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Beschlussarchiv

W1 2023
Grunderbe - weil alle erben sollten, was heute wenigen gehört

Die Bundesrepublik Deutschland ist der Staat mit der zweithöchsten Vermögensungleichheit im gesamten Euroraum. Lediglich zehn Prozent der Bevölkerung kontrollieren um die siebenundsechzig Prozent des gesamten gesellschaftlichen Vermögens, das reichste Prozent besitzt über ein Drittel des gesamten Vermögens und zwei Familien haben mehr Geld als die gesamte untere Hälfte der Bevölkerung. Gleichzeitig verfügen die ärmsten zwanzig Prozent über kein nennenswertes Vermögen und die ärmsten zehn Prozent sind sogar überschuldet. Das Ausmaß dieses Problems wird oft unterschätzt. Mit einem Gini-Index bei Vermögen von 0,8 (0 entspricht dabei einer absoluten Gleichverteilung, 1 entspricht einer maximalen Ungleichheit) ist Deutschland eine der weltweit ungleichsten Demokratien.

Da mehr als die Hälfte dieser Vermögen vererbt oder verschenkt wurden, steht diese massive Ungleichheit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem System von Erbschaft und Schenkung in Deutschland. Schätzungen bezüglich des deutschen Erbschaftsvolumens belaufen sich auf unglaubliche 400 Milliarden Euro pro Jahr – das ist ungefähr das gesamte Bruttoinlandsprodukt von Österreich oder 10 Prozent des BIP von Deutschland. Durch niedrige Steuersätze und eine regressive Steuerbelastung sowie hohe und viele Ausnahmen in der Erbschafts- und Schenkungssteuer werden lediglich 0,2 % dieses Erbes zurück in die Gemeinschaft bzw. an den Staat umverteilt. Dabei gilt die Regel: Je größer das Erbvolumen, desto niedriger die Steuerbelastung: Der durchschnittliche Steuersatz auf Erbschaften und Schenkungen von unter 20 Mio. Euro beträgt 9 %, bei Erbschaften und Schenkungen von über 20 Mio. nur noch lediglich 2,8 %.

Wohneigentum ist in Deutschland extrem ungleich verteilt: Unter den 10 % der Haushalte mit dem höchsten Nettovermögen verfügen 92 % über vermietete Immobilien, die  20 % mit dem niedrigsten Nettovermögen besitzen nur 2 %. Dabei sind mehr als 70 % der vermieteten Immobilien in der Hand der 10 % reichsten Haushalte. Die Wohneigentumsquote ist in keinem anderen EU-Land so niedrig wie in Deutschland. Nur 42 % der Personen besitzen die Immobilie, die sie bewohnen, in Ostdeutschland sogar nur 37 %. 1,3 % der Deutschen besitzen hingegen Mietwohnungen, die sie in den meisten Fällen geerbt haben oder durch eine Erbschaft finanzieren konnten.

Durch diese Wirkweise trägt die aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuer mit zu einer fortlaufenden Konzentration von Vermögenswerten bei, anstatt diese aufzuheben und steigert so Ungleichheit. Dadurch erfolgt für die Mehrheit der Menschen ein konsequenter Ausschluss von der Möglichkeit, Rücklagen zu bilden.

Dies steht in direktem Zusammenhang zu sozialer Mobilität: Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto niedriger ist ihre soziale Mobilität. Je mehr Erbe von immer weniger Menschen vererbt wird, desto schwieriger wird der Aufbau von Vermögen durch Erwerbsarbeit. Ungleichheit reproduziert sich dabei selbst. In Deutschland entsteht durch diesen Prozess Vermögen nahezu nur noch durch Erbgang. Dieser Zustand verhindert das Erreichen einer klassenlosen Gesellschaft. Die Idee einer Gesellschaft, in der Arbeit die treibende Kraft für Wohlstand ist, verkommt mit dem aktuellen System zur Legende.

