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W1 2022
Volle Kraft voraus! – Zeitenwende auch in der Werftpolitik

Antrag W01: Volle Kraft voraus! – Zeitenwende auch in der

Werftpolitik

Die maritime Wirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung und zu
Arbeitsplätzen in Deutschland. Der Transport von Waren und Gütern über den
Schiffverkehr ist Voraussetzung für weltweiten Handel. Im Zusammenhang mit
Umweltschutz und der Bekämpfung der Folgen des Klimawandels ist für uns die
Vereinbarkeit von Naturschonung und wirtschaftlicher Nutzung unabdingbar. Der
Verschmutzung von Meeren, Flüssen und Seen durch Schifffahrt und Industrie muss auf
allen Ebenen aktiv entgegengetreten und bestehende Maßnahmen und Kontrollen
effektiver gestaltet werden.
Norddeutschland ist traditionell sehr stark mit der maritimen Wirtschaft verknüpft.
Bundesländer und Stadtstaaten an der Nord- und Ostsee sind historisch geprägt vom
Leben am Meer, vom Handel über das Meer und der wirtschaftlichen Nutzung des Meeres.
Hafen- und Logistikstandorte sind bis heute Teile der wichtigsten Infrastrukturen in
Deutschland. Naturgemäß schließt sich an diese Lage eine gewachsene Struktur für
Entwicklung, Bau und Reparatur von Schiffen an. Es verwundert daher nicht, dass der
maritime industrielle Schiffbau in Deutschland seinen Schwerpunkt in Niedersachsen,
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg hat. Auch die
Binnenschifffahrt leistet einen wichtigen Teil zur deutschen Wirtschaft, dessen
Schwerpunkt wiederum in Nordrhein-Westfalen und insbesondere in Duisburg, der Stadt
mit dem größten Binnenhafen der Welt, liegt.

Die maritime Wirtschaft ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur elementarer
Bestandteil des Wirtschaftslebens, sondern durch die von ihr generierten
verschiedenen Möglichkeiten von Erwerbsarbeit auch von elementarer Bedeutung für die
Gesellschaft. Für ganz MV, aber vor allem für die Standorte Wismar, Rostock und
Stralsund spielen die Werften eine herausgehobene wirtschaftliche Rolle. Sie prägen
Stadtbild und regionale Identität und sind in dieser Niedriglohnregion, die durch den
Tourismussektor dominiert wird, die einzig relevanten Industrien mit einer strengen
Tarifbindung. Nicht nur die unmittelbaren Arbeitsplätze auf den Werften, sondern auch
tausende Beschäftigte bei den Zuliefer*innen, sind abhängig vom Zustand der Werften.
In Niedersachsen arbeiten alleine bei der Meyer-Werft in Papenburg mehr als 3.500
Beschäftigte. Sie ist mit den Nordseewerken und den diversen Zulieferbetrieben ein
wichtiger Wirtschaftsfaktor im nördlichen Emsland und südlichen Ostfriesland,
insbesondere durch die gezahlten Tariflöhne. In Cuxhaven wurden in der Vergangenheit
vorwiegend Fischereischiffe repariert und gewartet und an der Unterweser wird an
zahlreichen Standorten Schiffbau verschiedener Klassen betrieben.
Bremen ist traditionell eng mit der maritimen Wirtschaft verbunden. Nicht zuletzt
seinen Häfen und den hier angesiedelten bedeutenden Werften verdankt Bremen seine
Eigenständigkeit und jahrhundertelange Prosperität. Auch heute sind Lürssen, Lloyd
und andere große Industrieunternehmen wichtige Arbeitgeber. Gleichzeitig ist Bremens
jüngere Geschichte aber eng verknüpft mit der Krise des Schiffbaus und der damit
einhergehenden Massenarbeitslosigkeit.

