Die Zeit wird knapp, um das beschlossene 1,5-Grad-Ziel aus dem Übereinkommen von
Paris der UN-Klimakonferenz aus dem Jahr 2015 noch einzuhalten. Klimaforscher*innen
mahnen nunmehr seit Jahrzehnten die verheerenden Folgen des Klimawandels und der
damit einhergehenden Erderwärmung an. Um zum Beispiel den bedrohlichen
Meeresspiegelanstieg durch die Eisschmelze oder vermehrte Extremwetterereignisse wie
heftige Regenfälle sowie Dürren und Waldbrände zu minimieren, muss jenes 1,5-Grad-
Ziel erreicht werden. Die in der letzten Zeit eingetretenen Extremwetterereignisse
wie die Flutkatastrophe im Ahrtal, die Dürre und Waldbrände in Europa oder die
Überschwemmungen in Pakistan zeigen die realen Auswirkungen des Klimawandels. Und
dennoch werden beschlossene Klimaziele in einzelnen Sektoren Jahr für Jahr nicht
eingehalten. Ebenso wird der Kurs zum Erreichen der Klimaneutralität nur unzureichend
nachgebessert, sodass das Ziel der Bundesregierung, im Jahre 2045 klimaneutral zu
sein, immer unwahrscheinlicher wird.
Bei der notwendigen globalen Perspektive geht der Weltklimarat (IPCC) in seinem
aktuellen Klimabericht mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent davon aus, dass
die kritische Marke der Erderwärmung von 1,5 Grad bereits im Jahr 2026 überschritten
wird. Nach Berechnungen des IPCC ist theoretisch eine Erderwärmung bis zum Ende des
Jahrhunderts von 1,4 bis 4,4 Grad Celsius möglich. Für wahrscheinlich halten die
Wissenschaftler*innen eine Erhitzung mit dramatischen Auswirkungen von 3,2 Grad bis
zum Jahr 2100, da die Treibhausgasemissionen zwar langsamer, aber immer noch zu-
statt abnehmen.
Um das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen, müssen wir die Emissionen
schnellstmöglich auf eine Netto-Null senken. Dabei steht der globale Norden, der
durch sein emissionsintensives System vornehmlich zum anthropogenen Klimawandel
beiträgt, in besonderer Handlungsverantwortung. Die Klimaneutralität wollen wir mit
einem strikten 1,5-Grad-Pfad erreichen und setzen dabei auf die Einhaltung des uns
noch zur Verfügung stehenden, schwindenden Emissionsbudgets. Ein wichtiger Bereich
zur Dekarbonisierung im Rahmen der sozial-ökologischen Transformation ist dabei der
Energiesektor, der global und auch in Deutschland für jeweils über ein Drittel der
verursachten Gesamtemissionen verantwortlich ist. Der Energiesektor und - markt steht
aktuell doch nicht nur im Rahmen der Dekarbonisierung im Fokus, sondern in besonderer
Hinsicht auch wegen der hohen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern seit dem 24.
Februar 2022, dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.
Deutschland ist sowohl in der Strom- als auch in der Energieversorgung nach wie vor
stark abhängig von atomar-fossilen Energien und insbesondere von fossilen
Energieträgern. Im Jahr 2021 wurde Strom nämlich fast 41% aus fossilen Energieträgern
und über 13% aus Kernenergie erzeugt. Der Anteil von erneuerbaren Energien betrug
entsprechend nur knapp 46%. Eine noch größere Abhängigkeit von den fossilen
Energieträgern Kohle, Gas und Öl zeigt sich im gesamten Energiemix mit einem Anteil
in Höhe von über 73%. Erneuerbare Energien decken am Energieverbrauch nur einen
kleinen Anteil von rund 21%. Der Weg zu einem klimaneutralen Stromsystem und zu einer
klimaneutralen Energieversorgung in weiteren Sektoren wie der Industrie oder im
Gebäude- und Verkehrssektor ist somit noch weit. Trotz des beschlossenen Klimaziels
und dem angehobenen 80%-Ziel erneuerbarer Energien bei der Stromversorgung bis zum
Jahr 2030, stockt der Ausbau regenerativer Energien in den letzten Jahren erheblich,
vor allem der Ausbau von Windenergieanlagen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien
rückt durch die enorme Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern noch
stärker in den Fokus. Deshalb müssen bürokratische Hürden und weiter bestehende
Hemmnisse endlich beseitigt werden und der Ausbauturbo für erneuerbare Energien
gezündet werden, damit eine resiliente Energieversorgung aus Erneuerbaren
sichergestellt werden kann.
In diesem Antrag fokussieren wir uns auf den Beitrag, den der Energiesektor leisten
muss, um das Ziel der Klimaneutralita t zu erreichen und welche Maßnahmen kurz- bis
langfrisitg ergriffen werden müssen, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern
aus Russland zu beenden und den aktuellen Verwerfungen auf den Energiemärkten stand
zu halten.
Aus Fehlern lernen: Russlands “Energiekrieg” gegen Europa muss in einer
Energiesouveränität münden!
Deutschland ist in seiner Energieversorgung erheblich von den fossilen Energieträgern
Kohle (12%), Öl (35%) und Gas (23%) abhängig. Die Abhängigkeit besteht dabei nicht
nur in der Tatsache der Verwendung der klimaschädlichen Rohstoffe, sondern auch in
ihrem Ursprung, da Deutschland u.a. aufgrund des Ressourcenmangels Energieimportland
ist und bei der Primärenergiegewinnung stark von Energieimporten abhängig ist. So
beträgt die Importquote im aktuellen fossil-atomaren Energiesystem zwischen 94% beim
Erdgas, über 98% beim Erdöl, bis 100% bei Steinkohle und Uran. Das muss, insbesondere
bei einer großen Diversifikation der Herkunftsländer, von welchen die Energie bezogen
wird, nicht zwangsläufig problematisch sein. Es ist jedoch ein Problem, wenn man sich
energiepolitisch über Jahre hinweg nicht nur in der Beschaffung, sondern auch bei der
Infrastruktur abhängig von einem autokratischen System macht. Es ist jedoch ein
Problem, wenn man sich energiepolitisch durch den (richtigerweise) beschlossenen
Atom- und Kohleausstieg von dem Energieträger Gas abhängig macht, welcher im
vergangenen Jahr zu 55% aus Russland kommt. Weiterhin kommen zusätzlich rund 50% der
importierten Steinkohle sowie ca. 35% des Erdöls aus Russland.