Ungleichheit gefährdet die Demokratie

Die sich immer weiter verschärfende Vermögensungleichheit ist dabei nicht nur ein schwerwiegendes ökonomisches Problem, sondern auch eine ernste Gefahr für die Demokratie und ihre Institutionen. Vermögen ermöglichen ihren Eigentümern als ökonomische Form von Kapital innerhalb der kapitalistischen Produktions- und Verteilungsmechanismen Entscheidungshoheit über Produktionsabläufe und generieren somit politischen Einfluss, welcher demokratisch nicht kontrolliert werden kann. Wir lehnen die Anhäufung von Vermögen als Voraussetzung zur Teilhabe ab, erkennen aber, dass im kapitalistischen System, in dem wir leben, genau das der Fall ist. Langfristig übersetzen sich große Vermögensakkumulationen auch in Formen von sozialem, symbolischem und kulturellem Kapital. Das ökonomische und soziale Kapital der Eltern hat z.B. einen erheblichen Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder. Eltern mit höherem ökonomischen Kapital haben oft die Möglichkeit, ihren Kindern bessere Bildungschancen zu bieten, wie den Besuch von privaten Schulen, Nachhilfeunterricht oder individuelle Förderung. Diese zusätzlichen Ressourcen können dazu beitragen, dass Kinder bessere Noten in der Schule schreiben und sich auf höhere Bildungswege vorbereiten können.

Ebenso ermöglicht ein großes Vermögen Zugang zu kulturellen Veranstaltungen und Aktivitäten und somit zu sozialen und politischen Netzwerken. Daraus folgt, dass Vermögen nicht nur bloße Konzentrationen von Kaufkraft, sondern auch immer Akkumulationen politischer Macht sind. Ungleichheit von Vermögen bedeutet deshalb Ungleichheit politischer Einflussmöglichkeiten. Wenn Vermögen nahezu nur noch über Erbgang generiert und somit Ungleichheit in Vermögenswerten zementiert wird, folgt hieraus eine Manifestierung von Machtgefällen zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Diese Prozesse stehen in direktem Zusammenhang mit immer wiederkehrenden gesellschaftlichen Problemen. In unserer Gesellschaft, geprägt von patriarchalen, klassistischen und rassistischen sowie kolonialen Strukturen, die sich über die vergangenen Jahrzehnte bis heute konstant halten, erben Männer häufiger als Frauen, weil besonders große Vermögen oder Unternehmen oft an Söhne statt Töchter vererbt werden, und nur Familien, die keinen historischen Bruch, durch Flucht oder Vertreibung, und keine systemische und gesellschaftliche Benachteiligung erfahren haben, verfügen überhaupt über erhebliche Vermögen, um diese zu vererben.

In Deutschland gibt es historisch gewachsene Ausbeutungsmechanismen, die sich in verschiedenen Regionen auch heute noch im besonderen Ausmaß entladen.

Besonders eklatant zeigen sich diese Prozesse zwischen der besitzenden-kapitalistischen und der ausgebeuteten Klasse, zwischen Ost- und Westdeutschland, bei FINTA, Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen mit Behinderung und BIPoCs. Diese besitzen unter anderem aufgrund struktureller Diskriminierung und Unterdrückung weniger Vermögen.

Die Arbeiter*innenklasse wird im Kapitalismus, in dem wir leben, konsequent, strukturell und klassistisch benachteiligt. Allein durch Lohnarbeit ist es in der Regel so gut wie unmöglich, Rücklagen oder private Absicherungssysteme aufzubauen, sozialer Aufstieg durch Arbeit ist ein leeres, neoliberales Versprechen. Gleichzeitig führt ein mangelnder Zugang zu guter Lohnarbeit dazu, dass betroffene Personen seltener in beruflichen Spitzenpositionen Fuß fassen, soziales Kapital generieren und somit Wohlstand im Verlauf ihres Lebens erlangen. Im Gegensatz dazu können Menschen mit Einkommen, das nicht aus Lohnarbeit kommt, hohe leistungslose Vermögen anhäufen. Der Verdienst an den Grundbedürfnissen anderer wird über Generationen vererbt, während auf der anderen Seite auch Armut und insbesondere Schulden über Generationen weitergeben werden. Es braucht im Durchschnitt fünf Generationen, um aus dieser Armut auszubrechen. Hierdurch entsteht eine strukturelle Ungleichheit.