Großstädte in Schleswig-Holstein sind in den vergangenen Jahrhunderten maßgeblich
durch die maritime Wirtschaft gewachsen. Große Teile der Gewerbesteuereinnahmen und
mehrere Tausend Arbeitsplätze beruhen auf diesem Wirtschaftszweig. In den vergangenen
Jahrzehnten begann im Bundesland der Zerfall dieser Industrie, indem mehrere
Standorte zusammengefasst wurden, Betriebe Insolvenz anmelden mussten und hunderte
Kolleg*innen ihren Job verloren. Teile der Betriebe wurden durch neue Großinvestoren
aufgekauft. Durch die Umstrukturierung der Betriebe gingen Arbeitsplätze langfristig
verloren und Tarifverträge wurden durch schlechtere Neuverträge ersetzt.
Die maritime Wirtschaft hat in den letzten Jahrhunderten entscheidend zur Entwicklung
Hamburgs beigetragen. Dieser Einfluss ist bis heute deutlich sichtbar und prägt das
Stadtbild. Sie ist bis heute wichtiger Arbeitgeber und wesentlicher
Wirtschaftsfaktor, neben dem Hafen sind dies insbesondere Werften wie Blohm und Voss.
Allerdings sind auch die Krisen und Probleme der deutschen Werften spürbar, von den
einstigen Großwerften ist nur noch Blohm+Voss übrig, mit Pella Sietas musste im
letzten Jahr eine der ältesten Werften endgültig Insolvenz anmelden. Damit einher
geht ein stetiger Verlust von Arbeitsplätzen. Über die Küste und den Norddeutschen
Raum hinaus wirken die Häfen, der Seehandel und die Schifffahrt auf das gesamte
Bundesgebiet. Maritime Wirtschaft kann ohne eine enge Verzahnung mit der Industrie im
Landesinneren keine Prosperität entwickeln. Ihre strategische Bedeutung und ihre
Rolle im weltweiten Handel können sie nur durch eine gut ausgebaute
Hinterlandanbindung – auf Straße, Schiene und insbesondere auf dem Wasserweg
entfalten. Dadurch fällt den Wasserstraßen, den Binnenhäfen, der Binnenschifffahrt
und dadurch mittelbar auch dem Binnenschiffbau eine gewichtige Rolle in der
Maschinerie der Maritimen Wirtschaft zu.

Die grundsätzlichen Probleme sind nicht neu!
Teile der maritimen Wirtschaft stecken nun schon seit mehreren Jahrzehnten in einer
tiefgreifenden Krise. Diese Krise des europäischen und insbesondere des deutschen
Schiffbaus hat sich in den letzten Jahren noch einmal dramatisch verschärft. Ein
Großteil des weltweiten Handelsschiffbaus konzentriert sich bereits jetzt auf den
südostasiatischen Raum, insbesondere China, Südkorea und Japan haben hier einen
Marktanteil von 90% im Bau von Handelsschiffen. Vergleichbar ist die Lage für die
Reparatur von Schiffen – diesen werden zumeist dort gewartet und repariert, wo sie
gebaut wurden. In Deutschland werden aus diesem Grund in erster Linie Yachten und
Spezialschiffe repariert.

Der Standortvorteil dieser Länder resultiert aus billigen Produktionskosten,
günstigen Vorprodukten, die häufig mit problematischen Umweltauswirkungen produziert
werden und den niedrigen Personalkosten, mit den damit verbundenen teilweise
menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Diese strukturellen Probleme sind im
Wesentlichen seit der Werftenkrise in den 1980er Jahren bekannt und ein Patentrezept
für die Lösung ist bis heute nicht gefunden. Gerade im sehr stark internationalen
Gebiet der maritimen Wirtschaft helfen protektionistische Maßnahmen nur begrenzt, da
eine wechselseitige Abhängigkeit besteht und viele Teile der maritimen Wirtschaft nur
wegen der starken Globalisierung erfolgreich sind. Globale Abhängigkeiten dürfen
keine Ausrede sein, die Transformation hin zu einem klimaneutralen Schiffsbau
voranzubringen und neben der Produktion auch die CO2-Bilanz von Transportwegen in den
Fokus zu rücken.

