüber hinaus setzen wir uns für die konsequente Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit ein. Der Staat muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden, ausreichend Personal in den Behörden einstellen und umfassend in diesem Bereich schulen.
1.6.2. Stufe 2: Drohenden Wohnungsverlust verhindern

In einer weiteren Stufe wollen wir Jusos, dass Instrumente und Prozesse entwickelt und ausgebaut werden, mit denen sich drohende Zwangsräumungen von Wohnungen verhindern lassen. Unsere Forderungen:

  • Übernahme von Mietschulden als Zuschuss: Der Bund muss eine schnelle und unkomplizierte Übernahme von Mietschulden als Zuschuss bei drohendem Wohnungsverlust gewährleisten.
  • Bundesweites Mietmoratorium: Für die Zahlung der Miete müssen viele Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens aufwenden. Spätestens wenn die Entwicklung der Löhne jedoch nicht mit der Entwicklung der Mieten schritthalten kann, muss ein Mietenmoratorium kurzfristig Hilfe leisten. Weitere Steigerungen der Miete müssen unbedingt verhindert werden, um diese Situation und damit einhergehende Wohnungsverluste zu vermeiden. Es braucht daher jetzt dringend ein bundesweites Mietenmoratorium, das ein weiteres Ansteigen der Mieten in den nächsten Jahren nachhaltig verhindert.
  • Zahlungsverzug: Nach § 573 BGB kann ein*e Vermieter*in ein Mietverhältnis kündigen, wenn er*sie ein berechtigtes Interesse daran hat. Dieses berechtigte Interesse wird jedoch bereits dann angenommen, wenn ein Zahlungsverzug der Miete in der Höhe von mehr als einer Monatsmiete besteht. Eine Abmahnung oder weitere Eskalationsstufen vor der Kündigungsmöglichkeit sind nicht vorgesehen. Eine Änderung dieser Regelung im BGB ist dringend erforderlich. Zunächst trägt das Erfordernis einer Abmahnung durch den*die Vermieter*in dazu bei, dass den Betroffenen bewusstwird, welches Risiko bei einer ausbleibenden Mietzahlung besteht. Zudem ergibt sich allein durch das Erfordernis einer Abmahnung – beispielsweise nach dem Ausbleiben einer Monatsmiete – bereits ein längerer Zeitraum, in dem eine Zahlung noch nachgeholt werden kann und in dem vor allem Hilfsangebote besser in Anspruch genommen werden können. Im Zusammenhang mit den Hilfsmaßnahmen infolge der Corona-Pandemie gab es eine Aussetzung der Kündigungsmöglichkeit für den Fall, dass pandemiebedingt eine Mietzahlung ausgeblieben ist. Dieser coronabedingte kurzzeitige Kündigungsschutz kann nun als Grundlage für eine künftige Regelung, allerdings dauerhaft und unabhängig von der Pandemie, herangezogen werden. Der Stundungszins für die Rückzahlung von gestundeten Mieten in Höhe von grundsätzlich 7% ist dabei auf einen der aktuellen Niedrigzinslage angemessenen Betrag herabzusetzen.
  • Zwangsräumungen nur bei angemessener Ersatzwohnung: Um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, dürfen Zwangsräumungen künftig nur noch durchgeführt werden, wenn angemessener Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Familien mit Kindern, die eine besonders vulnerable Gruppen darstellen, dürfen überhaupt nicht zwangsgeräumt werden.
  • Übernahme der tatsächlichen Wohnungskosten durch die KdU für mindestens 12 Monate: Wir befürworten eine grundlegende Reform der Festlegung für die Kosten der Unterkunft im SGB II, SGB XII und AsylblG durch den Bundesgesetzgeber, um Wohnungslosigkeit effektiver vermeiden zu können. Dabei wollen wir die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe für mindestens 12 Monate.
  • Wohnen als Grundrecht: Das Wohnraummietverhältnis muss der wirtschaftlichen Verwertungs- und Gewinnerzielungslogik entzogen werden. Denn jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene Wohnung. Wohnen ist ein Grundrecht und muss in das Grundgesetz aufgenommen werden!
  • Spezifische Angebote für Menschen aus vulnerablen Gruppen: Um Frauen vor Wohnungslosigkeit zu schützen, setzen wir uns unter anderem für eine gendergerechte Überarbeitung der Leitlinie der Wohnungspolitik und eine Ausfinanzierung durch den Bund der Frauenhäuser ein. Mit Blick auf ältere Menschen fordern wir eine standardisierte und vertiefte Kooperation zwischen Wohnungslosenhilfe und Pflegesystem. Eine Schlüsselfunktion bei der Koordinierung der verschiedenen Angebote nehmen dabei die neu einzurichtenden Fachstellen ein. Sie sollen auch Menschen mit psychischen Erkrankungen auf besondere Unterstützungsangebote hinweisen. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass die bisherigen psychiatrischen und psychologischen Infrastrukturen stark ausgebaut werden müssen. Geflüchteten muss ein reibungsloser Übergang von der Unterkunft in die eigene Wohnung ermöglicht werden.