Zwischen West- und Ostdeutschland zeigt sich ein enorm starkes Gefälle, welches sich anhand von unterschiedlichen Lebensverhältnissen und der daraus resultierenden Chancenungleichheit manifestiert.

Mehr als 30 Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung Deutschlands sind die Unterschiede in den Lebensverhältnissen nach wie vor groß. Systembedingt konnten Menschen in der DDR weniger privates Vermögen aufbauen und an die nachfolgenden Generationen weitergeben als Menschen in Westdeutschland. Entsprechend sind die individuellen Nettovermögen in Ostdeutschland deutlich geringer als in den alten Bundesländern. Der Median des Nettogesamtvermögens liegt im Westen mit rund 60.000 € dreimal so hoch wie im Osten mit nur 21.000 €. Auch bei den Erbschaften zeigen sich extreme Ungleichheiten: Ostdeutsche erhalten seltener und kleinere Erbschaften. Am gesamten Erb- und Schenkungsvolumen 2021 hatte der Osten Deutschlands lediglich 2,8 Prozent. Schon beim Geldvermögen erben Westdeutsche mehr als Ostdeutsche: Die durchschnittliche Erbschaft liegt im Westen bei 92.000 €, im Osten nur bei 52.000 €.

Ein weiterer Faktor für die ungleiche Verteilung sind Immobilien: Während im Westen in jedem zweiten Erbfall Immobilien vererbt werden, ist dies im Osten nur bei jedem dritten Erbgang der Fall. Bei den Unternehmensvermögen ist die Ungleichheit noch drastischer. Zwischen 2009 und 2020 wurden über 409 Milliarden Euro steuerfrei verschenkt oder vererbt. Lediglich 1,6 Prozent gingen dabei nach Ostdeutschland. Es gibt heute keine Region in Europa, in dem eine Bevölkerung so wenig Grund und Boden, Immobilien und Betriebe besitzt, wie die Ostdeutschen in Ostdeutschland. Keine Bevölkerung hat dort, wo sie lebt, so wenig Führungspositionen inne wie die Ostdeutschen, sei es in den Betrieben, in den Medien, in den Verwaltungen und Banken, beim Militär und bei der Polizei oder an den Gerichten und Universitäten. Und auch diese fehlende Repräsentation steht im Zusammenhang mit fehlendem, sowie ungleich verteiltem Kapital und der damit verbundenen sozialen Ungleichheit.

Die Vermögensungleichheit zwischen Männern und FINTA ist enorm. Laut einer Oxfam Studie besitzen Männer 50 % mehr Vermögen als Frauen. Auch in Deutschland ist die Vermögensungleichheit sehr deutlich. Hauptgrund dafür ist, dass FINTA viel unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten. Durch patriarchale Macht- und Unterdrückungsstrategien verdienen Frauen für dieselbe Arbeit weniger Geld, arbeiten durch strukturelle Nachteile häufiger in prekären Beschäftigungsverhältnissen, beispielsweise Minijobs und Teilzeit (unbereinigter Gender-Pay-Gap von 18 % im Jahr 2023) und werden durch politische Rahmenbedingungen wie die aktuellen Regeln zum Unterhalts- und Betreuungsrecht oder dem Ehegatten-Splitting darüber hinaus zusätzlich strukturell benachteiligt, weshalb sie häufiger von Armut und insbesondere Altersarmut betroffen sind. FINTA werden durch ihre gesellschaftlich zugeschriebene Position seltener mit Erbe von Betriebsvermögen bedacht, welches den Großteil des vorhandenen Vermögens ausmacht.

In unserer Analyse beziehen wir uns hier auf die Geschlechterkategorien Mann und Frau. Dies hat den Grund, dass Binarität eine Grundlage der meisten Datenerhebungen ist, da die heterosexuelle Kleinfamilie Ausgangspunkt vieler Vorteile des Sozialstaats ist und deshalb eine zentrale Säule unserer feministischen Analyse sein muss. Nichtsdestotrotz erkennen wir an, dass queere Personen unter dem Patriachat leiden. Insbesondere trans Personen erfahren häufig (Mehrfach-)Diskriminierungen, was Auswirkungen auf ihren Zugang zum Arbeitsmarkt hat.