Immer neue Insolvenzen, wie zuletzt die der MV Werften, der Lloyd-Werft oder bei
Pella Sietas in Hamburg, legen die oben genannten strukturellen Probleme immer wieder
deutlich offen. Insbesondere der deutsche Schiffbau ist stark abhängig von
Nischenmärkten wie Kreuzfahrt- oder Yachtschiffbau oder militärischen Auftraggebern.
In den vergangenen 5 Jahren vor der Corona-Pandemie hatte es zuletzt sogar eine
Stabilisierung und leichte Erholung in dieser Nische gegeben und die
Beschäftigtenzahlen wuchsen leicht an.

Aktuelle Krisen schaffen neue Herausforderungen
Die multiplen Krisen unserer Zeit verschärfen diese bestehenden Probleme massiv und
machen viele positive Entwicklungen zu Nichte. Klimawandel, Corona und Ukraine-Krieg
haben Auswirkungen auf beinahe alle Lebensbereiche und machen auch vor dem Schiffbau
nicht Halt. Alle diese Krisen stellen unterschiedliche Herausforderungen an die
krisengeplagten Werften und machen eine Neuausrichtung der deutschen und europäischen
Werftpolitik notwendig.
Der Kreuzfahrtschiffbau ist durch die Covid-19-Pandemie in eine schwere Krise
geraten, die dazu führt, dass selbst in Auftrag gegebene und fast fertige
Kreuzfahrtschiffe nicht mehr abgenommen werden (siehe „Global 1“ in Wismar). Alleine
2021 wurden durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie bei den norddeutschen Werften
1.500 Arbeitsplätze gestrichen. Etwa die Hälfte der Werftarbeiter*innen war oder ist
immer noch in Kurzarbeit. Angesichts der rapide voranschreitenden Klimakrise und der
allgemein stark fluktuierenden Nachfrage, braucht es mehr Subventionen, um den
Lebensstandard und die Perspektiven der Arbeiter:innen zu sichern. Wir fordern daher
analog zu Transformationsprozessen, bspw. in der Automobilindustrie, das Verankern
von Kommissionen zur Transformation der Produktion in den Werften im BetrVG. Diese
sollen die rechtlichen Kompetenzen erhalten, auch auf den wirtschaftlichen Prozess
der Unternehmen Einfluss zu nehmen und gleichzeitig mit genügend staatlichen
Hilfsmitteln abgesichert sein, um mitunter lang andauernde Umbauprozesse zu
gestalten.

Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben sich die Prämissen deutscher
Außenpolitik geändert. Diese veränderten Prämissen müssen sich auch auf weitere
Bereiche erstrecken. Die "Zeitenwende" muss mehr bedeuten und Abhängigkeiten von
autokratischen Staaten müssen in Zukunft vermieden werden. Deutschland ist stark
exportabhängig, der Umstand, dass ein Großteil des weltweiten Handelsschiffbaus in
der unmittelbaren chinesischen Einflusssphäre stattfindet, ist ein großes Risiko.
Zudem sind die meisten Werften in Besitz privater, häufig international agierender,
Großkonzerne oder im Eigentum von Multimilliardär*innen. Das birgt viele Risiken, wie
das Beispiel der MV Werften zeigt.

