Die Pflegegelderhöhung muss kommen!
Analyse
Im Jahr 2025 soll es etwa 5,5 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland geben und diese Zahl wird voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten noch weiter steigen. Der Trend der Jahre 2019 bis 2021 zeigte einen Anstieg der Pflegebedürftigen um 20%.
Viele der Menschen, die gepflegt werden müssen, werden nicht in Pflegeheimen untergebracht, sondern vier von fünf Pflegebedürftigen (2020) werden zu Hause versorgt. In diesem Fall erhält die Pflegebedürftige Person ein Pflegegeld. Dieser Betrag schwankt je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 Euro im Monat, wurde aber seit 2017 nicht mehr erhöht, trotz steigender Inflation. Nun soll zumindest 2024 eine 5%ige Erhöhung kommen - dennoch ist es bezeichnend, dass gut 7 Jahre nichts passiert ist. Die nun angekündigte Erhöhung gleicht außerdem die bisherige Inflation nicht aus und wird den realen Kosten insgesamt nicht gerecht.
Insgesamt werden etwa 65% der Pflegebedürftigen Menschen allein durch Angehörige gepflegt, wobei von diesen 5,3 Mio. häuslich Pflegenden, 3 Mio. erwerbstätig sind. Dies ist eine große Zusatzbelastung neben dem Beruf und kann große alltägliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Ein weiterer Punkt ist, dass ungefähr 70% dieser pflegenden Personen Frauen sind. Hierbei spielt vor allem die Mehrfachbelastung eine große Rolle aufgrund von z.B. Familienversorgung, Beruf oder unbezahlter Care-Arbeit. Außerdem wurde ein Großteil der pflegenden Angehörigen vergessen, so finden zum Beispiel die pflegenden Rentner*innen keinerlei Berücksichtigung. Sie erhalten (logischerweise) keine Rentenpunkte für ihre Pflegetätigkeit - schließlich sind sie schon in Rente. Doch hier wurden bislang keine alternativen Honorierungsmöglichkeiten geschaffen. Sie gehören viel zu selten zu den Anspruchsberechtigten solcher Möglichkeiten und wurden beispielsweise auch beim Pflegegeld nicht berücksichtigt. Das muss sich zukünftig ändern!
Die Inflation der letzten Jahre hat viele Menschen an die Armutsgrenze getrieben. Dies betrifft vor allem auch die Pflegebedürftigen. Das Pflegegeld, das sie erhalten, reicht oft nicht bis zum Ende des Monats aus, um alle Kosten zu decken, die angefallen sind. Das ist vor allem den steigenden Lebenshaltungskosten zuzuschreiben, aber auch der gescheiterten Reform der Pflege. In den letzten Jahren wurde versäumt, das Pflegegeld weiter zu erhöhen und anzupassen und deshalb muss es eine sofortige Erhöhung geben, um die Pflegenden und Pflegebedürftigen zu entlasten. Es muss jährlich geschaut werden, inwieweit man das Pflegegeld an die aktuelle Inflationslage anpassen muss, um zu vermeiden, dass viele, vor allem alte Menschen, in die Armut rutschen. Dieses Problem könnte gelöst werden, indem ein Rechtsanspruch auf Tages-, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege eingeführt werden würde. Dies würde auch vor allem zur Entlastung der pflegenden Angehörigen führen.
Deshalb fordern wir:
Pflegebedürftige und pflegende Angehörige entlasten - Familienpflegegeld und -pflegezeit ausgestalten!
Analyse
Wie soll die vielfach geforderte Ausgestaltung des Familienpflegegeldes und der Familienpflegezeit konkret aussehen? Dazu haben wir Jusos genaue Vorstellungen. Bei der Formulierung unserer Forderungen haben wir uns unter anderem am Bericht des unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf orientiert.
Wie bereits hinreichend festgestellt wurde, wird ein Großteil der Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Mit der Übernahme der häuslichen Pflege eines oder mehrerer Angehöriger darf allerdings nicht einhergehen, dass die pflegenden Angehörigen aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder hohe Einkommenseinbußungen hinnehmen müssen, weil sie aufgrund der Pflege ihre Arbeitszeit verkürzt haben. Dies ist bisher aber oft der Fall. Die Reduzierung der Arbeitszeit ist auch oft notwendig, um den zeitlichen Anforderungen der Pflege gerecht zu werden. Bisher ist es so, dass man mit der Reduzierung der Arbeitszeit nicht nur Lohneinbußen hinnehmen muss, es kann auch schnell passieren, dass man bisherige Anspruchsberechtigungen im Pflegekontext verliert, da die Anspruchsberechtigungen oftmals mit einer Mindestanzahl an Wochenstunden verbunden sind, die erbracht werden müssen.