Menschen mit Behinderungen sind deutlich häufiger armutsgefährdet als Menschen ohne Behinderungen. Das Armutsrisiko von Menschen mit Behinderungen liegt bei ca. 20 %. Hierbei sind insbesondere jüngere Menschen mit Behinderungen von Armut betroffen, so lag die Quote der 26-49-Jährigen im Jahr 2018 bei 27,8 %. Behinderte Menschen, die in Werkstätten arbeiten, sind vom Mindestlohn ausgeschlossen, dies sorgt weiterhin für enorme Ungleichheit. So können Menschen mit Behinderungen kaum Einkommen generieren und somit keine Rücklagen bilden.  Außerdem werden Menschen mit Behinderung aufgrund nicht barrierefreier Infrastruktur oft vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, sodass eine Teilhabe an kulturellem und sozialem Kapital erschwert wird.

Aber nicht nur Menschen mit Behinderungen selbst, sondern auch ihre Angehörigen haben durch langfristige Pflege und Betreuung ein erhöhtes Armutsrisiko. Diese pflegenden Angehörigen sind zum überwiegenden Teil die weiblichen Familienangehörigen, die nicht entlohnte Pflegearbeit leisten. Aus den Schwierigkeiten der Vereinbarkeit zwischen Pflegearbeit und Erwerbsarbeit folgt auch hier häufig ein finanzieller Nachteil und Einschränkungen der sozialen Teilhabe.

Vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte und BIPoC sind in Deutschland mit den Folgen relativer Armut konfrontiert und einem enormen Armutsrisiko ausgesetzt. Dies wird vor allem auch durch die prozentualen Armutsentwicklungen der letzten Jahre verdeutlicht. Im Jahr 2022 betrug die Armutsgefährdungsquote 28,1 % - im Vergleich zu Menschen ohne Migrationsgeschichte lag diese nur bei 12,1 %. Dies macht deutlich, Armut ist nicht gleich Armut und muss differenziert betrachtet werden, auch in der Betrachtung der unterschiedlichen Herkunftsländer. Die meisten Menschen, die nach Deutschland migrieren oder flüchten, kommen ohne Vermögen und Besitz nach Deutschland. Deswegen sind Menschen mit eigener Migrationserfahrung von Armut nochmals stärker betroffen als Menschen mit Migrationsgeschichte ohne eigene Migrationserfahrung. Durch fehlende Teilhabeaspekte, diskriminierende Barrieren auf dem deutschen Arbeitsmarkt und dem strukturellen Ausschluss aus Bildungsinstitutionen, entstehen Wechselwirkungen, die das Armutsrisiko erhöhen und die Armutsspirale für Menschen mit Migrationsgeschichte zementieren. Gerade diese Zementierung durch die genannten Wechselwirkungen führt dazu, dass Armut an nachfolgende Generationen weitervererbt wird. Aufgrund fehlender Daten, die explizit auf die Lebensrealitäten von BIPoC eingehen, ist eine dezidierte Darstellung über die Armutsbetroffenheit von BIPoC nicht quantifiziert. Allerdings lässt sich strukturell erschließen, dass gerade eben auch BIPoC von Armut betroffen sind.

Aus einer intersektionalen Perspektive sind wir uns bewusst, dass die elaborierten Perspektiven sich überschneiden können und erkennen an, dass mehrfach marginalisierte Personen besonders von solchen Prozessen betroffen sind. Dieses intersektionale Verständnis ist zentral, um die bestehende Vermögensungleichheiten zu analysieren.

Jedes Erbvermögen hat zudem eine Geschichte. Diese Geschichte ist nicht immer rein und unbelastet. Einige der reichsten deutschen Erb*innen teilen nicht nur einen gewaltigen Wohlstand, sondern auch eine sehr belastete Vergangenheit. Der Ursprung ihres Vermögens ist von dunklen Kapiteln gezeichnet.