Die Kohle- und Ölimporte aus Russland lassen sich vergleichsweise simpel, wenn auch
bei knapper Verfügbarkeit, auf dem Weltmarkt ersetzen. Auch deshalb beschloss die
Europäische Union im Rahmen ihrer umfassenden Sanktionspakete ein vollständiges
Kohle- und überwiegendes Öl-Embargo. Aufgrund des überwiegend leitungsgebundenen
Transports und des Fehlens von entsprechenden Terminals ist die Substitution von
Erdgas jedoch schwieriger. Durch den Lieferstopp über die Jamal-Pipeline und die
erheblichen Drosselungen und (teilweisen) Lieferstopps über die Transgas-Pipeline und
Nord Stream 1, welche mit fadenscheinigen technischen Vorwänden begründet werden, ist
die deutsche und europäische Gasversorgung angespannt. Forderungen, dass stattdessen
die Ostseepipeline Nord Stream 2 in Betrieb genommen werden soll, sind hingegen
absurd, weil die russischen Gaslieferungen nach der Willkür des Kremls ausbleiben und
beispielsweise nicht umgeleitet werden. Um in diesem und nächsten Winter eine
Gasmangellage zu verhindern, welche je nach Ausmaß fatale Schäden für die
Volkswirtschaft, den sozialen Zusammenhalt und die Menschen verursachen könnte, muss
auf der einen Seite womöglich das Gas durch andere Energieträger substituiert und auf
der anderen Seite der Erdgasverbrauch gesenkt werden. Erdgas wird zu 50% in der
Wärmeversorgung (Heizen), zu 35% in der Industrie und zu 15% zur Stromerzeugung
genutzt. Da das Gas in der Wärmeversorgung und in industriellen Prozessen kaum
kurzfristig substituierbar ist, muss es das Ziel sein, Gas in der Verstromung zu
ersetzen. Das könnte in der aktuellen Situation grundsätzlich mit einer verstärkten
Kohleverstromung oder perspektivisch auch mit einer Verlängerung der drei letzten am
Netz verbliebenen Kernkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 geschehen. Der
allgemeine Konsens von Energieexpert*innen ist, ass es vorübergehend unumgänglich
ist, in einem klar definierten, befristeten Rahmen Kohlekraftwerke (auch aus der
Reserve) zu betreiben, um die Versorgungssicherheit ohne russisches Gas zu
gewährleisten. Eine mengenmäßig und zeitlich begrenze Bereitstellung von zusätzlichen
Kohlereserve-Kapazitäten bei akuter Gasknappheit bis höchstens Frühjahr 2024 ist
allerdings nur akzeptierbar, wenn die CO2-Mehremissionen, die aktuell auf etwa 40
Millionen Tonnen zusätzliches Kohlendioxid pro Jahr geschätzt werden, durch spätere
Maßnahmen (einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und Effizienzmaßnahmen)
wieder eingespart werden und konsequent an einem Kohleausstieg bis 2030 festgehalten
wird. Die besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke sollen auf keinen Fall
weiter betrieben werden dürfen, da sie bei erheblichen Mehremissionen nur einen
marginalen Einfluss auf den Ersatz der Gaserzeugung in Deutschland haben und die
Kapazitäten der Steinkohlekraftwerke von bis zu 10 Gigawatt im Notfall mehr als genug
sind. In diesem Zusammenhang verurteilen wir auch die Räumung des rheinischen Dorfes
Lützeraths. Zusätzlich lehnen wir sowohl den Streckbetrieb als auch eine reguläre
Laufzeitverlängerung der drei letzten deutschen Kernreaktoren ab. Der mühsam
errungene deutsche Atomkonsens ist für uns nicht verhandelbar!
Better safe than sorry: Der Atomausstieg ist nicht verhandelbar!
Die Entscheidung des Bundeskanzlers und der Ampel-Regierung, die drei deutschen
Atommeiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis 15. April 2023 weiterlaufen zu
lassen, darf keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass diese aufgrund ihrer
dreißigjährigen Betriebsdauer weiterhin ein unberechenbares Risiko darstellen. Seit
dem Ausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2011 wurde den Betreibern mit Hinblick auf die
klar definierte Restlaufzeit zugestanden, auf Nachrüstungen und Reparaturen zu
verzichten. Darüber hinaus wurde auch auf die im Normalfall jede zehn Jahre
anfallende periodische Sicherheitsprüfung der Kernkraftwerke verzichtet, welche
mittlerweile seit über drei Jahren überfällig ist. Ein “schnelles Nachholen” dieser
Sicherheitsprüfung ist wegen des zum Teil mehrjährigen Umfangs nicht möglich, weshalb
auch diese Laufzeitverlängerung aus sicherheitstechnischen Erwägungen als kritisch
anzusehen ist. Zu alldem kommt erschwerend hinzu, dass der zu erwartende Effekt der
beschlossenen Verlängerung der Kernkraftwerke als äußerst gering bis nichtig
einzustufen ist. Je nach Ausgestaltung wird mit dieser Maßnahme keine Kilowattstunde
Strom mehr erzeugt, sodass es sich um ein riskantes Nullsummenspiel handelt. Es ist
somit unumgänglich, dass es sich bei der Laufzeitverlängerung durch den Streckbetrieb
für die drei AKWs um eine rein temporäre Maßnahme handelt, die wir grundsätzlich für
nicht zielführend halten. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass in Verbindung mit
dem Erlass zur verlängerten Nutzung der Kernkraftwerke angekündigte “ambitionierte
Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz”, sowie den Zubau neuer,
wasserstoffartiger Gaskraftwerke. Der verordnete Streckbetrieb bis April 2023 darf
dabei keinesfalls das Einfallstor für eine weitere mehrja hrige
Laufzeitverlängerung sein, für die neue Brennelemente beschafft werden mussten. Dem
Argument ‘Kernkraftwerke würden zur kurz-/mittelfristigen Versorgungssicherheit
beitragen’ erteilen wir eine entschiedene Absage - u.a. auch deshalb, weil bei der
Neubeschaffung von Brennstäben mit einer Lieferzeit von 12 bis 15 Monaten gerechnet
werden muss. Der finale Atomausstieg muss deshalb, wie angekündigt, spätestens am 15.
