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Beschlussarchiv

V1 2023
Sichere Fahrt voraus – Lehren und Konsequenzen aus Schiffshavarien ziehen

Das jüngste Schiffsunglück der Fremantle Highway vor der niederländischen Küste hat erneut die gravierenden Risiken und potenziellen Konsequenzen von Bränden auf Schiffen und der Beförderung von Gefahrgütern auf See aufgezeigt. Der Brand auf dem Transportschiff für Elektroautos, das neben der Fracht 1600 Tonnen Schweröl und weitere 200 Tonnen Marine-Diesel geladen hatte, drohte in einer Umweltkatastrophe für die Nordsee, die Küstenregion sowie das Naturschutzgebiet Wattenmeer zu enden. Die Auswirkungen von Schiffshavarien auf die Natur und die Menschen bedürfen daher unsere Aufmerksamkeit. Um einen nachhaltigen globalen Handel zu organisieren, muss die Sicherheit der Schifffahrt gewährleistet werden.

Reedereien in die Verantwortung nehmen

Die Havarie der Freemantle Highway reiht sich in eine Reihe von Schiffsunglücken in der Nordsee und im Bereich des Naturschutzgebietes Wattenmeer ein. Die verschiedenen Havarien in den letzten Jahren bedeuteten jeweils weitere Umweltbelastungen für das Wattenmeer und die Nordsee. Alleine von der MSC Zoe fielen 342 Container in die Nordsee, die mitunter umweltschädliche Chemikalien und große Mengen an Lithium-Ionen-Batterien enthielten. Langjährige Untersuchungen der Havarie der MSC Zoe kamen zu dem Ergebnis, dass die Größe des Frachtschiffes eine unmittelbare Wirkung auf die Sicherheit der Fracht hatte.

Der Trend, immer größere Frachtschiffe zu bauen, der sich seit der Einweihung der MSC Zoe ungehindert fortsetzt und zum Ziel hat, Transportkosten einzusparen und dadurch die Profite der Reedereien zu maximieren, muss gestoppt werden. Riesige Frachtschiffe gefährden die Sicherheit des Güterschiffsverkehrs. Es ist inakzeptabel, dass die Ozeane, Naturschutzgebiete und die Menschen in den Küstenregionen die Rechnung für die Gewinngier großer Konzerne tragen müssen. Die zulässige Größe von Frachtschiffen ist ein entscheidender Faktor für die Sicherheit der Schifffahrt und muss sich bei der Festlegung neuer Sicherheitsstandards an den Untersuchungsergebnissen vergangener Schiffshavarien und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Die Gewinnmaximierung von Reedereien darf dabei keine Rolle spielen.

Bei künftigen Schiffshavarien ist die Einhaltung der festgelegten Sicherheitsstandards zu überprüfen. Unternehmen, die Sicherheitsstandards nicht einhalten, müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden.

Umwelt- und Sicherheitsstandards anpassen

Die jüngste Frachterhavarie hat gezeigt, dass die Brandschutz- und Sicherheitsstandards im Güterschiffsverkehr weiterentwickelt werden müssen, um dem Transport von Fahrzeugen, und insbesondere von Elektroautos, gerecht zu werden. Dies beinhaltet die Entwicklung von spezifischen Sicherheitsrichtlinien und Notfallplänen für den Umgang mit Bränden, die durch Lithium-Ionen-Batterien ausgelöst oder angetrieben werden. Insbesondere muss die technische Ausrüstung von Güterschiffen den Entwicklungen der Automobiltechnik standhalten und damit fortlaufend angepasst werden. Zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Schiffstransport von Elektroautos gehört deshalb ausdrücklich auch die Klassifizierung von Elektroautos als Gefahrgut auf Schiffen.

Im Fall der Fremantle Highway konnte der Brand gelöscht und eine Umweltkatastrophe abgewendet werden. Nichtsdestotrotz hat auch das chemiehaltige Lösch- und Kühlwasser negative Auswirkungen auf das maritime Ökosystem. Gemeinsam müssen die Küstenländer aktiv werden, um sich bei der Internationalen Maritimen Organisation für verschärfte Sicherheitsstandards für Schiffe und den Schutz der Meere einzusetzen.

Green Shipping beschleunigen

Die klimaneutrale Transformation des Verkehrs darf auch vor der Schifffahrt nicht halt machen. Riesige Frachtschiffe, die mit Schweröl betankt und beladen sind, stellen eine extreme Gefahr für die Natur, das Klima und die Menschen dar. Neben dem CO2- und Schadstoffausstoß, der bei der Verbrennung verursacht wird, bedeutet das Auslaufen von Schweröl auch besonders katastrophale Folgen für das maritime Ökosystem, die zum Teil Jahrzehnte anhalten. Es ist deshalb notwendig, Schweröl als Schiffstreibstoff kurzfristig zu verbieten. Insbesondere in Naturschutzgebieten und sensiblen Lebensräumen ist der Verkehr von Schiffen, die mit Schweröl betrieben sind verantwortungslos.