Bisherige Freistellungs- und Finanzierungsmöglichkeiten reichen außerdem bei weitem nicht aus, um die tatsächliche Arbeit zu honorieren und die anfallenden Kosten, beziehungsweise die Lohnausfälle auszugleichen. Dies hat der unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bereits 2015 festgestellt. Seitdem hat sich jedoch noch nichts geändert. Des Weiteren erhalten die pflegenden Angehörigen bisher nur Anspruch auf Familienpflegezeit und Familienpflegegeld, wenn eine bestimmte Größe des Betriebs erfüllt ist und eine fest definierte familiäre Verbindung zwischen der pflegebedürftigen Person und der pflegenden Person besteht. Diese Muster sind zu eng gedacht und passen keineswegs zu den vielen individuellen Schicksalen und Pflegesituationen. Für alle möglichen Situationen und Konstellationen braucht es ein höchstmögliches Maß an Passgenauigkeit und flexiblen Hilfen. Für uns steht fest, dass die nachfolgenden Forderungen schnellstmöglich und priorisiert umgesetzt werden müssen.
Deshalb fordern wir:
Mehr Anerkennung schaffen: Rentenpunkte für vollzeitbeschäftigte pflegende Angehörige!
Analyse
Wenn wir uns damit beschäftigen, wie berufstätige pflegende Angehörige entlastet werden können, beziehungsweise ihre geleistete Care-Arbeit anerkannt werden kann, dürfen wir einen weiteren essentiellen Punkt nicht vergessen: Die bislang fehlenden Rentenpunkte für vollzeitbeschäftigte pflegende Angehörige.
Was hat es damit auf sich? Für pflegende Angehörige gibt es aktuell die Möglichkeit, Rentenpunkte für ihre Pflegetätigkeit zu erhalten. Hierfür müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, welche im SGB 11 §44 festgehalten sind: Die Gepflegten müssen mindestens für den Pflegegrad 2 eingestuft worden sein. Die Pflege muss darüber hinaus vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) als notwendig festgestellt worden sein. Die zu pflegende Person muss des Weiteren Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung haben. Schließlich ist es auch notwendig, dass die pflegende Person in Deutschland, der Schweiz oder im europäischen Wirtschaftsraum wohnhaft ist. Die geleistete Pflege muss mindestens 10 Stunden in häuslicher Umgebung ausgeübt werden, aufgeteilt auf mindestens zwei Tage in der Woche.
Doch damit nicht genug. Um Anspruch auf Rentenpunkte zu haben, darf die pflegende Person nicht mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten. Genau dieser Punkt ist jedoch eine große Ungerechtigkeit und spiegelt keineswegs die realen Verhältnisse wider. In Deutschland leben fast 5 Millionen anerkannte Pflegebedürftige. Rund 3/4 von ihnen werden zu Hause durch ihre Angehörigen und teilweise durch die zusätzliche Hilfe eines Pflegedienstes gepflegt. Etwa die Hälfte der pflegenden Angehörigen reduziert ihre Arbeitszeit nicht. Daraus resultiert, dass es viele Menschen gibt, die einer Vollzeitbeschäftigung - also 40 Stunden die Woche und mehr - nachgehen und zusätzlich noch ihre Angehörigen pflegen. Dabei werden die geforderten 10 Mindeststunden Pflege, aufgeteilt auf mindestens 2 Tage die Woche, erfüllt und sogar überschritten. Mit dem Unterschied, dass diese Menschen keine Rentenpunkte für ihre Pflegetätigkeit erhalten.
Dabei ist es schon schwer genug, die Pflege und den Vollzeitjob miteinander zu vereinbaren. Nun soll diese kräftezehrende und zeitintensive Arbeit nicht mal durch Rentenpunkte honoriert werden, weil es nicht vorgesehen ist, dass Vollzeitbeschäftigte ihre Angehörigen pflegen? Das empfinden wir als große Ungerechtigkeit. Dieser realitätsfernen Regelung muss schleunigst entgegengewirkt werden. Wir müssen uns wirklich bewusst machen, wie prekär die Gesundheits- und Pflegeversorgung aktuell ist! Viele Menschen haben gar keine andere Möglichkeit, ihre Vollzeitbeschäftigung mit der Pflege ihrer Angehörigen zu vereinbaren. Denn Pflegedienstleistungen und Pflegeplätze sind teuer und schwer zu bekommen. Nicht jede*r kann sich dies ohne weiteres leisten, ohne in eine finanzielle Schieflage zu geraten oder sogar auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen zu sein.
