logo

Beschlussarchiv

U3 2023
Wo keine Ebbe ist - Die Ostsee als Lebens-, Natur- und Erholungsraum erhalten

Die Ostsee ist das größte Brackwassermeer der Welt. Insgesamt wohnen etwa 82 Millionen Menschen im Einzugsgebiet der Ostsee. Davon etwa 2,7 Millionen in MV und SH. Dieser Natur- und Lebensraum ist in seiner ökologischen und kulturellen Vielfalt einzigartig, aber er steht unter Druck, denn der Ostsee geht es schlecht. Die Quoten für den Fischfang, die durch die niedrigen Fischbestände begründet sind, sind durch Sauerstoffmangel und Überfischung so scharf wie noch nie. Die Ostsee erwärmt sich immer weiter auf, die Versauerung, Sauerstoffknappheit, Verschmutzung und Belastung durch Schiffsverkehr, Off-Shore Anlagen und Pipelines nimmt immer weiter zu. So entstehen immer mehr Todeszonen, wo aufgrund von Sauerstoffmangel und anderen Faktoren kein Ökosystem mehr existiert. Zudem boomt die Tourismusbranche, womit auch die Belastung der Tourismusregionen an Land weiter zunimmt. Daher benötigt die Ostsee als Natur- und Lebensraum einen stärkeren Fokus. Um die Ostsee zu erhalten, brauchen wir jetzt enorme finanzielle Mittel, Kooperationen und Beschränkungen. Der Kipppunkt ist noch nicht erreicht, noch können wir handeln. Dafür braucht es aber nicht nur Maßnahmen, die über die betroffenen Regionen und Länder hinausgehen, sondern internationale Kraftanstrengungen verlangen. Auch wir können unseren Beitrag dazu beitragen, dafür muss die Ostsee aber endlich ins Zentrum der Betrachtung.

Die Ostsee ist wie eine gute Freundin, sie ist immer da. Wir müssen dafür sorgen, dass es so bleibt.

 

Munitionsbelastung

Nach den Feststellungen des Umweltbundesamtes lagern allein in deutschen Gewässern in Nord- und Ostsee etwa 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition und 5000 Tonnen chemischer Kampfstoffe. 

Allein in der Ostsee wissen wir bisher von 400.000 Tonnen konventionellen Sprengstoffen und etwa 40.000 Tonnen chemischen Waffen. Das entspricht in etwa der Ladung von 11.000 Sattelschleppern. 

Versenkte Munition korrodiert und lässt giftiges TNT, andere Sprengstoffe oder enthaltende chemische Giftstoffe in die Meeresumwelt entweichen. 

Dadurch entstehen Gefahren für die Menschen, das Leben im Meer und damit verbunden für die Fischerei und den Tourismus. 

Außerdem kann dies die Installation von Offshore-Energieinfrastrukturen und Seekabel-Verlegungen behindern und sich negativ auf weitere Sektoren der blauen Wirtschaft auswirken. 

Mit den gegenwärtigen Räumungskapazitäten würde eine großflächige Räumung mehrere Jahrhunderte in Anspruch nehmen. 

Um irreparable Schäden für Menschen und Umwelt zu vermeiden, ist es nach übereinstimmenden Aussagen führender Wissenschaftler*innen und Expert*innen notwendig, jetzt die Voraussetzungen für großflächige Räumungen zu schaffen und diese mithilfe der jetzt vorhandenen und weiterentwickelten Technologien entschlossen in die Wege zu leiten und in den nächsten 20 Jahren umfassend durchzuführen. 

Die Kombination von Sensoren mit hoch fortschrittlichen Softwaresystemen und künstlicher Intelligenz ermöglicht es erstmals, ein umfassendes Bild der Situation zu gewinnen. 

Die Entwicklung mobiler Plattformen für die Munitionsräumung eröffnet das Vordringen in neue Dimensionen großflächiger Räumungen. 

  • Wir fordern die bisherigen beispielhaften konkreten Schritte zur Abwendung der Gefahren, die für Mensch und Umwelt von den Munitionsablagerungen in der Ost- und Nordsee ausgehen, konsequent und auf Dauer weiterzuverfolgen und auszuweiten 
  • zusammen mit den demokratischen Staaten des Ostseeraums im Rahmen des Ostseerates ( Council of the Baltic Sea States, CBSS) unter Einbeziehung der Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee (HELCOM) den Anrainerstaaten des Nordseeraums und der EU-Kommission, müssen Strategien entwickelt und mit weiteren umfassenden konkreten Aktionsplänen und Maßnahmen untersetzt werden, damit innerhalb der nächsten 20 Jahre eine großflächige Beseitigung der Munitionsaltlasten auf dem Meeresboden so erfolgt, dass im Sinne verantwortungsvoller Vorsorgepolitik langfristige, irreparable Schäden für Mensch und Umwelt vermieden werden
  • Verdopplung der Haushaltsmittel zur Munitionsbergung auf mindestens 200 Millionen Euro