Für uns ist klar: Insbesondere kritische Infrastrukturen dürfen nicht in die Hände
autokratischer Regime geraten. Dies gilt neben den Werften natürlich auch für die
weiteren Teile der Hafeninfrastruktur. Beteiligungen autokratischer Staaten wie die
des chinesischen Staatskonzerns COSCO an einem Containerterminal im Hamburger Hafen
lehnen wir daher eindeutig ab. Das Geschäftsgebaren, mittels der Androhung der
Verlagerung von Frachtrouten eine Beteiligung zu erzwingen, kommt einem
Erpressungsversuch gleich. Diesem darf nicht stattgegeben werden, denn die Beispiele
anderer europäischer Häfen wie in Piräus zeigen deutlich, dass die chinesischen
Staatsbeteiligungen vor allem geostrategischen Erwägungen folgen und den eigenen
Einflussbereich ausbauen sollen. Dies gilt es zu verhindern.
Durch die Sanktionen, insbesondere gegen reiche russische Geschäftsleute, sind
mittelbar Werften im Yachtbau betroffen. Für diese müssen Lösungen und ein Umgang mit
bestehenden Aufträgen und den in den Werften liegenden Yachten gefunden werden.
Deutschland ist bisher nicht bereit, diese Vermögenswerte einzuziehen. Dadurch
ergeben sich laufende Kosten, die von den Eigner*innen absichtlich nicht beglichen
werden oder wegen der Blockade der Zahlungsmittel nicht beglichen werden können.
Im Falle einer außenpolitischen Isolation Chinas, bspw. durch einen Angriff auf
Taiwan, muss sichergestellt werden, dass die Europäische Union in der Lage ist,
mittelfristig eigene Handelsflotten bereitzustellen und zu unterhalten. Die
Erfahrungen des russischen Angriffskrieges müssen deshalb zu einem Umdenken in der
deutschen und europäischen Werftpolitik führen, indem sich von der Konzentration auf
Nischenmärkte entfernt und eine internationale Konkurrenzfähigkeit im Segment des
Handelsschiffbaus aufgebaut wird. Eine übertragbare Situation besteht im
Binnenschiffbau: Ein Großteil der Binnenschiffe wird heute im asiatischen Raum gebaut
und in den europäischen Markt exportiert. Für eine resiliente Hinterlandanbindung
durch widerstandsfähige Binnenschifffahrt fällt den bestehenden deutschen und
europäischen Binnenwerften, z.B. im Duisburger Hafen, eine Schlüsselrolle zu. Die
bestehenden Kapazitäten für Neubau und Reparaturen dürfen nicht verloren gehen. Die
technologische Wende der Antriebsmodell ist in der Zukunft entscheidend. Der deutsche
Schiffbau zeichnet sich bereits jetzt durch eine hohe Innovationskraft aus, diese
Vorteile in Technologiefragen müssen in Zukunft in einen grünen und nachhaltigen
Schiffbau münden, um zum einen den Herausforderungen der Klimakrise zu begegnen und
zum anderen auf dem internationalen Markt trotz hoch subventioniertem Billig-
Schiffbaus mit nicht erneuerbaren Antriebsformen zu bestehen.

Diese Entwicklung kann aber erst einsetzen, wenn die strukturellen Probleme des
deutschen Schiffbaus aufgehoben werden. So gibt es im internationalen (auch
europäischen) Vergleich einen sehr geringen Umfang von Subventionen in Deutschland,
dadurch entsteht ein stetiger Wettbewerbsnachteil. Im Koalitionsvertrag der
Unionsparteien und der SPD aus dem Jahr 2018, wurde vereinbart, jedoch nicht
umgesetzt, den Überwasserschiffbau zur Schlüsseltechnologie zu erklären. Dies würde
ermöglichen, dass Rüstungsaufträge im Marinebereich auch direkt an nationale
Unternehmen vergeben werden. Deutschland würde damit dem Beispiel anderer
europäischer Staaten folgen. Diese fordern wir nun schnellstmöglich umzusetzen.
In Anbetracht der vielen Korruptionsfälle bei der Rüstungsbeschaffung in den letzten
Jahren kann eine solche "freihändige" Vergabe ohne Ausschreibung nur an entsprechend
unserer Beschlusslage verstaatlichte Rüstungsunternehmen erfolgen.
Finanziert durch das Sondervermögen für die Bundeswehr stehen eine Reihe von
Neubeschaffungen für die Marine an, diese Aufträge bieten das Potential, den Werften
in Deutschland eine Perspektive zu geben und Arbeitsplätze zu sichern. Hier muss die
SPD sich dafür einsetzen, dass die staatlichen Aufträge unabhängig von Seilschaften
und Lobbyeinfluss vielfältig vergeben werden. Gleichzeitig halten wir an unserem Ziel
fest, die Rüstungsindustrie zu verstaatlichen.