Beispielsweise profitieren die Erb*innen des BMW-Imperiums bis heute von den während der NS-Herrschaft erzielten Gewinnen, die durch Zwangsarbeit, Raub und Kriegsgewinne erwirtschaftet wurden. Sie sind nur die Spitze des Eisbergs in einer Generation von Erb*innen, deren Vermögen seine Wurzeln im Nationalsozialismus hat oder in der Zeit der NS-Herrschaft in großem Maße angehäuft wurde.

Nicht nur die NS-Vergangenheit ist hier von Bedeutung. Auch das koloniale Erbe spielt eine entscheidende Rolle, insbesondere in den alten Handelsfamilien, die von der Ausbeutung ehemals deutscher Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent profitierten. Beispiele wie das Unternehmen Sarotti der Familie Wöermann aus Hamburg zeigen, dass blutig erworbenes Kolonialvermögen bis heute in den Händen der Erb*innen verbleibt.

Tax the rich and lift the poor!

Nach alledem ist nicht zu bestreiten, dass es in der BRD einer grundlegenden Umverteilungspolitik bedarf. Hierfür sind eine umfassende Reform, vor allem die Abschaffung von Ausnahmen für Betriebsvermögen, sowie eine Erhöhung der Erbschaftssteuer unumgänglich.

Darüber hinaus wollen wir die Verschärfung der Erbschaftssteuer durch ein Grunderbe für alle ergänzen. Eine reformierte Erbschaftssteuer bei gleichzeitiger Auszahlung eines Grunderbes an junge Menschen von bereits 20.000€ hätte einer Studie des DIW folgend das Potential den Gini-Koeffizienten Deutschlands um bis zu 7,2% zu senken. Mit steigender Höhe des Grunderbes dürfte dieser Effekt noch stärker ausfallen.

Wenn jedem Menschen im Alter von 18 Jahren ein Erbe zusteht, ist dies eine massive Investition in junge Menschen. Während aktuell insbesondere Menschen im Alter von um die 50 Jahren erben, sorgt das Grunderbe dafür, dass junge Menschen über mehr Kapital verfügen. Es ist offensichtlich, dass je nach ökonomischer Situation das Grunderbe unterschiedlich eingesetzt werden wird. Dennoch werden junge Menschen das erhaltene Grunderbe im Vergleich zu einem älteren Erbenden öfter innovativ, investiv oder zum Zwecke der eigenen Ausbildung verwenden und seltener sparen. Dies bedeutet, dass das über das Grunderbe verteilte Vermögen schneller und direkter zur Steigerung gesellschaftlichen Wohlstands eingesetzt werden kann. Zudem kann das Grunderbe bei gleichzeitiger Reform der Erbschaftssteuer zu einer stärkeren Angleichung der Vermögensverhältnisse zwischen Ost und West sowie zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte beitragen.

Dabei ist uns aber klar, dass das Grunderbe für die Bekämpfung von Ungleichheit nur ein Baustein sein kann, aber die entscheidenden Weichen im Leben eines Menschen viel früher gestellt werden. Deshalb ist das Grunderbe kein Instrument, um Kinderarmut oder die ökonomische Abhängigkeit des Bildungserfolgs zu bekämpfen. Wir Jusos fordern weiterhin eine armutsfeste Kindergrundsicherung, eine Reform des Bildungssystems, in dem das ökonomische, soziale und kulturelle Kapital der Eltern keine Rolle mehr spielen. Ein armutsfester Sozialstaat steht für uns weiterhin an erster Stelle.

Ebenso muss uns klar sein, dass das Konzept eines Grunderbes droht, neoliberale Erzählungen “Jede*r ist des eigenes Glückes Schmied*in” zu bedienen - so wird das Grunderbe in armutsbetroffenen Familien vor allem genutzt werden, um das Existenzminimum zu sichern, während andere das Geld in kapitalistischer Manier vergrößern können. Deshalb schlagen wir zusammen mit unserem Konzept der Erbschaftsteuer vor, das Grunderbe mit den Freibeträgen zu verrechnen und so Mitnahmeeffekte zu minimieren.