April 2023 erfolgen. Denn Atomkraft ist keine krisenfeste Zukunftstechnologie! Jeder
weiteren Diskussion über verlängerte Laufzeiten, egal ob im Streck- oder
Reservebetrieb, erteilen wir eine entschiedene Absage. Nicht nur bei
Klimakatastrophen, sondern auch bei anhaltenden klimatischen Veränderungen wie Hitze
und daraus resultierenden überheizten Flüssen mit niedrigen Pegelständen, liefern
Atomkraftwerke nicht zuverlässig Energie. Infolgedessen mussten beispielsweise einige
französische Atommeiler vom Netz genommen werden und verbrauchen Strom, anstatt ihn
zu produzieren. Darüber hinaus können die drei letzten deutschen Kernkraftwerke die
Energiekrise nicht lösen. Ein sog. Streckbetrieb bei reduzierter Leistung bis zum
Sommer bringt in der aktuellen Situation je nach Ausgestaltung wenig bis nichts,
außer ein höheres Sicherheitsrisiko, da unterm Strich keine Kilowattstunde Strom mehr
erzeugt wird - ein Nullsummenspiel. Der Streckbetrieb könnte das Einfallstor für eine
weitere mehrjährige Laufzeitverlängerung sein, wofür neue Brennelemente beschafft
werden müssten. Den Reservebetrieb aus dem Haus des Bundeswirtschaftsministeriums
lehnen wir unter den gleichen Gesichtspunkten wie den Streckbetrieb und den
zusätzlichen Problemen wie der signifikant hohen Kosten der Bereitstellung sowie den
technischen Schwierigkeiten des Ab- und Einschaltens ausdrücklich ab. Atomkraftwerke
für eine Reserve ungeeignet sind. Ein weiterer negativer Aspekt ist, dass in der EU
kein Uran abgebaut wird - Uran muss somit als Energieträger importiert werden.
Hierbei kommen 20% des Natururans und zusätzlich 26% des bereits angereicherten Urans
ebenfalls aus Russland sowie weitere 20% des Natururans aus Kasachstan. Folglich kann
hier ebenfalls nur schwer eine Energieunabhängigkeit erreicht werden. Weitere
Uranminen wie in Niger, Kanada und Australien befinden sich teilweise in Gebieten,
die von indigenen Völkern bewohnt werden. Mit dem weiteren Uranabbau wird die
Lebensgrundlage der indigenen Völker zunehmend zerstört. Die Vielzahl der
geschilderten kritischen Punkte verdeutlicht, dass die Laufzeitverlängerung der drei
deutschen Atomkraftwerke keinesfalls den 16. April 2023 überschreiten darf. Die
Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie.
Es ist verantwortungslos über eine hochkomplexe Risikotechnologie so salopp zu
diskutieren, ohne dass eine annähernd “sichere” Atommüllendlagerung gewährleistet
wird, welche im Übrigen durch den Bundeshaushalt finanziert wird. Für uns steht fest:
Kein Ausstieg vom Ausstieg!
Die Zukunft gehört den Erneuerbaren: Kein Fracking zulassen und Infrastruktur
nachhaltig denken!
Bei der aktuellen Ersatzbeschaffung von Erdgas muss dringend darauf geachtet werden,
dass keine neuen Abhängigkeiten, insbesondere zu autokratischen Staaten entstehen.
Die Zusammenarbeit mit autokratischen Regimen lehnen wir grundsätzlich ab. Wir Jusos
erkennen an, dass in der aktuellen Lage eine schnelle Unabhängigkeit von Russlands
Energieträgern bei gleichzeitiger Sicherstellung der Energieversorgung in Deutschland
und ganz Europa die Bundesregierung vor eine große Herausforderung stellt. Dennoch
steht für uns fest, dass Energie-Deals mit Staaten wie Katar oder Saudi-Arabien keine
Lösung für die Energieversorgung in Deutschland und Europa darstellen. Solange jedoch
solche Staaten Handelspartner der Bundesrepublik sind, muss diese Zusammenarbeit auf
der Grundlage strenger Regularien stattfinden und immer vor dem Hintergrund,
schnellstmöglich wieder beendet zu werden. In diesem Zusammenhang ist zudem deutlich
zu betonen, dass wir Jusos Erdgas als Brückentechnologie für die Energieversorgung
ablehnen.
Stattdessen muss in der Beschaffung ebenfalls mit kurzfristigem Blick durch den
Aufbau der (Floating-)LNG-Infrastruktur Flüssigerdgas in deutschen Häfen in das
Pipeline-Netz und in Speicher eingespeist werden. Ähnlich wie bei der Verwendung von
Kohle ist die Nutzung von Flüssigerdgas wegen der extrem negativen Auswirkung von
Klima und Umwelt in der Gewinnung und Verwendung nur in der aktuellen
Ausnahmesituation hinnehmbar. Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruktur
technologisch bereit ist für den Import von (grünem) Wasserstoff für die Nutzung in
schwer dekarbonisierbaren Sektoren. Alle anderen Sektoren sollen weitreichend,
schnell und direkt durch bestehende Technologien elektrifiziert werden, die pauschale
Verbrennung von grünem Wasserstoff zur Stromerzeugung und Einspeisung in das
allgemeine Gasleitungsnetz lehnen wir ab.
Zusätzlich steht für uns das Verbot von kommerziellen Fracking-Vorhaben nicht zur
Debatte. Eine zukunftsfähige sozial-ökologische Transformation des Energiesektors
baut auf erneuerbaren Technologien auf. Das fossil-atomare Energiesystem muss endlich
überwunden werden! Für echten Klimaschutz müssen wir sowohl aus der Kohlenutzung als
auch aus der Erdgasnutzung raus
Neben der Erdgas-Substitution ist die Verbrauchsreduktion zur Verhinderung eines
Gasmangels notwendig. Expert*innen gehen davon aus, dass sich der Verbrauch um 20-25
Prozent vermindern muss, damit Mangellagen verhindert werden können - im 1. Halbjahr
2022 wurden über 14% eingespart. Auf europäischer Ebene sind die Mitgliedsländer (mit
einigen Ausnahmen) zusätzlich dazu aufgerufen, den Gasverbrauch um 15% zwischen
August 2022 und März 2023 zu reduzieren. Entsprechend sind neben den Einsparungen in
der Verstromung auch Verbrauchsreduktionen in der Wärmeversorgung und der Industrie
notwendig. Durch die enorm gestiegenen Preise, welche zum Teil schon durch Erhöhungen
der Abschlagszahlungen weitergegeben wurden, achten Konsument*innen genau auf ihren
Verbrauch und versuchen ihn weitmöglichst zurückzufahren. Die hohen Strom- und
Energiepreise belasten ebenfalls die Industrieunternehmen, welche ebenfalls
versuchen, den Verbrauch zu optimieren, um weiterhin eine wirtschaftliche Produktion
aufrechterhalten zu können. Deshalb lehnen wir gesonderte staatliche Anreize zur
industriellen Gaseinsparung (wie z.B. via Auktionen) für Konzerne ab, da
Gaseinsparungen aufgrund der hohen Energiekosten im Eigeninteresse der Unternehmen
liegen und keine gesonderten Subventionen erforderlich macht. Wir befürworten in
diesem Zusammenhang jedoch staatliche Anreize, die Unternehmen und Betriebe beim
Umstieg ihres Energieträgers unterstützen.
Entlastung statt Belastung: Energiepreisdeckel statt unsozialer Gasumlage
Die historische Energiekrise bringt ebenfalls historische Strom- und Energiepreise in
Europa hervor, welche nicht nur die Verbraucher*innen und gewerbliche Abnehmer*innen
unter Druck setzt, sondern die gesamte Wertschöpfungskette der Energieversorgung vom
Energieimporteur bis zum kommunalen Stadtwerk. Das liegt im Kern daran, dass teure
Ersatzbeschaffungen zum Spot-Preis getätigt werden müssen, da die vereinbarten
Gaslieferungen von russischer Seite nicht eingehalten werden. Das oberste Ziel in der
aktuellen Situation muss sein, dass die Energieversorgung kurz- und mittelfristig
aufrechterhalten werden kann und dass Kaskadeneffekte entlang der gesamten
Versorgungskette verhindert werden. Da Energieimporteure in der Kette meist viele
Stadtwerke versorgen, ist es sinnvoll, das Energieversorgungssystem möglichst früh zu
stützen. Die Gasumlage, wie sie vom Bundeswirtschaftsministerium vor der
Gaspreisbremse vorgestellt wurde, wäre unter dem neoliberalen Mantra “Gewinne
privatisieren und Verluste sozialisieren” gelaufen und ist in aller Konsequenz als
unsoziale Maßnahme abzulehnen, denn es ist in der aktuellen Energiekrise nicht die
Aufgabe von Verbraucher*innen in die Krise gekommene Unternehmen zu retten, sondern
die des Staates. Somit wären gesellschaftsrechtliche Beteiligungen des Staates zur
Stützung von Energieunternehmen und der gesamten Energieversorgung eindeutig zu
bevorzugen. Zusätzlich hätten nach dem Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministeriums
nicht nur Unternehmen, die wirklich in Not sind und Verluste in Milliarden machen,
sondern auch diejenigen profitiert, die weiterhin Gewinne machen und mit der
Gasumlage sogar noch steigern könnten. Folglich begrüßen wir, dass die Gaspreisbremse
letztlich die Gasumlage ablöst. Anstatt die Konsument*innen angesichts der hohen
Gaspreise und den Preiserhöhungen mit einer zusätzlichen Umlage zu belasten, müssen
Verbraucher*innen vor den hohen Preisen geschützt werden. Die Strom- und
Energieversorgung ist kein Luxusgut, sondern als fester Bestandteil der
Daseinsvorsorge ein Grundbedürfnis.
Adäquate Maßnahmen sind hierfür Energiepreisdeckel für den Grundbedarf entsprechend
der Haushaltsgröße (Personenanzahl der im Haushalt lebenden Personen und Fläche des
Haushalts) sowie der Energieeffizienz des entsprechenden Haushalts für Strom und Gas.
Während allerdings bei der Strompreisbremse noch sehr viel unklar und dringend einer
Konkretisierung bedarf, sind die bisherigen Eckpunkte einer Gaspreisbremse aus
jungsozialistischer Perspektive noch nicht zufriedenstellend. Die durch den Staat
vergünstigten 80% des Vorjahresbedarfs sorgen für eine stärkere Entlastung reicherer
Haushalte, da diese in der Regel auch einen höheren Verbrauch aufweisen. Daher
braucht es zwingend eine absolute Obergrenze des vergünstigten Grundbedarfes. Auch
weitere Direktzahlungen für Personen mit geringem Einkommen können einen zusätzlichen
Ausgleich darstellen. Für die noch zu konkretisierende Strompreisbremse müssen diese
Punkte von Beginn an beachtet werden. So oder so muss jedoch im Rahmen eines
Zahlungsmoratoriums sichergestellt werden, dass privaten Haushalten weder gekündigt
noch die Versorgung versagt werden darf. Ergänzend zu den Maßnahmen für die
Verbraucher*innen und am Anfang der Wertschöpfungskette bei den Energieimporteuren,
müssen auch die kommunalen Stadtwerke geschützt werden, denn je nach vorheriger
strategischer Ausrichtung sind auch die kommunalen Stadtwerke unter Druck und
schreiben rote Zahlen. Da die Stadtwerke häufig kommunale Anteilseigner haben oder
gar als Eigenbetrieb einer Kommune fungieren, belasten diese roten Zahlen
zwangsläufig auch die dahinterstehenden Kommunen und die kommunalen Haushalte.
Infolgedessen braucht es Hilfen für die kommunalen Stadtwerke in Form von Krediten
und Bürgschaften sowie ein Insolvenzmoratorium - ein Schutzschirm für Stadtwerke,
wofür die finanziellen Mittel auf Bundesebene bereitgestellt werden müssen. Im
Grundsatz steht für uns fest, dass die Energieversorgung und die entsprechende
Infrastruktur wie beispielsweise Stromnetze und Gasnetze samt Speicher als Teil der
Daseinsvorsorge vollständig in staatliche Hand gehören.
Lösen wir endlich die Fesseln! Turbo für Erneuerbare und ein klimaneutrales
Stromsystem!
Absolute Priorität hat fortan die Schaffung eines resilienten und flexiblen
klimaneutralen Strom- und Energiesystem. Durch die Sektorenkopplung, also die
zunehmende direkte und indirekte Elektrifizierung von industriellen Prozessen, der
Mobilität und der Wärmeversorgung, wird der Strombedarf in den nächsten Jahren
erheblich (auf bis zu 750 TWh) steigen. Folglich müssen nun kurzfristig die richtigen
Maßnahmen eingeleitet werden, um den sich erhöhenden Strombedarf mit regenerativer
Energie abzudecken - es braucht endlich den Turbo für den Ausbau der erneuerbaren
Energien, der Netze sowie Energiespeicher. Die sog. Fortschrittskoalition muss alle
verbliebenen bürokratischen Hürden und Hemmnisse, welche die Union in ihrer
sechzehnjährigen Regierung etabliert hat, beseitigen. Die regulatorischen Fesseln der
Wind- und Solarenergie müssen endlich beseitigt werden, damit wir unabhängig von
fossiler und unabhängig von russischer Energie werden und damit wir die Sekorenziele
der Energiewirtschaft und die Klimaziele insgesamt erreichen können. Es bedarf
schleunigst enormer politischer Anstrengungen im Bereich der Planungsbeschleunigung,
um gesetzliche Hürden zum Ausbau erneuerbarer Energien abzubauen und den
Ausbauprozess zügig voran zu treiben.
Mehr Wind of change zwischen den Rotorblättern: Schluss mit pauschalen
Abstandsregelungen und her mit vereinfachten und schnelleren Planungs- und
Genehmigungsverfahren
Die Windenergie an Land in Deutschland ist ein wichtiger Pfeiler in der
Stromerzeugung. Mittlerweile produzieren die rund 28.300 Onshore-Windenergieanlagen
mit einer installierten Leistung von über 57 GW fast 113 TWh Strom, was ungefähr 23%
am deutschen Strommix ausmacht. Trotz der hohen Erfordernis zur Erreichung der Klima-
und Ausbauziele, stockt der Ausbau der Windenergie massiv. Während in den guten
Windausbaujahren bis 2017 nahezu bis zu 1.800 Windenergieanlagen jährlich errichten
worden sind, wurden 2021 keine 500 Anlagen in Betrieb genommen und auch die
Genehmigungen für Windenergieanlagen an Land sind stark rückläufig. Die Ausbaudelle
ist vor allem auf die politischen Fehlentscheidungen der Unions geführten
Bundesregierung zurückzuführen, welche den Ausbau durch Maßnahmen wie die 2017
eingeführte Ausschreibungspflicht ausgebremst hat. Darüber hinaus verhindern auf
Landesebene pauschale und überzogene Abstandsregelungen zur Wohnbebauung den Ausbau der Windenergie weiter und reduzieren in Kombination mit einer restriktiven
Regionalplanung sowie einer pauschalen Priorisierung anderer Belange (z.B. Radare)
die Flächenkulisse. Ein weiteres Problem ist, dass nach wie vor die komplexen
Genehmigungsverfahren auch wegen Personalmangels in den Behörden durchschnittlich
vier bis fünf Jahre dauern. Zusätzlich existiert auch wegen der mäßigen lokalen
Akzeptanz eine hohe Klagebereitschaft gegen den Bau von Windenergieanlagen.
Klagegründe stammen hierbei häufig aus dem Bereich des Artenschutzes (Gefährdung
geschützter Vogel- bzw. Fledermausarten sowie allgemeine Artenschutzaspekte), aber
auch Form- und Verfahrensfehler, Lärmschutz sowie Flächenzugriffe werden als weitere
Gründe angeführt. Die von der Ampel-Koalition beschlossene EEG-Novelle sieht zur
Erreichung des 80%-Ziels an erneuerbaren Energien bis 2030 deutlich erhöhte
Ausbauziele für die Windenergie an Land vor. So sollen im Jahr 2023 insgesamt 12,8 GW
und in den Folgejahren jeweils 10 GW ausgeschrieben werden. In Hinblick auf den Zubau
der Jahre 2019 bis 2021, welcher jeweils nur zwischen 1,1 und 1,9 GW lag, sind die
Ausbauziele im aktuellen regulatorischen Rahmen unrealistisch. Zwar gab es schon
Verbesserungen im Rahmen des “Osterpakets” wie die verpflichtende Flächenausweisung
für Windenergienutzung bis Ende 2032, die pauschalen Landes-Abstandsregelungen wie in
Bayern (10H-Regel) werden jedoch nicht sofort abgeschafft. Auch wurde im
Bundesnaturschutzgesetz geregelt, dass der “Betrieb von Windenergieanlagen im
u berragenden o ffentlichen Interesse liegt und der o ffentlichen Sicherheit dient“.
Dennoch sind die Vorgaben im Natur- und Artenschutz immer noch unklar und offen,
sodass Rechtsstreitigkeiten weiterhin die Umsetzung von Projekten erschweren. Zur
realistischen Möglichkeit, die Ausbauziele zu erreichen, wollen wir die Hürden für
den Windenergieausbau abbauen und fordern die sofortige Abschaffung von Landes-
Abstandsregelungen und die verpflichtende Ausweisung von mindestens 2% der
Landesfläche für den Betrieb von Windenergieanlagen bis spätestens 2030, wobei auch
attraktive windhöffige Flächen ausgewiesen werden sollen. Für Stadtstaaten sollen
diesbezüglich Ausgleichsmechanismen geschaffen werden. Mit der schnellen Verankerung
des Ziels in Landes- und Regionalraumordnungsprogrammen können ausreichende Flächen
für eine klimaneutrale und versorgungssichere Stromversorgung erreicht werden.
Darüber hinaus müssen die pauschalen Priorisierungen anderer Belange endlich durch
angemessene Einzelfallabwägungen gekippt werden. Zur Beschleunigung der Planungs- und
Genehmigungsprozesse braucht es auf der einen Seite klare und bundesweit einheitliche
gesetzliche Prüfkriterien im Naturschutzrecht und auf der anderen Seite genügend
personelle Ressourcen in den Genehmigungsbehörden, um ein schnelles und
rechtssicheres Verfahren endlich zu ermöglichen. Hierbei müssen die ausreichenden
personellen Ressourcen unbedingt durch Weiterbildungsprogramme sichergestellt werden.
Wir sind der Auffassung, dass der Genehmigungsprozess keine sechs Jahre oder gar noch
länger dauern darf, sondern maximal sechs Monate! Wegen der mäßigen Akzeptanz von
Windenergieanlagen muss diese durch geeignete Maßnahmen gesteigert werden, sodass
auch juristische Auseinandersetzungen gegen den Bau von Windparks vermieden werden
können. Akzeptanz und Vertrauen können in den Projekten durch eine frühzeitige
Bürger*innenbeteiligung erreicht werden. Doch nicht nur durch eine proaktive und
vorausschauende Einbindung in ersten Planungsschritten, wo auch noch ein gewisser
Mitbestimmungsspielraum besteht, sondern vor allem durch eine verpflichtende
finanzielle Beteiligung der jeweiligen Standortkommune, kann ein gutes Commitment in
der Bevölkerung erreicht werden, sodass Bürger*innen, Kommunalpolitik und Verwaltung
Motivation haben den Ausbau lokal voranzubringen.
Let the sun shine: Solar-Booster durch Solardachpflicht für Neubauten und
Wiederaufbau einer europäischen Solarindustrie
Doch nicht nur die Stromerzeugung durch Windenergie, sondern auch durch Solarenergie
sind eine tragende Säule in Richtung klimaneutrales Stromsystem. Die aktuell fast 63
GW an installierter Leistung sorgen dafür, dass 2021 über 48 TWh ins Netz eingespeist
worden sind und Photovoltaikanlagen mit einem Anteil von 10% am deutschen Strommix
der zweitgrößte erneuerbare Energieträger sind. Nachdem die deutsche Solarindustrie
und der PV-Ausbau durch die schwarz-gelbe Bundesregierung u.a. durch die EEG-Novelle
2012 und der darin enthaltenen Strompreisbremse gegen die Wand gefahren wurde, haben
sich die Ausbauzahlen in den vergangenen Jahren wieder erholt. So konnte sich der
Ausbau von der Ausbaudelle (z.B. 2014 mit 1,2 GW Zubau) erholen und wird jährlich
mehr. Im Jahr 2021 konnten PV-Anlagen mit einer Leistung von 5,6 GW zugebaut werden
und für das Jahr 2022 wird mit einem Zubau von 7 GW gerechnet. Auch die neue
Bundesregierung erkennt die hohe Bedeutung der Solarenergie an und hat im Rahmen der
EEG-Novelle 2023 deutliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen zum Ausbau von PV-
Anlagen und höhere Ausschreibungsvolumen in Höhe von 9 GW im Jahr 2023 und danach
jährlich von 11 GW beschlossen. Angesichts der Verbesserungen durch das “Osterpaket”
sind die Ziele durchaus realistisch, da regulatorische Fesseln wie der sog. atmende
Deckel gelöst und verbesserte Rahmenbedingungen wie höhere Vergütungssätze bei Voll-
und Teileinspeisern, ein einfacherer Netzanschluss und eine erweiterte Flächenkulisse
bei PV-Freiflächenanlagen implementiert wurden.
Dennoch gibt es weiteres Potenzial einen Solar-Booster zu entfachen! Auch wenn die
Situation beim PV-Ausbau besser ist als beim Ausbau der Windenergie, müssen gute
Voraussetzungen dafür geschaffen werden, eine ausreichend hohe Flächenverfügbarkeit
zu gewährleisten. Neben einem denkbaren gesetzlichen Flächenziel zur Ausweisung von
Flächen für PV-Anlagen ist vor allem die umfassende Erschließung geeigneter
Gebäudedächer sinnvoll. Aktuell liegt das PV-Potenzial auf Hausdächern bei fast 90%
Da der erzeugte Strom aus Photovoltaik-Anlagen mit Strom aus Windenergieanlagen an
Land am günstigsten ist, ist der Ausbau nicht nur aus Klimaschutz- sondern auch aus
wirtschaftlichen Gründen günstig für die Hausbesitzer*innen und Mieter*innen. Der
Ausbau von Aufdachanlagen muss durch stabile Anreize, wie die Erhöhung der
Einspeisevergütung, und durch eine ergänzende Solardachpflicht für Neubauten und
Bestandssanierungen beschleunigt werden. Weitere von der Ampel-Regierung angedachte
Verbesserungen, welche im Entschließungsantrag des “Osterpakets” mit beschlossen
worden sind, wie die steuerliche Vereinfachung von privaten PV-Aufdachanlagen mit
einer Leistung bis 30 kWp, Erleichterungen im Anmeldeverfahren und Netzanschlüsse von
Balkon-PV-Anlagen, müssen schnellstmöglich geregelt werden. So muss endlich bei den
Balkon-PV-Anlagen der Anschluss in Eigenregie ohne Erfordernis der Wieland-
Einspeisesteckdose ermöglicht und die Meldepflicht aufgehoben werden. Ebenfalls
wurde in der Absichtserklärung beschlossen, dass man Erleichterungen beim
Eigenstromverbrauch ermöglichen möchte. Insbesondere Letzteres muss in der aktuellen
Energiekrise schnellstmöglich und mit absoluter Priorität umgesetzt werden. Denn
momentan ist die Rechtslage so, dass Stromzähler nicht rückwärts laufen dürfen. Das
führt dazu, dass PV-Anlagen-Besitzer*innen den günstig erzeugten Strom der
Aufdachanlage ohne Stromspeicher nur für den in dem Moment im Haus anfallenden
Stromverbrauch nutzen können. Der überschüssige Strom wird in das Netz eingespeist,
wofür es meist eine feste Vergütung je Kilowattstunde gibt. Auf der anderen Seite
muss man aktuell exorbitant teuren Strom über den Stromtarif beziehen, wenn die PV-
Anlage beispielsweise wegen der Witterung keinen Strom erzeugt. Deshalb fordern wir,
dass sowohl für Balkon-PV-Anlagen als auch für (kleinere) private PV-Dachanlagen der
Stromzähler rückwärts laufen darf und der überschüssige von der PV-Anlage
eingespeiste Strom direkt mit dem aus dem Netz bezogenen Strom verrechnet wird.