Die historisch einmalige Rolle deutscher Werften im Nationalsozialismus, ihre
Expansion durch Zwangsarbeit, lassen für uns nur den Schluss zu, dass auch die
Maritime Rüstungsproduktion langfristig keinen Platz in Deutschland haben sollte. Wir
wollen grundsätzlich, wie auch in der gesamten Rüstungsindustrie und den jeweiligen
Teilsparten der Konzerne, die Gewerkschaften in ihrem lang anhaltenden Kampf um
konversion der Produktion unterstützen und fordern daher die gleichen Mittel und
Kompetenzen für Konversionsvorhaben, wie auch für die ökologische Transformation.
Bei der Marineindustrie muss bei schon bestehenden und weiteren Aufträgen allerdings
zusätzlich beachtet werden, in welche Gebiete insbesondere U-Boote verkauft werden.
U-Boote, die für Kriegseinsätze oder Militäroffensiven genutzt werden, sollten bei
einem verhängtem Waffenexportstopp in solche Gebiete mit einbezogen werden. Eine
Zeitwende in der Werftpolitik muss dies beachten.

Um den geopolitischen, ökologischen sowie ökonomischen Herausforderungen der Zukunft
begegnen zu können, braucht es eine Neuausrichtung der Werftstrategie der
Bundesregierung. Es braucht einen technologischen Meilensprung hin zu nachhaltigem
(Transport-)schiffbau und eine Umstrukturierung der Besitzverhältnisse, die aus
unserer Sicht zum einen eine Demokratisierung der Betriebe und zum anderen die
Verstaatlichung der Standorte dort anvisieren muss, wo diese nicht bereits auf
öffentlichem Grund (Hafengebiete) angesiedelt sind. Die in der „maritimen
Forschungsstrategie 2025“ vorgesehene Förderung für die Industrieforschung muss
ausgebaut und erhöht werden. Für eine Sicherstellung von einer nachhaltigen
Transformierung von Standorten in strukturschwache Regionen. Zudem benötigt es eine
garantierte Standortsicherung der Werften, die die Voraussetzungen für
Transportschiffbau mitbringen. Im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft muss
auch Abwrackung und Recycling von Schiffen vermehrt hier in Europa stattfinden,
wodurch neue langfristige Arbeitsplätze mit verschiedenen Qualifizierungsniveaus
entstehen. Bisher findet die Verschrottung überwiegend in Ländern mit geringen
Standards für Arbeitssicherheit und unter Missachtung der Umweltauswirkungen statt.
Nachhaltigkeit muss sich aber auf das ganze “Leben” eines Schiffes beziehen.
Zudem benötigt es eine garantierte Standortsicherung der Werften, die die
Voraussetzungen für Transportschiffbau mitbringen. Im Sinne einer nachhaltigen
Kreislaufwirtschaft muss auch Abwrackung und Recycling von Schiffen vermehrt hier in
Europa stattfinden, wodurch neue langfristige Arbeitsplätze mit verschiedenen
Qualifizierungsniveaus entstehen. Bisher findet die Verschrottung überwiegend in
Ländern mit geringen Standards für Arbeitssicherheit und unter Missachtung der
Umweltauswirkungen statt. Nachhaltigkeit muss sich aber auf das ganze “Leben” eines
Schiffes beziehen. Die Europäische Union hat sich im Rahmen des European Green Deal
vorgenommen, die CO2 Emissionen des Maritimen Transports bis zum Jahr 2050 um 90% zu
reduzieren obwohl zugleich mit einem steigenden Frachtaufkommen gerechnet werden
muss.