1.7. Housing first – Bekämpfung von Wohnungslosigkeit

Einen echten Paradigmenwechsel stellt für uns die Anwendung des im US-amerikanischen Raum entwickelten Konzepts des „housing first“ dar. Statt eines Systems, das hohe Voraussetzungshürden schafft, um wohnungs- und obdachlosen Menschen nachhaltig aus ihrer Problemlage zu helfen, wollen wir Strukturen etablieren, die alles daransetzen, Wohnungslosen Wohnraum zu vermitteln.

1.7.1. Was heißt Housing first?

Housing first ist eine neue Herangehensweise an die Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Während in bestehenden Modellen die ,,Wohnungsfähigkeit” erst bewiesen werden muss und Menschen verschiedene Formen der Unterkünfte durchleben müssen, um sich für eine Wohnung qualifizieren zu können, steht die unmittelbare Unterbringung in einer bedarfsgerechten Wohnung beim Housing First-Konzept im Vordergrund. Ziel ist es, eine normale und unbefristete Wohnung zu vermitteln und mittels eines freiwilligen sozialpädagogischen Begleitkonzeptes die nötige Unterstützung gewähren zu können. Erst wenn Menschen einen stabilen Ausgangspunkt für die Organisation und Bewältigung ihres Alltags haben, können – so die grundlegende und empirisch untersuchte Grundüberzeugung – andere Probleme wie Drogensucht oder Arbeitslosigkeit wirksam angegangen werden. Die Freiwilligkeit der Hilfsangebote ist dabei ein zentraler Baustein. Die spätere Nichtinanspruchnahme führt nicht zum Verlust der Wohnung. Dieses bedingungslose Angebot führt nachhaltig zu einer höheren Erfolgsquote. So konnten bei einem breit angelegten Versuch in Dänemark festgestellt werden, dass sich mit dem Ansatz eine Wohnstabilität von 90% erzielen lässt. Auch in Deutschland gibt es bereits Modellprojekte, z.B. in Berlin, Köln und Düsseldorf. Dabei basieren diese Modellprojekte auf dem amerikanischen Grundkonzept, bestehend aus acht Grundprinzipien, die auch wir Jusos besonders hervorheben wollen:

  1. Wohnen als Menschenrecht: Keine Erwartungen und Anforderungen an die Person – jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene und menschenwürdige Wohnung.
  2. Wahlfreiheit und Entscheidungsmöglichkeit für Betroffene: Ein auf Emanzipation ausgerichteter Sozialstaat zwängt Menschen nicht in ein Korsett, sondern entwickelt mit den Betroffenen gemeinsame Perspektiven, die sie ermächtigen, ihren Alltag zu bewältigen.
  3. Trennung von Wohnen und Betreuung: Räumlich und rechtlich
  4. Recovery-Orientierung: Das Augenmerk soll ganzheitlich auf das Wohlbefinden der*des Einzelnen gerichtet sein. Dabei müssen die psychische und physische Gesundheit, das soziale Umfeld und der Grad an sozialer Inklusion besonders berücksichtigt werden.
  5. Harm-Reduction: Unterstützende Betreuung und Behandlung, aber nicht Vorgaben z.B. zu Abstinenz von Drogen und Alkohol.
  6. Aktive Beteiligung ohne Zwang und Druck: Auffordernde, jedoch nicht aggressiv bedrängende Art der Arbeitsweise der aufsuchenden Sozialarbeit.
  7. Personenzentrierte Hilfeplanung: Organisation von Betreuung und Behandlung rund um die Bedürfnisse des*der individuellen Nutzer*in. Wahlfreiheit und Entscheidungsmöglichkeit.
  8. Flexible Unterstützung so lange wie nötig: Biografien unterscheiden sich. Die Unterstützung von wohnungs- bzw. obdachlosen Menschen soll sich nicht an zeitlichen Vorgaben orientieren, sondern an den konkreten Bedarfen der Betroffenen. Uns ist dabei wichtig, dass auf Seiten der aufsuchenden sozialen Arbeit die Awareness für den Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen geschärft wird.

Unsere Forderungen: • Förderung von regulären, unbefristeten Wohnraummietverhältnissen als dezentraler Individualwohnraum • Aufnahme einer Belegungsquote für wohnungs- und obdachlose Menschen für alle freiwerdenden Wohnungen bei der Wohnungsvergabe durch Kommunen und öffentliche Träger*innen • Verbindliche Quoten für Wohnungen des housing first-Ansatzes beim Bau von öffentlich gefördertem Wohnraum • Aktive Angebote von flexiblen wohnbegleitenden Hilfen • Schneller Übergang von housing first in reguläre Grundsicherung (SGB II und SGB XII) • Finanzierung des housing first-Konzept durch den Bund, z.B. durch Baukostenzuschüsse für Mehrfamilienhäuser, in denen Wohnraum zur Realisierung des Konzepts bereitgestellt wird, und ein separates Bundesprogramm zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit.

1.7.2. Kurzfristige Maßnahmen

Klar ist, dass wir den Ansatz des housing first als den zentralen und wirksamsten sehen. Zur ehrlichen Bewertung der Ist-Situation gehört allerdings, dass schon allein aufgrund des erheblichen Mangels an verfügbarem Wohnraum, eine kurzfristige Strategie zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit notwendig ist. Insbesondere in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt und immer dann, wenn schnelle und zusätzliche Hilfe für Menschen angeboten werden kann, die nicht dauerhaft eine Wohnung vermittelt bekommen können oder wollen, fordern wir einen bundesweit einheitlichen Standard zur Unterbringung. Dieser muss verpflichtend für Kommunen gelten und gegenüber jenen Kommunen einklagbar sein, die ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Dabei muss eine kostendeckende Finanzierung durch den Bund gewährleistet sein. Ordnungsrechtliche Unterbringung: Als solche wird die gesetzliche Pflicht zur Unterbringung von unfreiwillig obdachlosen Menschen bezeichnet. Sie dient der Beseitigung von akuten Gefahrenlagen und der Gefährdung von Grundrechten des*der Obdachlosen (das Recht auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit und die Garantie auf Menschenwürde). Diese Unterbringung ist jedoch nur vorübergehend und mit einer Unterbringung in Heimen oder Clearinghäusern verbunden. Faktisch hat sich in vielen Kommunen eine Situation eingestellt, in der Obdachlose zum Teil weit länger als drei Monate, manche sogar bis zu ihrem Lebensende in derartigen Unterkünften untergebracht werden. Da der Gesetzgeber in den ordnungsrechtlichen Unterbringungen Notlösungen zur Überbrückung prekärer Situationen sieht, dürfen diese derweil Standards angemessenen Wohnens unterlaufen.

Hinzukommt, dass der tatsächliche Zugang zu ordnungsrechtlichen Unterbringungen häufig nicht gewährleistet ist. Einerseits, weil Kommunen Informationen über Wohnungslosenunterkünfte zurückhalten, um Andrang auf diese zu verhindern, andererseits, weil sie sich für bestimmte Gruppen nicht zuständig fühlen. Kritisch ist zudem, dass einige Kommunen überhaupt keine Unterbringungsplätze bereithalten, weil sie das Problem der Obdachlosigkeit auf ihrem Gebiet negieren. Unsere Forderungen: • Bereitstellung von dezentralen und bedarfsgerechten Unterbringungsplätzen in allen Kommunen, die über 20.000 Einwohner*innen haben oder in denen Obdachlosigkeit akut vorkommt oder droht, für die unter keinen Umständen, weder direkt noch nachträglich, Gebühren erhoben werden dürfen. Eine kostendeckende Finanzierung durch den Bund muss gewährleistet sein. • Einheitliche Qualitätsstandards für die ordnungsrechtliche Unterbringung, die dem Umstand Rechnung tragen, dass Unterkünfte häufig weit mehr als eine kurzfristige Notlösung sind. • Diskriminierungsfreier Zugang zu ordnungsrechtlichen Unterbringungen; alle Betroffenen haben den Anspruch, ordnungsrechtlich untergebracht zu werden. Bei ortsfremden Obdachlosen dürfen Kommunen sich nicht aus der Verantwortung stehlen – und auch EU-Ausländer*innen ohne festen Job müssen ein Recht darauf haben, in Deutschland Hilfe zu bekommen. • Transparente Informationen über Wohnungslosenunterkünfte. • Ordnungsrechtliche Unterkünfte müssen mit der sozialarbeiterischen Fachberatung vor Ort verknüpft werden; hier spielt die aufsuchende Beratung eine zentrale Rolle. Diese soll wiederum mit den neu einzurichtenden Fachstellen auf kommunaler Ebene verzahnt werden und so ein Hilfesystem bilden, das Wohnungs- und Obdachlose zügig und bedarfsgerecht unterstützt. • Frauen und Kinder müssen besonders vor Gewalt geschützt werden, deswegen bedarf es Unterbringungen, die die Privatsphäre der Betroffenen wahren. Hierzu zählt auch die Möglichkeit einer geschlechtergetrennten Unterbringung und abschließbarer Waschräume.

Leben auf der Straße: Menschen, die auf der Straße leben, sind Teil unserer Gesellschaft und müssen daher auch ihren Platz in den Stadtbildern unserer Kommunen haben. Die Verdrängung von obdachlosen Personen aus den Stadtbildern unserer Städte und Gemeinden muss darum dringend beendet werden. Wir setzen uns gegen jegliche Verdrängungsinstrumente ein. Hierzu zählen für uns zum Beispiel Zwischenlehnen bei Parkbänken, die das Liegen auf diesen verhindern sollen oder auch Alkoholverbote um Bahnhöfe und öffentliche Plätze, welche auf Alkohol konsumierende Obdachlose abzielen. Fortlaufend werden obdachlose Personen durch Räumung von Schlaf- und Aufenthaltsplätzen durch Ordnungsämter, Polizei oder private Sicherheitsdienste verdrängt, sodass diese ständig in der Angst leben, ihren aktuellen Platz jederzeit wieder verlassen zu müssen. Sie werden dadurch schnell zum Ziel gewalttätiger Angriffe, wie Raubüberfälle, Körperverletzung, sexualisierter Gewalt, Vergewaltigung oder Totschlag. Vor allem Hunde bieten den obdachlosen Menschen Schutz und Gesellschaft, sind jedoch in den meisten Unterkünften verboten.

Dies führt dazu, dass einige Menschen nicht die Unterstützung bekommen können, die sie eigentlich benötigen. Solange wir nicht alle obdachlosen Menschen in Unterkünften unterbringen können, müssen Polizei und Hilfseinrichtungen enger zusammenarbeiten, wobei der Schutz der Privatsphäre immer Priorität haben muss. Obdachlose Menschen haben meist schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht und das Vertrauen in den Erhalt effektiver Hilfe im Notfall verloren. Polizist*innen müssen für den Umgang mit obdachlosen Menschen sensibilisiert werden und Notunterkünfte durch, von den Ländern zur Verfügung gestelltes, geschultes Sicherheitspersonal unterstützt werden. Derzeit gibt es keine Anlaufstellen innerhalb der Polizei, an die sich obdachlose Menschen ohne Angst vor Repressionen wenden können. Darum setzen wir uns für feste Plätze ein, an denen wohnungs- und obdachlose Personen sicher vor Verdrängung sind. Erste Projekte für Safe Places sind hierzu in Berlin bereits geplant und können ein erfolgsversprechender Ansatz sein. Auch eine Kombination mit Tiny-Häusern sollte erprobt werden, stellt für uns aber explizit keine Alternative zum Housing first-Ansatz, sondern nur eine temporäre Lösung dar. Die Versorgungsinfrastruktur für Menschen, die auf der Straße leben, ist in den verschiedenen Teilen der Republik höchst unterschiedlich geregelt. Bundesweit gibt es hier eine riesige Bandbreite von verschiedenen Unterstützungsangeboten von privaten, öffentlichen und öffentlich geförderten Projekten und Einrichtungen, die sich um Menschen kümmern, die auf der Straße leben. Für uns ist klar, dass jedem Menschen in unmittelbarer Umgebung der Zugang zu Nahrung, Frischwasser, einem warmen Schlafplatz sowie zu Waschmöglichkeiten und sanitären Anlagen möglich sein muss. Bei allen Maßnahmen muss hierbei die besondere Lebensrealität von Frauen auf der Straße berücksichtigen werden. Hierdurch ist es für uns zwingend notwendig eigene Angebote für sie zu schaffen. Darum wollen wir uns auch für eine Vereinbarung mit Mindestanforderungen an die Versorgung von auf der Straße lebenden Menschen einsetzen. Diese sollte in Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen unter Einbeziehung von Betroffenen bzw. deren Vertretungen erarbeitet werden. Die Versorgungsstruktur in ländlichen Bereichen sollte hierbei ebenfalls betrachtet werden, da es dort oft keinerlei bzw. eine massiv eingeschränkte Versorgungsstruktur gibt. Ein besonders wichtiger Baustein für die Versorgung von wohnungs- und obdachlosen Personen ist auch die Straßensozialarbeit. Leider fehlt hierfür in weiten Teilen der Republik immer noch eine flächendeckende Versorgung mit ausreichendem Zeitkontingenten. Dort brauchen wir ebenfalls einen festen Schlüssel in bundesweit vereinbarten Mindestanforderungen. Unsere Forderungen: • Stopp der Verdrängung von Obdachlosen aus dem öffentlichen Raum • finanzielle Unterstützung für Freiraumprojekte, die für Wohnungs- und Obdachlose Übernachtungsmöglichkeiten anbieten • Ende und Rückbau defensiver Architektur • Etablierung einer flächendeckenden Versorgungsstruktur für auf der Straße lebende Menschen, hierzu zählen zum Beispiel neben Wärmestuben und Essensausgabestellen, Tagesstellen mit ganzheitlichen Ansätzen, das Aufstellen von Sanitär- und Hygiene-Containern mit Dusch- und Waschmöglichleiten. • Flächendeckende Angebote zum Kälteschutz im Winter • Angebote der Versorgungsinfrastruktur gezielt für Frauen, z.B. eigene Tagesstellen • Flächendeckende aufsuchende Straßensozialarbeit Gesundheitsversorgung: Gerade wenn Wohnungs- und Obdachlose ein gewisses Alter erreichen, ergeben sich spezielle Probleme. Damit sind nicht Menschen im Sinne des Senior*innen-Alters gemeint, denn Obdach- und Wohnungslose haben eine deutlich geringere Lebenserwartung. Im Schnitt werden sie nur um die 42-52 Jahre alt. Für sie steht meistens keine adäquate medizinische Versorgung und/oder Pflegemöglichkeit zur Verfügung. Sie fallen meist aus dem System der Pflegestufen, das einfach nicht an den Bedürfnissen obdach- oder wohnungslosen Personen orientiert ist. Im Rahmen der vielen verschiedenen Angebote der Hilfsorganisationen gibt es auch solche, die die Hilfsangebote zu Menschen bringen, die in Obdachlosigkeit leben und entweder durch Krankheit bedingt immobil oder in einem Maße den Kontakt zum gesellschaftlichen Leben verloren haben, dass dieser erst sehr langsam aufgebaut werden muss, bevor tradierte Hilfsmechanismen greifen können. Ein weiterer Bestandteil dieser mobilen Hilfe sind aber auch die sogenannten “Kältebusse”, die in den Wintermonaten warme Nahrung, warme Getränke und Schlafsäcke an obdachlose Menschen ausliefern, die sich abends außerhalb von Unterkünften Schlafplätze suchen. Diese sogenannte “mobile Einzelfallhilfe” liegt dabei zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen in der Verantwortung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Dabei ist der Pflegebedarf bei Obdach- und Wohnungslosen groß: Nicht nur ältere Personen brauchen medizinische und pflegerische Unterstützung. Auch Menschen mit (unbehandelten) psychischen Erkrankungen haben es doppelt schwer als Obdach- und Wohnungslose. Es zeigt sich eine klare Prävalenz zwischen psychischer Erkrankung und der Gefahr der Obdach- und Wohnungslosigkeit. Wichtig hierbei: Auch Suchterkrankungen sind als psychiatrische Erkrankung zu werten. Immer mehr Menschen sind von solchen psychischen Erkrankungen betroffen und das bei immer weniger Plätzen in psychiatrischen Einrichtungen. Hilfseinrichtungen, die sich speziell an Obdach- und Wohnungslose richten, sind in der Folge überfordert und allein gelassen. Im schlimmsten Fall weisen sie Betroffene sogar ab, welche wiederum dann ein höheres Risiko der Verwahrlosung außerhalb des Hilfssystems haben. Einmal in Obdach- oder Wohnungslosigkeit, suchen Menschen mit psychischen Erkrankungen seltener Hilfseinrichtungen auf. Sie verfügen außerdem seltener über ein privates Unterstützungsnetzwerk; in bestehenden Einrichtungen machen ihnen zudem gerade die erzwungene Nähe zu anderen zu schaffen. Wir Jusos wollen ein Gesundheitssystem, das auch auf die individuellen Bedürfnisse von wohnungs- und obdachlosen Menschen eingehen kann. Unsere Forderungen: • sprachlich flexible Behandlungen • flächendeckend bedingungslose Behandlung, auch für Betroffene ohne Krankenversicherung • Aktive Informationsvermittlung hinsichtlich der Gesundheitsversorgung • Einrichtung von kommunalen Gesundheitszentren für Betroffene in großen Städten, die auch Versorgungsstrukturen implementieren sollen und durch die Länder ausfinanziert werden müssen. • Aufsuchende medizinische Behandlung, z.B. durch mobile Ärzt*innenpraxen. • Unterstützungsangebote in der Inanspruchnahme • Langfristige Versorgungsangebote in Bezug auf psychische Erkrankungen • kostenloser Zugang zu Menstruationsprodukten • aufsuchende Impfkampagne gegen Covid-19