Dieses Verfahren wird beispielsweise in den Niederlanden erfolgreich umgesetzt und
schafft bei den hohen Strompreisen einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz für
eine private PV-Anlage und lässt die Bürger*innen und nicht die Energiekonzerne
profitieren!
Neben den PV-Dachanlagen müssen auch Freiflächenanlagen und PV-Anlagen, welche eine
positive Mehrfachnutzung von Flächen ermöglicht, wie Agri-PV, Floating-PV oder
Fassaden-PV schnellstmöglich angemessen in den regulativen Vorgaben wie der
Raumordnung oder im Baurecht berücksichtigt werden. So ist u.a. die generelle
Freigabe für PV-Freiflächenanlagen sog. benachteiligter Gebiete (wie ertragsarme
landwirtschaftliche Flächen) weiterhin unter Vorbehalt von Landesverordnungen falsch.
Wegen zunehmender Flächenkonkurrenzen müssen neue Technologien, wo bislang nur
Pilotanlagen existieren, wie die Agri-PV als Symbiose zwischen Landwirtschaft und
Energieerzeugung gefördert werden. Fehlende Vergütungsregelungen (außerhalb von
Innovationsausschreibungen), die Gefahr des Wegfalls der Agrarförderung, die fehlende
baurechtliche Privilegierung und genehmigungsrechtliche Unsicherheiten in den
Behörden erschweren ein Wachstum in diesem Segment. Wir fordern deshalb, dass
umgehend ein unterstützendes regulatorisches Umfeld für PV-Technologien, welches
effektiv Flächen mehrfach nutzbar macht, geschaffen wird.
Beim Ausbau der Solarenergie muss zusätzlich die Angebotsseite der PV-Module und die
Gewinnung der dafür notwendigen Rohstoffe thematisiert werden. Denn entlang der
gesamten Wertschöpfungskette zur Herstellung von Solarmodulen gibt es eine enorme
Abhängigkeit von China. Sowohl in der Gewinnung von Polysilizium als elementarer
Rohstoff (80%) über die Herstellung der Wafer (97%) und Zellen (85%) als auch die
letztendliche Fertigung der Module (75%), die Abhängigkeit ist enorm. Bei dem Import
von Rohstoffen und Bauteilen, muss zwingend das Lieferkettengesetz und international
geltende Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden. Der Übergang zu anderen
Handelspartner*innen abseits Chinas soll sozialgerecht erfolgen! Ebenfalls muss zur
Stärkung einer resilienten Energieversorgung in einer europäischen Kooperation der
massive Ausbau einer europäischen Produktionskapazität vorangetrieben werden, denn
die aktuelle Situation zeigt, was es für fatale Folgen haben kann, wenn man sich
energiepolitisch dermaßen Abhängig von einem anderen Land macht. Ein Tausch der
Abhängigkeiten vom russischen Gas zu chinesischen Solarmodulen muss perspektivisch
verhindert werden! Die PV-Strategie der EU-Kommission “European Solar Initiative”,
welche zum Ziel hat, bis zum Jahr 2025 insgesamt 20 GW Produktionskapazität in Europa
zu erreichen, ist ausdrücklich zu unterstützen und zu erweitern. Mit den neuen
europäischen Produktionskapazitäten würden direkt und indirekt schätzungsweise
400.000 neue, gut bezahlte Industriearbeitsplätze entstehen - bei Umsetzung ein
Leuchtturm der sozial-ökologischen Transformation. Ähnlich wie bei der Windenergie
sollen Standortkommunen von PV-Freiflächenanlagen finanziell beteiligt werden.
Darüber hinaus sollten Bürgerenergiekonzepte, welche häufig PV-Anlagen installieren,
gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie gestärkt werden, sodass beispielsweise der
gemeinschaftliche Eigenverbrauch des lokal erzeugten Stroms ermöglicht wird.
Zusätzlich sei erwähnt, dass es einer Strategie für einen Recyclingkreislauf der für
Wind- und Solarenergie benötigten Rohstoffe bedarf. Dies reduziert zu einem die
Abhängigkeit zu den Importländern und des weiteren einen zwangsläufigen „Peak Metal“,
welcher den Zeitpunkt beschreibt, an dem die Extraktionsmengen der mineralischen
Rohstoffe aus der Erdkruste ihr Maximum erreichen.