Die Ostsee als Lebens- und Erholungsraum erhalten

Die Ostsee ist die deutsche Urlaubsregion. Mit über 50,6 Millionen Übernachtungen und 12 Millionen Ankünften von Gäst*innen ist die Ostsee die beliebteste Region in Deutschland, um Urlaub zu machen. Nach der Corona-Pandemie boomt die Branche wieder und stellt den wichtigsten Wirtschaftsfaktor der Region dar. Der Tourismus stellt den größten Beschäftigungssektor dar und ist demnach nicht wegzudenken. Dennoch bringt diese Entwicklung auch große Probleme mit sich. Durch Overtourism wird die Natur, nach der sich im Urlaub gesehnt wird, durch den Bauboom und das anhaltende Verkehrsaufkommen zum Teil zerstört. Der Tourismus als Branche ist zudem ein Niedriglohnsektor mit geringer Tarifbindung und schlechten Ausbildungsbedingungen bei anhaltendem Fachkräftemangel. Durch anhaltenden neoliberale Privatisierungsbemühungen und der Beschränkungen von Zugängen, wird zudem eine noch stärkere Kommerzialisierung forciert, die Einwohner*innen de facto ausschließt. Auch der ständige Angriff auf Freizeitmöglichkeiten an der Ostsee, in Form von Beschränkungen Surf- Kite und Foilstrandabschnitten, betrachten wir mit großer Sorge. 

Unser Ziel ist es, den Natur- und Umweltschutz an der Ostsee und die Entlastung und Partizipation der Anwohner*innen bei der weiteren Entwicklung dieser Tourismusregionen ins Zentrum zu rücken, um diese auch in Zukunft als Naherholungsraum und Tourismusregion zu erhalten. Dabei ist es gerade für die Anwohner*innen von zentraler Bedeutung, dass Ostseestrände nachhaltig gepflegt werden, kostengünstig erreichbar bleiben und ein sozialer- sowie ökologisch nachhaltiger Tourismus stattfindet.

Unser Ziel muss es sein, die Tourismusregionen an der Ostsee so zu entwickeln, dass diese sozial- und ökologisch nachhaltig sind. Nur ein Tourismus, der vor Ort Akzeptanz findet und im Einklang mit der Natur stattfindet und dessen Schutz fördert, kann auch in Zukunft erfolgreich sein.

  • Darum fordern wir mehr Unterstützung von Schullandheimen und Jugendherbergen in Ostseenähe
  • Festlegung von ausreichend Surf, Kite und Foil Korridore, die für verschiedene Wind, Wellen und Strömungsbedingungen geeignet sind. Dabei soll darauf geachtet werden, dass diese Spots gut zu erreichen sind. Diese sollen so festgelegt werden das Wassersportler*innen sie gut erreichen können und nicht in Konkurrenz zu Umweltzonen geraten 
  • Konzepte um Badestrände trotz Umweltauflagen erhalten und dort bessere Müllreduzierung und dem Verhindern von Partylärm unterstützen
  • Kosten zur Strandreinigung dürfen nicht durch Eintritte von Anwohner*innen finanziert werden
  • Projekte zu einem ökologisch nachhaltigem Tourismus sollten stärker gefördert werden, insbesondere lokale Projekte zur Umweltpädagogik in Verbindung mit beliebten Ausflugszielen 
  • Den Ausbau von neuen und die Reaktivierung von alten Bahnstrecken und öffentlichem Nahverkehr in Tourismusregionen
  • Jegliche Privatisierung von Stränden oder Strandabschnitten lehnen wir ab, zudem setzen wir uns für kommunale Begrenzungen der Verknappung von diesem öffentlichen- und sozialen Erholungsraum durch Strandbars, Strandkörbe, Eventflächen und sonstige indirekte Bebauungen an Stränden ein
  • Wir sind solidarisch mit der NGG und unterstützen diese bei Ihren Bemühungen die Tarifbindung im Tourismussektor zu erhöhen 
  • Bei der Finanzierung der lokalen Tourismusinfrastruktur sprechen wir uns für Lösungen aus, die die lokalen Gewerbe und Unternehmen, die am Tourismus partizipieren, stärker beteiligt und die Einwohner*innen entlastet in Form von Tourismusabgaben 
  • Lokale Mietpreisbremsen und Umwandlungsverbote von Wohnraum in Ferienwohnungen 

 