Ziel muss es sein, eine europäische Souveränität auch im Bereich des globalen
Schiffmarktes herzustellen. Diese Zielstellung begreifen wir als mittel- und
langfristig angelegt,da auch die Vergesellschaftung in enger Abstimmung mit den
Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innen vor Ort geschehen muss und einer grundlegenden
gesellschaftlichen Debatte bedarf. Für uns ist weiterhin klar, dass wir eine
Demokratisierung der Betriebe anstreben. Diese Demokratisierung wird sich allerdings
in den aktuellen Besitzverhältnissen nicht vollziehen. Aus unserer Sicht kann die
Teilhabe der Arbeitnehmer*innen am Betrieb, durch eine Übernahme der Standorte durch
den Bund am ehesten gelingen.

Kurzfristig aber muss die Priorität darauf liegen, die Werftstandorte zu halten, auch
in aktuell ungünstigen Besitzverhältnissen. Dafür braucht es einen
institutionalisierten Werftauffang-Fonds des Bundes. Die Zeiten der „Schwarzen
Löcher“, in denen Subventionen und Rettungspakete des Bundes von Großkonzernen
geschluckt werden, müssen aber endgültig vorbei sein. Um die anvisierten Ziele zu
erreichen, müssen die Werften der Marktlogik entzogen werden. Der Markt wird die oben
beschriebenen Herausforderungen nicht lösen können.
Die Klimakrise erfordert eine Umorientierung, auch im Schiffsbau. Die Neujustierung
des Schiffbaus, hin zu nachhaltigen Antriebssystemen ist aber auch eine einmalige
Chance. Neben Antriebssystemen müssen auch die Konditionen des Schiffbaus angefasst
werden. So muss es möglich sein, in Zukunft für den Schiffbau nur noch „grünen
Stahl“, der zum einen ökologisch-nachhaltig und zu gerechten Arbeitsbedingungen
hergestellt wird, verwendet werden. Hierfür muss das Vergaberecht reformiert werden.
Dieser „teurere Stahl“ wird die Produktionskosten erhöhen, um diesen
Wettbewerbsnachteil auszugleichen, braucht es staatliche Maßnahmen, die in der Lage
sind, diesen auszugleichen. Daneben gilt es, einen Markt für die hier produzierten
Schiffe zu schaffen. In Deutschland und der EU eingeflaggte Schiffe sollen zukünftig
nachhaltig hergestellt worden sein und über nachhaltige Antriebstechnologien
verfügen. Gleichzeitig gilt es den anhaltenden Trend zur Ausflaggung inländischer
Schiffe zu stoppen, denkbare Mittel sind hier die gesetzliche Verpflichtung
europäischer Speditionen und Reedereien, sowie finanzielle Anreize über Liege- und
Passagegebühren. Klar ist aber auch, solche Maßnahmen lassen sich nur verwirklichen,
wenn sie im europäischen Verbund geschehen.

Für die europäischen Gewässer setzen wir uns für eine Begrenzung der Größe und
Tonnage je Schiff ein. Den Trend zu immer größeren Schiffen betrachten wir kritisch.
Einerseits lassen sich damit Kosten für den Transport drücken, andererseits steigen
das Risiko und die Auswirkungen einer schweren Havarie mit zunehmender Größe. Mit
einer Begrenzung der Tonnage fallen umweltschädliche Erweiterungen von Hafen- und
Werftanlagen, Vertiefungen natürlicher Gewässer und Fahrrinnen weg.
Auf europäischer Ebene setzen wir uns für die Schaffung eines Rechtsrahmens ein, um
die Subventionierung und auch die flächendeckende Vergesellschaftung in dieser
Branche zu ermöglichen. Dabei sollen nationale Alleingänge verhindert werden. Darüber
hinaus soll ein ständiges Austauschgremium bestehend aus Vertreter*innen aus Politik,
Gewerkschaft und Werften mit dem Ziel geschaffen werden, ein harmonisches Vorgehen
zwischen den betreffenden Mitgliedsstaaten zu erreichen.