Speicher, Netzausbau und intelligente Steuerung gewährleisten Versorgungssicherheit
und Netzstabilität im klimaneutralen Energiesystem
Um die enorme Hochskalierung von erneuerbaren Energien händeln zu können, muss unser
Energiesystem sukzessive auf erneuerbare Energien ausgerichtet werden. Ein
resilientes klimaneutrales Stromsystem mit den in der Stromerzeugung fluktuierenden
Windenergie- und Photovoltaikanlagen, welches die Versorgungssicherheit und
Netzstabilität gewährleistet, kann nur in Kombination mit einer Flexibilisierung des
Verbrauchs und mit Energiespeichern gelingen. Hierzu ist perspektivisch ein neuer
ganzheitlicher regulativer Rahmen für den Strommarkt wichtig. Der Gesetzgeber muss
langfristig Anreize setzen, dass erneuerbare Energien systemdienlich errichtet und
mit einer angemessenen Vergütung betrieben werden können. Insbesondere wenn auf lange
Sicht in einem klimaneutralen Stromsystem Erneuerbare alleinig für die Stromerzeugung
verantwortlich sind und durch die niedrigen Stromgestehungskosten der Strompreis
gesenkt ist, muss das Strommarktdesign und Strommarktmodell angepasst werden. Kurz-
bis mittelfristig benötigt es die Integration von Speicherkapazitäten, den
beschleunigten Netzausbau und eine intelligente Steuerung des Energiesystems durch
informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur. Speicherkapazitäten müssen
zum einen im Kurzzeitbereich durch Batteriespeicher (Tagesstromspeicher) und zum
anderen im Langzeitbereich durch beispielsweise Wasserstoff oder synthetische Gase
wie Methan (saisonale Speicher) integriert werden. Im Bereich der Batteriespeicher
muss der notwendige Ausbau auf 84 Gigawattstunden bis 2030 (227 GWh in 2045)
überwiegend dezentral vorgenommen werden, um Netzengpässe zu vermeiden und die
Netzstabilität zu gewährleisten. Der Ausbau der Batteriespeicher darf sich jedoch in
keinem Fall nur auf Anlagen in privaten Haushalten beschränken, sondern sollte ebenso
wie die Netze von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt werden. Der überregionale
Stromtransport aus Regionen mit großer Wind- und Solarstromerzeugung zu industriellen
oder bevölkerungsreichen Zentren muss gewährleistet werden. Ebenso gilt es die
Verteilnetze auszubauen, um die stark steigende Menge an dezentral erzeugtem Strom
aufnehmen zu können. Diesen Anforderungen muss mit einem angemessenen Netzausbau
begegnet werden. Auch der Ausbau und Betrieb der Stromnetze sollte als zentrale
Infrastruktur der Energieversorgung auf Ebene der Verteilnetze rekommunalisiert und
auf Ebene der Übertragungsnetze in bundesstaatliche Hand.
Eine europäische Perspektive
In dieser wie in jeder Krise ist es von größter Wichtigkeit, dass die Bundesregierung
ihr Handeln mit unseren europäischen Partner*innen abstimmt und nach einer
gesamteuropäischen Lösung sucht. Obwohl wir die aktuellen Ausgleichsmaßnahmen der
Bundesregierung und ihr Umschwenken auf europäischer Ebene unterstützen, hat
Deutschland mit einer späten Kommunikation der 200-Milliarden-Investition und einem
rapiden Auffüllen der Gasspeicher zu sehr hohen Preisen erst einmal im Eigeninteresse
gehandelt und europäische Interessen außer Acht gelassen. Wir begrüßen deshalb den
aktuellen Vorschlag der EU-Kommission, Mitgliedstaaten per Gesetz zu verpflichten,
Teile des Volumens ihrer Gasspeicher mit Hilfe der im April gegründeten
Einkaufsplattform gemeinsam zu füllen und so ihre Nachfragemacht zu bündeln. Es
müssen mehr Anreize für Solidaritätsabkommen geschaffen und diese auch von
Deutschland abgeschlossen werden, um bei Gasknappheit eine solidarische Verteilung
von fossilen Energieträgern zu gewährleisten. Zusätzlich fordern wir, dass europaweit
Genehmigungsverfahren und andere bürokratische Hürden für den Ausbau erneuerbarer
Energien durch Verordnungen der Kommission gesetzlich reduziert werden. Gleichzeitig
ist es wichtig, an dieser Stelle zu betonen, dass die internationale Solidarität in
dieser Energiekrise - besonders mit dem Globalen Süden - genauso wichtig ist wie eine
europäische.
Der Klimawandel wartet nicht!
Der Ausbau erneuerbarer Energien muss endlich an Fahrt gewinnen, denn der Anteil am
Bruttoendenergieverbrauch beträgt aktuell nur rund 20%. Durch die EEG-Novelle im
Rahmen des Osterpakets, wo endlich ein höherer und realistischer Strombedarf
angenommen wird, konnte ein Ausbauimpuls gegeben werden. Wichtig waren dafür die
Erhöhung des Ausbauziels und der Ausbaupfade sowie regulatorische
Verbesserungen.Dennoch wird insbesondere der Ausbau der Windenergie stocken. So ist
im vergangenen Jahr beispielsweise keine einzige Windenergieanlage auf See ans Netz
gegangen. Sollte sich anhand der Genehmigungszahlen der Länder nach wie vor
abzeichnen, dass die Ausbauziele massiv unterschritten werden, dann kann das nicht
mehr hingenommen werden. In diesem Fall muss die Bundesregierung noch in dieser
Legislaturperiode ein öffentlich-rechtliches Unternehmen zum Ausbau erneuerbarer
Energien gründen, welches bei Unterschreitung von Ausschreibungsvolumen verpflichtet
ist, die Lücke im Zubau zu füllen. Damit wird gewährleistet, dass Klima- und
Ausbauziele nicht weiterhin sehenden Auges verfehlt werden. Zusätzlich wird der Staat
seiner Rolle gerecht, die Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Darüber hinaus gilt
stehts, die internationale Perspektive beim Ausbau zu berücksichtigen. Dieser darf
sich nicht auf den globalen Norden beschränken, sondern muss weltweit etabliert
werden. Der Klimawandel wartet nicht. Deshalb lautet die Devise: mehr, schneller
Ausbauen!