Für uns ist klar: Das Grunderbe kann nur ein Baustein einer umfassenden Umverteilungspolitik sein. Das Grunderbe allein in einem rein kapitalistischen System ist kaum in der Lage, uns der Vision einer Gesellschaft der Freien und Gleichen näher zu bringen.

 Unser Grunderbekonzept

Unser Konzept des Grunderbes sieht eine bedingungslose Auszahlung von 60.000 € an jede Person vor, die das 18. Lebensjahr vollendet und ihren Hauptwohnsitz in Deutschland hat. Dies gilt für alle Menschen unabhängig des Aufenthaltsstatus. Die Verwendung des Grunderbes soll nicht zweckgebunden sein. Aufgrund unseres emanzipatorischen Weltbildes wissen wir, dass junge Menschen für sich selbst und ihre Handlungen Verantwortung übernehmen und selbstbestimmt über eine Geldsumme verfügen können. Jeden Versuch paternalistischer Bevormundung junger Menschen durch Auszahlungsbedingungen oder Zweckbindungen eines Grunderbes lehnen wir deshalb unbedingt ab.

Die Auszahlung erfolgt automatisch und antragslos. Menschen, die das Ihnen zustehende Grunderbe mit Vollendung des 18. Lebensjahres noch nicht verwenden wollen, sollen die Möglichkeit erhalten, ihr Grunderbe maximal bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres jederzeit nach Bedarf abzurufen.

Die Einführung des Grunderbes muss mit einer hohen Sensibilisierung einhergehen, wir wollen junge Menschen in allen Schulformen darüber aufklären, welche Möglichkeiten das Grunderbe bietet. Zusätzlich braucht es außerschulische Möglichkeiten der Aufklärung, z.B. im Rahmen von Kursen an Volkshochschulen. 

Der finanzielle Aufwand unseres Grunderbes beträgt rund 45 Mrd. Euro pro Jahr. Hierfür müssen nicht einmal 15 % der rund 400 Mrd. €, die jährlich leistungslos vererbt werden, durch die Erbschaftsteuer eingenommen und umverteilt werden. Wir schlagen hierfür folgende Reform der Erbschaftsteuer vor:

Unser Instrument, um die Vermögensgegensätze, die sich in den letzten Jahrzehnten kaum regulierter kapitalistischer Akkumulation gebildet haben, aufzulösen, ist die Erbschaft- und Schenkungsteuer (im Weiteren nur Erbschaftsteuer) als Bundessteuer.

In der jungsozialistischen Erbschaftsteuer soll es nur noch einen einzigen persönlichen und universellen Grundfreibetrag in Höhe von 999.999 Euro geben. Im Gegensatz zum bisherigen Steuersystem gilt dieser Freibetrag jedoch nicht mehr im konkreten Verhältnis erblassende Person und erbende Person bzw. schenkende Person und beschenkte Person innerhalb von 10 Jahren, sondern universell für jede Person lebenslang. Dies bedeutet, dass ein Mensch in seinem Leben maximal 999.999 Euro steuerfrei erben oder als Schenkung erhalten kann.

Die Besteuerung des außerhalb des Grundfreibetrages liegenden steuerpflichtigen Betrages soll mit einem Steuersatz von 10 % einsteigen. Zur Herstellung der Progression der Erbschaftsteuer bei gleichzeitig niedrigem Verwaltungsaufwand soll diese als Stufensteuer ausgestaltet werden. Der Einstiegssteuersatz von 10 % gilt hierbei für die erste Million, die außerhalb des Grundfreibetrags liegt. Die zweite Million soll auf der nächsten Stufe mit 20 % und die dritte Million auf der dritten Stufe mit 30 % besteuert werden. Die weiteren Stufen folgen diesem Prinzip, bis die neunte außerhalb des Freibetrags liegende Million mit 90 % besteuert wird. Ab diesem Punkt verbleibt der Steuersatz auf dieser Höhe.

Mitnahmeeffekte, die durch die bedingungslose Auszahlung des Grunderbes erzeugt werden, können über die Erbschaftssteuer wieder eingezogen werden. Hierfür müssen bestehende Freibeträge in der Erbschaftsteuer mit dem ausgezahlten und bis zum Erbfall verzinsten Grunderbe verrechnet werden.