Die Emissionssenkungsziele für die Schifffahrt, die im Rahmen des European Green Deal und der „FuelEU Martime“-Verordnung formuliert wurden, sind konsequent einzuhalten. Auf nationaler und europäischer Ebene muss die Forschungsförderung für nachhaltige und klimaneutrale Schiffsantriebe massiv ausgebaut werden. Das muss auch die stärkere Förderung von Windenergie als Antriebsart einschließen. In einer nachhaltigen und klimaneutralen Schifffahrt hat Flüssiggas keinen Platz. Der Tendenz zum LNG-Schiffbau muss deshalb entgegengewirkt werden. Wissenschaftsferne Illusionen von synthetischem LNG in der Schifffahrt dürfen dem klimaneutralen Umbau des Schiffsverkehrs nicht im Weg stehen. Bei der Förderung und Stärkung der wasserstoffbetriebenen Schifffahrt muss der Aufbau einer vollständigen Lieferkette in Norddeutschland vorangetrieben werden, um eine sichere Produktion mit tarifgebundenen Arbeitsplätzen und kurzen Transportwegen zu gewährleisten.

Sichere Seerouten festlegen

Der Brand der Fremantle Highway wäre beinahe in einer Umweltkatastrophe geendet. Eine Ölpest im Naturschutzgebiet Wattenmeer hätte nicht nur kurzfristig katastrophale Folgen für die Natur und Lebewesen, sondern würde das Meeresökosystem über viele Jahre hinweg belasten. Die Nordsee ist eines der am stärksten befahrenen Gewässer weltweit. Gefahrguttransporte, einschließlich des Transports von Elektroautos, werden in der Zukunft eher zu- als abnehmen. Es ist daher notwendig, die Nutzung von küstennahen Seerouten für den Gefahrguttransport auf den Prüfstand zu stellen. Insbesondere in Bereich der Naturschutzgebiete müssen Gefahrguttransporte massiv eingeschränkt und auf küstenferne Seerouten verlegt werden. Günstige Transportkosten dürfen kein Grund für die Gefährdung des Weltkulturerbes sein. Deshalb müssen hierfür sichere Seerouten festgelegt werden.

Ausbeutung beenden

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Kapitalakkumulation in der Güterschifffahrt extrem beschleunigt. Wenige einflussreiche Reedereien haben sich zu Allianzen verbunden und bestimmen die Konditionen des globalen Güterschiffverkehrs. Infolgedessen hat das Verhältnis von Arbeit und Kapital in der Branche eine starke Schlagseite zugunsten der Reedereien eingenommen.

Die Güterschifffahrt spielt eine zentrale Rolle im globalen Handel, doch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die Ausbildungsbedingungen stehen in vielen Fällen im krassen Gegensatz zu den hohen Sicherheits- und Umweltschutzstandards, die für die Gewährleistung von Schiffssicherheit nötig sind. Diese Missstände sind zum Teil so dramatisch, dass sie nicht nur die psychische und physische Gesundheit der Arbeiter*innen beeinträchtigen, sondern auch die Sicherheit auf See gefährden. Schiffssicherheit, die Verhinderung von Schiffshavarien und drohenden Umweltkatastrophen sind damit unerlässlich mit der Verbesserung von Arbeitsbedingungen verbunden.

Der Güterschiffverkehr ist eine zutiefst international verwobene Branche. Um die Sicherheit auf See zu gewährleisten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, müssen daher einheitliche, weltweit verbindliche Mindeststandards eingeführt werden. Diese Standards sollten die gute Ausbildung und Qualifizierung der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen und Aspekte wie Arbeitszeiten, Ruhezeiten, Entlohnung und die Unterbringung abdecken. Zudem muss die Tarifbindung in der Güterschifffahrt massiv ausgeweitet werden.

Der Tarifvertrag der International Transport Workers‘ Federation (ITF) muss als Mindeststandard gelten. Auf keinem international fahrenden Schiff soll dieser unterschritten werden dürfen. Die Praxis, Mitarbeiter*innen je nach Staatsangehörigkeit unterschiedlich zu bezahlen, muss gestoppt werden. Auch in der Güterschifffahrt muss gelten: Gleicher Lohn, für gleiche Arbeit! Zudem können Reedereien durch das Prinzip der Ausflaggung das für sie angenehmste nationale Arbeitsrecht auswählen und dadurch zu Lasten der Beschäftigten ihre Profite maximieren. Um diese Ausbeutung zu verhindern, dürfen Schiffe nur unter der Flagge des Staates fahren, in dem der nutznießende Eigentümer ansässig ist.