Der Kreuzfahrttourismus und seine externen Kosten

Der Kreuzfahrttourismus zeigt häufig auf, wie wichtig die Branche für die Wertschöpfung einer Kommune ist und diese somit wirtschaftlich stärkt. Die umweltlichen und gesundheitlichen Belastungen durch die Kreuzfahrtindustrie sind enorm. Auf einer siebentägigen Kreuzfahrt stößt das Kreuzfahrtschiff 1,9 Tonnen CO2 pro Kopf aus, was ca. 18% des jährlichen CO2-Ausstoßes pro Kopf in Deutschland bedeutet. Während der Liegezeit in den Häfen, stoßen die Schiffe Feinstaub, Stick- und Schwefeloxide aus, die zu gesundheitlichen Folgen bei Anwohner*innen führen. 

Zwar sind die Gästezahlen von Kreuzfahrten noch lange nicht auf dem Vor-Corona-Niveau, dennoch lässt sich eine Verdreifachung der Gästezahlen, von 2021 auf 2022, beobachten. Studien zum Thema Kreuzfahrtschiffe, ihre Auswirkungen auf die Wertschöpfung mit der Verrechnung von externen Kosten (wie z.B. gesundheitliche Folgen der Bevölkerung durch Feinstaub, Stick- und Schwefeloxiden bei Liegezeiten im Hafen) sind kaum vorhanden. Die Branche stellt die Beiträge zur Wertschöpfung meist in absoluten Zahlen dar und verrechnet diese nicht mit den externen Effekten für Umwelt und Gesundheit. Studien zu dem Nutzen und den Kosten für eine Gemeinde gibt es kaum. Erste Studien in anderen Regionen außerhalb von Deutschland zeigen aber ein erstes Bild: Die Erlöse z.B. aus dem Tourismus in den Orten werden durch die Kosten durch Luft- und Wasserverschmutzung fast ausgeglichen.

Außerdem kann von einem wirtschaftlich fairen Wettbewerb zwischen dem lokalen Hotel-/ Gaststättengewerbe und der Kreuzfahrtbranche kaum die Rede sein, da die Kreuzfahrt andere Arbeits- und Rahmenbedingungen hat sowie Steuer- und Zollvorteile bei Verköstigungen an Board. Durch All-inclusive Angebote auf dem Schiff sind die Anreize für einen Restaurantbesuch an Land größtenteils unattraktiv. 

  • Wir fordern die Untersuchung von tatsächlichen Einnahmen der Kreuzfahrt verrechnet mit den Umwelt- und Gesundheitskosten für eine Stadt/ Gemeinde in Deutschland à Zusätzliche Abgaben der Kreuzfahrtbranche an die Gemeinden in Höhe der externen Kosten und Gewinnbeteiligung der anfahrenden Städte
  • Verbesserung der Ladeinfrastruktur in den Häfen, um Kreuzfahrtschiffe vermehrt mit Landstrom bei Liegezeiten zu versorgen und dadurch die Feinstaub, Stick- und Schwefeloxide deutlich zu verringern.
  • Verpflichtung der Schiffe auf Umrüstung zu Ladestrom bei Liegezeiten im Hafen
  • Betreiben von neuen Fähren nur noch mit Wasserstoff oder anderen emissionsfreien Kraftstoffen und Umrüstung älterer Fähren zu Wasserstoff oder anderen fossilfreien Antrieben
  • Die Schaffung von Vorschriften für entsprechende Abgasreinigungssysteme von Kreuzfahrtschiffen
  • Ausweisung der gesamten Ostsee als ECA-Gebiet (Schwefel- und Stickoxid-Kontrollgebiet)
  • Eine strikte Umsetzung der IMO-Richtlinie im Ostseegebiet

Mehr Meeresschutzgebiete für marines Leben und Meerespflanzen

Für die Artenvielfalt und Lebensraum von verschiedenen Meerestieren ist Seegras ein wichtiger Bestandteil der Ostsee. Dabei gibt es noch viele weitere wichtige Vorteile (Festigung vom Sediment am Meeresboden, Sauerstofflieferant etc.). Insbesondere in Betrachtung des Klimawandels wird eine weitere Fähigkeit unbedingt benötigt: Seegras speichert große Mengen an Kohlendioxid. Deshalb ist der Schutz von sogenannten Seegraswiesen in vielerlei Hinsicht wichtig.

Durch zu wenige Schutzmaßnahmen ist der Bestand an Seegras in der Ostsee zurückgegangen. Die Ursachen liegen hierbei meistens an hohen Nährstoffeinträgen wie Dünger. 

  • Darum fordern wir den Bestand des Seegras in der Ostsee zu schützen und weiter zu fördern, um so einen wichtigen Bestandteil für Artenvielfalt und gegen den Klimawandel zu erhalten.

Mehr Meeresschutzgebiete und ein gemeinsames Management der Anrainerstaaten

Die traditionelle Fischerei in Deutschland ist heutzutage kaum noch vorhanden. Sie kann sich schwerlich gegen die Großfischerei durchsetzen und leidet dann unter schwindenden Fischbeständen. Aber nicht nur für diesen traditionellen Beruf, auch für die Artenvielfalt und das sensible Gleichgewicht der Meeresökologie bedeutet es eine harte Herausforderung. Der Klimawandel und die Erwärmung der Meere lassen die Fischlarven meist früher schlüpfen, zu den Zeiten, in denen sie aber keine ausreichende Menge an Nahrung finden. Diese Kombination ist für die Fischbestände schwer zu verkraften. Deshalb sollten die Reformen in der EU über die Fischereipolitik zu positiven Veränderungen führen. Hier müssen Deutschland und die Anrainerstaaten der Ostsee mehr Meeresschutzgebiete erschaffen. In diesen Gebieten ist die Berufs- und Freizeitfischerei zeitlich zu verbieten. Diese Meeresschutzgebiete sollten durch ein kooperatives Management koordiniert betreut und geschützt werden. Außerdem gilt es, diese Schutzgebiete auch auf die Offshore-Windenergie zu beziehen. Dabei sollen Laichgebiete, Wanderkorridore von Fischen, Vögel und Fledermäusen analysiert und entsprechende Verbotsgebiete eingeführt werden. Nur durch die Beschränkung der Fischerei werden wir den Beruf der Fischerei retten. 

  • Wir fordern, dass Seegraswiesen schützen und fördern: Verbot von Baumaßnahmen und Fischerei Aktivitäten (insbesondere mit Schleppnetzen) in unmittelbarer Nähe zu Seegraswiesen
  • Bildung von mehr Meeresschutzgebieten, die durch ein gemeinsames Management der Anrainer-Bundesländer koordinierend betreut werden
  • Einrichtung von marinen Schutzgebieten, die über die aktuellen Quotenregelungen hinausgehen, in der die Berufs- und Freizeitfischerei zeitlich verboten werden zur Erholung von Fischbeständen
  • Besondere Gebiete in der Ostsee für die Artenvielfalt (Laichgebiete, Wanderkorridore für Vögel, Fledermäuse und Fischen) durch Verbotszonen für Offshore-Windenergie und Unterwasserarbeiten, schützen
  • Eine umfassende Lärmschutzstrategie für die Ostsee
  • Die Förderung von Renaturierungszonen in der Ostsee
  • Die küstennahe Fischerei muss mittelfristig zum immateriellen Kulturerbe transformiert werden und somit der*die Ausbildung der Berufsfischer*innen angepasst werden

Reduzierung von Nährstoffeinträge

Das Kernproblem der Ostsee ist die Belastung durch Nährstoffe, wodurch sauerstofffreie Zonen entstehen, in denen kein marines Leben möglich ist. Diese „Todeszonen“ werden durch verschiedene Faktoren begünstigt, wobei Dünger ein großer Faktor ist, der menschlich verursacht ist. Durch diesen Dünger entstehen mehr Algen und die Blütezeit der Algen häuft sich. Durch natürliche Abbauprozesse sinkt der Sauerstoffanteil so drastisch, dass marines Leben in diesen Gebieten nicht möglich ist. Seit 120 Jahren haben sich diese Todeszonen in der Ostsee verzehnfacht. Politisches Handeln ist in der Ostsee notwendig, da die Meereserwärmung durch den Klimawandel den Prozess in Zukunft noch verstärken wird.

  • Darum fordern wir eine massive Reduktion von Düngemittel und Pestiziden in der Landwirtschaft, insbesondere in Küstennähe
  • Eine stärkere Förderung von ökologischer Landwirtschaft, besonders in Küstennähe
  • Marine Schutzgebiete in der Ostsee müssen auch Gewässerrandstreifen mit einbeziehen
  • Null Eintrag von gefährlichen Schadstoffen in Nähe des Nationalparkes Ostsee, sowie der gesamten deutschen  Ostseeküste
  • Die Schaffung einer Grundlage für Gewässerrandstreifen an Zuflüssen der Ostsee
  • 150 Meter breite Pufferzonen an allen Buchten und Meeresarmen der Ostsee
  • Neue Stoffe, die z. B. in der Landwirtschaft als Biozide und Pestizide Anwendung finden, müssen insbesondere in Schutzgebieten grundsätzlich als gefährlich eingestuft werden, bis das Gegenteil bewiesen ist