Umso wichtiger ist es, dass eine Gleichstellung aller pflegender Angehörigen so schnell wie möglich erfolgt.
Deshalb fordern wir:
Es braucht mehr Kurzzeitpflegeplätze!
Analyse
Ein Notfall passiert und eine angehörige Person muss kurzzeitig gepflegt werden, beispielsweise aufgrund eines Sturzes oder einer OP. Die Angehörigen können nicht einspringen oder die Pflegebedürftigkeit der Person hat sich so weit erhöht, dass die notwendige Pflege und Arbeit nicht mehr zu schaffen ist. Hier kommt die Kurzzeitpflege zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine überbrückende Pflege, die auch als Notfallpflege gilt, bei der die Patient’*innen vorübergehend vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht und versorgt werden. In dieser Situation kann dann ein Pflegeersatz für Zuhause gesucht oder das Problem anders gelöst werden. Doch vielen in dieser Situation fällt es nicht nur schwer, den Eigenanteil zu übernehmen, es ist auch schwer, überhaupt einen Platz zu finden. Die Zahl der Kurzzeitpflegeplätze in Einrichtungen sinkt seit Jahren kontinuierlich. Es gab einen Rückgang in den Einrichtungen zwischen 2017 und 2021 um 470 Plätze auf insgesamt 1205 Plätze. Obwohl also die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und somit auch die Nachfrage und der Bedarf nach Kurzzeitpflege, sinken die Kurzzeitpflegeplätze.
Deshalb fordern wir:
Pflegekosten in Deutschland gerecht verteilen. Der Eigenanteil braucht einen Deckel!
Analyse
Der Eigenanteil in Pflegeheimen setzt sich aus einem Anteil an den Pflegekosten, den Kosten für Unterbringung und Verpflegung, Investitionskosten in den Pflegeheimen und möglichen Zusatzkosten zusammen. In Deutschland lag der monatliche Eigenanteil im Pflegeheim am 01.01.2022, laut einer Erhebung vom Verbund Pflegehilfe, bei rund 2179 Euro. Im Vergleich zum Eigenanteil im Pflegeheim aus dem Jahr 2018 ist das ein Anstieg um 23 Prozent. Diese extreme Kostensteigerung lässt sich vor allem auf den Personalmangel in den Pflegeberufen, der sich immer weiter zuspitzt, und den Mangel an Plätzen in den Pflegeheimen zurückführen. Selbiges gilt auch für den ambulanten Pflegedienst. Auch hier übernimmt ein Teil der Kosten die Pflegeversicherung, doch auch die Angehörigen müssen Teile der Kosten übernehmen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat dazu geführt, dass ein flächendeckender Platzmangel und lange Wartezeit bei gleichzeitig steigenden Kosten für die zu pflegenden Bewohner*innen und ihre Angehörigen entstanden sind.
Deshalb fordern wir:
Mehr Anerkennung und bessere Bedingungen für Kranken- und Altenpfleger*innen!
Analyse
Es gilt jedoch nicht nur eine entscheidende Verbesserung für die Bewohner*innen in den Pflegeheimen zu erreichen. Auch an der Situation der Pflegekräfte muss sich zweifellos etwas ändern. Sie sind tagtäglich mit unklaren Arbeitszeiten und durch den steigenden Personalmangel mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Gleichzeitig entsprechen die heute in diesem Bereich gezahlten Löhne in vielen Fällen keinen tariflich festgelegten Standards. Die Menschen in den Pflegeberufen werden für ihre Arbeit in vielen Fällen nicht fair bezahlt, wodurch die Schwierigkeiten im Hinblick auf die finanzielle Absicherung im Alter sich noch zusätzlich zuspitzen. Neben einer finanziellen Aufwertung der Pflegeberufe braucht es zusätzliche Anreize, um die Ausbildung in diesem Bereich attraktiver zu gestalten, dem Personalmangel in den Pflegeheimen, der ambulanten Pflege und Krankenhäusern entgegenzuwirken und den Druck auf das schon jetzt in diesem Bereich arbeitende Personal zu verringern.
Deshalb fordern wir: