1. Steuern und Sozialismus
Wir Jusos wollen die Gesellschaft der Freien und Gleichen. Darunter verstehen wir eine Gesellschaft, die sozialen, ökologischen und ökonomischen Fortschritt mit der freien Entwicklung und Entfaltung aller auf Basis ökonomischer Sicherheit verbindet. In ihr ist gleiche Teilhabe an Wohlstand und gleicher Zugang zu gesellschaftlicher Macht gewährleistet. Geschlecht, Sexualität, Herkunft, soziale Stellung, individuelle Vorlieben und körperliche wie geistige Verfassung gereichen in ihr niemandem zum Nachteil. Sie steht allen offen und sorgt für Teilhabe auf allen Ebenen. Die Gesellschaft der Freien und Gleichen kennt keine Grenzen. Das Streben hin zu dieser Gesellschaft und der Prozess des hierbei stetig zu erringenden Fortschritts begreifen wir als Demokratischen Sozialismus.
Immanenter Bestandteil des Demokratischen Sozialismus ist dabei das Bestreben eine sozialistische Organisation der Produktion zu erreichen. Der Bundeskongress 2019 hat mit dem Beschluss W3 Möglichkeiten einer solchen sozialistischen Produktionsweise unter den Bedingungen von Rechtsstaat und freiheitlicher Demokratie dargestellt.
Ein sozialistisches Verständnis von Besteuerung muss dem doppelten Sozialismusbegriff gerecht werden. Das heißt, unser Verständnis von Besteuerung muss der Erkenntnis gerecht werden, dass der Demokratische Sozialismus sowohl ein ständiger gesellschaftlicher Prozess, als auch eine Organisationsform der Produktion ist. Diese kann von der gesellschaftlichen Ressourcenverteilung durch Betriebsräte bis hin zu einer sozialistischen Marktlösung reichen. Dies bedeutet, dass der Entwurf eines sozialistischen Besteuerungssystem immer zwei Fragen beantworten muss:
2. Grundprinzipien einer sozialistischen Steuerreform
Anhand des sich aus unserer Programmatik ergebenden Verständnisses von Sozialismus lassen sich folgende Grundsätze für die von uns angestrebte Reform des Steuersystems feststellen:
Das Steuersystem sozialistischer Prägung
Dies bedeutet insbesondere, dass das Steuersystem sozialistischer Prägung
3. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Funktion von Steuern
In der Geschichte moderner Gesellschaften wurden einzelnen Steuern, aber auch dem gesamten Steuersystem bereits verschiedenste Funktionen zugewiesen. Um die oben beschriebenen Grundsätze zu erfüllen, bedarf es Klarheit über die Frage, welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Funktionen von Steuern erfüllt werden können.
Häufig wird im politischen sowie volkswirtschaftlichen Diskurs dem Steuersystem die Aufgabe der staatlichen Finanzierung zugewiesen. Das Steueraufkommen soll dabei möglichst die staatlichen Ausgaben decken. Wir Jusos lehnen eine solch starre Betrachtung staatlicher Besteuerung ab. Wie der Bundeskongress 2021 im Antrag W3 erkannt und beschlossen hat, sind die durch Steuern generierten Einnahmen keine notwendige Voraussetzung zur Finanzierung staatlicher Tätigkeiten.
Der Staat hat insbesondere für Investitionen eine praktisch unerschöpfliche Menge an Geld über die Zentralbank zur Verfügung. Die Frage ist hier nicht die Finanzierbarkeit, sondern ob Investitionen mit den verfügbaren Produktivkräften umsetzbar sind und sich langfristig lohnen. Für Ausgaben mit Zukunftscharakter bedarf es keiner unmittelbaren einnahmenseitigen Gegenfinanzierung über Steuern.
Steuern sind das wesentliche Instrument, um der ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen entgegenzuwirken. Der Staat übernimmt dabei die umverteilende Rolle. Hierfür stellen Ertragsteuern und Vermögenssteuern ein wesentliches Instrument dar. Zudem haben sich in den letzten Jahrzehnten in den Händen Einzelner durch die Aneignung fremder Arbeitskraft derartige Kapitalmengen akkumuliert, dass sie neben einem Gerechtigkeitsproblem auch ein gesellschaftliches Machtungleichgewicht zugunsten einiger weniger Hochvermögender schaffen. Dies stellt neben den unerwünschten sozialen Implikationen auch eine Bedrohung für den Anspruch dar, gesellschaftliche Produktion zu lenken. Somit ist es erforderlich, insbesondere über erhöhte vermögenswirksame Steuern (d.h. Erbschafts- und Vermögenssteuern), akkumulierte Guthaben wieder zu vergesellschaften und gesamtwirtschaftlich nutzbar zu machen.
3. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Steuerungs- und Lenkungsfunktion
Häufig wird Steuern unter der Phrase “Steuern durch Steuern” auch Steuerungs- oder Lenkungsfunktion zugewiesen. Der erhoffte Lenkungseffekt bezieht sich dabei sowohl auf individuelles Verhalten wie Konsum als auch auf makroökonomische Kennzahlen wie Produktion, Binnennachfrage, Konjunktur und Inflation. Häufig sollen hier indirekte Steuern als Mittel der Lenkung zum Einsatz kommen.
Für uns Jusos ist klar, dass indirekte Steuern zur gezielten Lenkung der Produktion beitragen können. Höhere indirekte Steuern können die Produktionskosten erhöhen. Dies senkt oder verlagert die Produktion und Investitionen in diesen Bereich.
Der extensiven Lenkung individuellen Konsumverhaltens durch indirekte Besteuerung, stehen wir auf Grund der kaum zu vermeidenden sozialen Ungerechtigkeiten, die diese mit sich bringt, kritisch gegenüber.
Der Staat ist als Träger der Besteuerung in hohen Maße auf die Mitwirkung steuerpflichtiger Personen angewiesen. Im derzeitigen System profitieren insbesondere Gruppen mit bereits hoher Macht- und Kapitalkonzentration von zahlreichen Möglichkeiten, diese Mitwirkung zu verweigern oder auf Grund der Komplexität des Systems Lücken zu finden. Ein umfassendes Eigentums-, Besitz- und Vermögensregister ist deshalb die notwendige Voraussetzung einer gerechten Besteuerung, um so gesellschaftliche Klarheit über die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft zu erhalten.
Darüber hinaus muss das sozialistische Steuersystem dem Grundsatz “So einfach wie möglich, damit möglichst jeder das System versteht und versteckte Lücken geringer werden und so komplex wie nötig, damit ausreichende Einzelfallgerechtigkeit gewahrt ist” folgen.
Intersektionale Perspektive auf das deutsche Steuersystem
Um die Wirkung von Steuern zu verstehen und warum vor allem marginalisierte Gruppen unter dem jetzigen Steuersystem leiden, ist es wichtig Intersektionalität zu verstehen und sich die bestehenden Ungleichheiten bewusst zu machen. Der Begriff Intersektionalität ist geprägt von der Juristin Kimberlé Crenshaw und beschreibt das Überschneiden von Diskriminierungen (bspw. race, class und gender).
Dass Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten nicht die Gesamtgesellschaft betreffen, sondern vor allem marginalisierte Gruppen, zeigen die Armutsgefährdungsquoten. Sie zeigen beispielsweise, dass Menschen mit Migrationsgeschichte eine Armutsgefährungsquote von 38,9 % haben. Im Vergleich lag die gesamtgesellschaftliche Armutsgefährdungsquote 2020 bei 16,2 %. Ebenso stärker von Armutsgefährdung betroffen sind Erwerbslose, Menschen mit lückenhafter oder ohne (Berufs-)Qualifizierung, Alleinerziehende, junge Menschen, Rentner*innen, queere Menschen im Alter und Frauen. Im Kontext dieses Antrags werden wir ausschließlich den Begriff Frauen verwenden, da unter anderem die Datenlage zu nicht-binären Menschen fehlt.
Derzeit ist Vermögen und Einkommen extrem ungleich verteilt – so besitzen die reichsten 10% ca. 67% des gesamten Vermögens und damit mehr als alle anderen 90% zusammen. Eine Folge dieser Ungleichheit ist Armut. Diese befördert z.B. schlechtere Bildungschancen: Wer kein Vermögen hat, hat schlechtere Startvoraussetzungen und damit geringere Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben.
Das Problem ist also klar: Das jetzige System schafft es nicht, marginalisierte Gruppen zu schützen und Vermögen umzuverteilen. Dies ist der jetzige, fatale Status Quo, auf welchen man mit einem jungsozialistischen Steuersystem endlich Antworten finden muss.
Unser feministisches Steuersystem
In unserer Erarbeitung eines jungsozialistischen Steuersystems müssen wir einmal mehr verdeutlichen, was wir mit dem “lila Faden” meinen: Das Identifizieren patriarchaler Struktur in jedem politischen Teilbereich.
In unserer Analyse beziehen wir uns hier auf die Geschlechterkategorien Mann und Frau. Dies hat den Grund, dass die heterosexuelle Kleinfamilie Anknüpfungspunkt vieler steuerlicher Vorteile ist und deshalb eine zentrale Säule unserer feministischen Analyse sein muss. Nichtsdestotrotz erkennen wir an, dass queere Personen unter patriarchaler Gewalt leiden.
Im Einzelnen ist dies besonders wichtig für unsere Analyse der tatsächlichen Steuerlast nach Geschlecht, der Identifikation (indirekter) Anreize für heterosexuelle Kleinfamilienmodelle, die Frauen strukturell erschweren eigenes Vermögen zu akkumulieren und zu halten, die Vermögensungleichverteilung nach Geschlecht, sowie die Einkommensverteilung. Denn Frauen werden strukturell von Kapital ausgeschlossen, um sie im Raum des Privaten und der Sorgearbeit zu halten und ihnen so Machtmöglichkeiten zu verwehren. Auch außerhalb von heterosexuellen Beziehungen werden Frauen durch das Patriarchat unterdrückt. Lesbische Paare haben im Vergleich zu heterosexuellen Paaren ein deutlich niedrigeres Einkommen, da sie durch den Gender Pay Gap doppelt betroffen sind und geringere durchschnittliche Einkommen als heterosexuelle Beziehungen haben.
Schon lange fordern wir Jusos die Abschaffung des Ehegattensplittings. Bei 90% der vom Ehegattensplitting profitierenden Partnerschaften, ist die Frau diejenige, die weniger verdient als der Mann, was durch dieses Instrument verstärkt wird. Wir wollen nochmal mit Nachdruck wiederholen, dass das Ehegattensplitting abgeschafft werden muss. Darunter verstehen wir die vollständige Abschaffung des Splittingtarifs zugunsten konsequenter Individualbesteuerung.
Eine wirkungsvolle Vermögenssteuer kann außerdem ein Umverteilungsmechanismus auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit sein. Männer verfügen im Schnitt über rund 33% mehr Vermögen als Frauen.
Viele Steuervorteile werden überdurchschnittlich von Männern geltend gemacht, was häufig damit zu tun hat, dass Frauen in ihrem Erwerbsleben weniger oft in hohe Positionen kommen und häufiger in Teilzeit oder prekärer Beschäftigung angestellt sind. So machen Frauen beispielsweise nur etwa die Hälfte der Werbungskosten geltend, die im gleichen Zeitraum von Männern geltend gemacht werden. Auch Arbeitswege sind in Deutschland steuerlich gefördert, Wege für unbezahlte Carearbeit (wie etwa der Weg, um Kinder zur Schule zu bringen) allerdings nicht.
Unser antirassistisches Steuersystem
Im vorherrschenden Steuersystem werden vor allem weiße, reiche Männer bessergestellt. Wohingegen migrantisierte Menschen, beispielsweise bei der Erbschaftssteuer, nicht von den großzügigen Verschonungsregeln für Betriebsvermögen profitieren, da sie weniger ökonomisches Kapital besitzen. Steuern auf Lohn treffen sie vergleichsweise härter. In Deutschland besteuern wir gerade aber vor allem Lohn und nicht Vermögen. Hierdurch reproduziert das aktuelle Steuersystem die bestehenden Vermögensunterschiede zwischen migrantisierten und weißen Menschen.
Ein weiteres Problem ist der Rassismus in der Finanzverwaltung. Rassistische Vorstellungen sind in deutschen Behörden noch immer weit verbreitet und strukturell eingebettet. Dies führt zu weiteren Stigmatisierungen und Diskriminierungen, wie z.B. häufigere Betriebsprüfungen.
Historisch gesehen sind Kleingewerbe-Betriebe, wie Gastronomien, Kioske oder Lebensmitteleinzelhandel, oft durch migrantisierte Menschen geprägt. Der Weg in die Selbstständigkeit dient in der migrantischen Ökonomie dabei als Ausbruch aus ausbeuterischen Lohnarbeitsverhältnissen und rassistisch geprägten Abhängigkeitsverhältnissen zu Arbeitgeber*innen. Der einfachste Weg in die Selbstständigkeit ist die Form des Einzelunternehmens. Dieser ist oft mit hohen bürokratischen Hürden und finanziellem Aufwand verbunden. Die Entlastungen, die wir im Folgenden für niedrige Einkommen in der Einkommensteuer vorschlagen, wirken auch hier entlastend. Dasselbe gilt für die im Weiteren vorgeschlagenen staatlichen Steuerberatungsleistungen für die Neugründung von Kleinbetrieben. Eine Reform des Steuerwesens muss eine steuerliche Entlastung von wenig kapitalintensiven Kleinst- und Kleinbetrieben umfassen.
Darüber hinaus arbeiten migrantisierte Menschen überdurchschnittlich häufig in nicht-tarifgebundener, prekärer Beschäftigung. Sie sind öfter von Armut betroffen und haben ein höheres Risiko in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. Dies liegt etwa an rassistischen Strukturen im Bildungssystem und eingeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt. Aktuell belasten indirekte Steuern migrantisierte Menschen meist stärker als weiße Menschen. Im Widerspruch von Kapital und Arbeit finden sich migrantisierte Menschen oft auf der Seite der Arbeit wieder und damit struktureller Ungleichheit ausgesetzt. Unsere kritische Auseinandersetzung mit indirekten Steuern und ihren Wirkungsweisen, unterliegt deshalb auch unserer antirassistischen Perspektive.
Unser internationalistisches Steuersystem
Aktuell wird die globale Steuerordnung zur Festlegung internationaler Regelungen von Ländern des Globalen Nordens dominiert, insbesondere über die G20 und die OECD.
Das gegenwärtige internationale Steuersystem lässt viel Spielraum für aggressive grenzüberschreitende Steuervermeidung und -hinterziehung sowie intransparente Steuergestaltung zu. Aktuelle Bemühungen der internationalen Gemeinschaft adressieren diese Probleme jedoch nicht hinreichend und führen weiterhin zu Steuerverlusten in Milliardenhöhen. Besonders Länder des Globalen Südens leiden darunter. Unter Anderem dieser Steuerverlust untergräbt Entwicklungschancen und die Finanzierung von grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen und Gütern.
Wir treten für eine internationale Steuer-Governance, die inklusiv und gleichberechtigt ist, ein. Internationale Steuerregeln sollten nicht von den Ländern des Globalen Nordens diktiert werden. Jedes Land sollte gleichberechtigt bei der Gestaltung des internationalen Steuersystems mitwirken dürfen. Daher fordern wir, dass internationale Steuerfragen und die internationale Kooperation zu Steuerfragen in multilateralen Organisationen mit gleichberechtigter und inklusiver Teilhabe organisiert werden. Die OECD ist aufgrund der Dominanz der Staaten des Globalen Nordens hierfür keine geeignete Plattform. Aktuell ist eine gleichberechtigte und inklusive Teilhabe an der Festlegung solcher Regeln für internationale Steuer-Governance am ehesten unter dem Dach der UN möglich. Deshalb fordern wir eine UN-Steuerkonvention, in der neben Regelungen zur Zusammenarbeit und Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung auch einheitliche Regeln zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung allgemeinverbindlich festgelegt werden. Hierdurch werden die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen, die in der Regel zum Vorteil der Staaten des Globalen Nordens wirken, durch eine gerechtere Regulierung ersetzt.
Wir unterstützen die Länder des Globalen Südens beim Aufbau von feministischen, dekolonialen, progressiven, gerechten und transparenten Steuersystemen. Daher fordern wir, dass die auszubauende deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Abstimmung mit den Partnerländern und entsprechend deren Bedürfnissen diese finanziell und technisch beim Aufbau schlagkräftiger Steuerverwaltungen und der Ausbildung relevanter Fachkräfte unterstützt.
Regionalökonomische Perspektiven
Wirtschaftlich betrachtet wird allgemein oft angenommen, dass in den Städten hohe Einkommen und hohe Mieten vorherrschen. Auf dem Land dagegen seien sowohl die Mieten als auch die Einkommen geringer.
Ein Blick auf die Daten zeigt, dass die Städte sehr wohl die ökonomischen Zentren bilden und dort das BIP pro Kopf, also die Wertschöpfung wesentlich höher ist, als in ländlich geprägten Gebieten. Auch die angenommenen Unterschiede in den Mieten bestätigen sich.
Bei den Unterschieden in den Einkommen ist allerdings in den vergangenen Jahren eine Angleichung zu beobachten. So liegt der Median der verfügbaren Einkommen in den Städten nur noch knapp 6% über dem Median der Einkommen auf dem Land. Ein Unterschied, der sich durch die höheren städtischen Mieten mindestens aufhebt.
Mit Blick auf die kommunalen Steuern zeigen sich einige Unterschiede zwischen Stadt und Land:
Die Belastung durch kommunale Steuern ist in Städten höher als auf dem Land. Ursächlich ist die unterschiedliche Höhe beispielsweise der Grundsteuer B, Gewerbesteuer oder Hundesteuer.
Dabei ist zu bedenken, dass marginalisierte Gruppen, vor allem BIPoCs, wesentlich häufiger in Städten wohnen. Die steuerliche Benachteiligung des Lebens in Städten gewinnt hierdurch intersektionale Relevanz.
Neben einem regionalen Gefälle zwischen Stadt und Land ergibt sich auch ein Gefälle zwischen dynamischen Entwicklungsräumen und Räumen, die von Deindustrialisierungsprozessen betroffen waren oder sind, wie z.B. die ostdeutschen Flächenländer, das Ruhrgebiet und das Saarland. Diese Kommunen sind fast flächendeckend steuerschwach und haben so einen deutlich geringeren Gestaltungsspielraum bei der kommunalen Selbstverwaltung.
Ein Großteil unserer Kommunen ist chronisch unterfinanziert. Durch das gegenwärtige System, in welchem die Kommunen die Höhe der für ihre Gemeinde erhobenen Gewerbesteuer selbst bestimmen, entsteht ein Unterbietungswettbewerb. Die Kommunen versuchen durch möglichst niedrige Gewerbesteuersätze Sitzverlegungen von Betrieben in ihre Gemeinde zu erreichen, um somit überhaupt gewisse Einnahmen zu erzielen.
Dieses schädliche “race-to-the-bottom” findet sowohl im Verhältnis größerer Städte zu ihren Umlandgemeinden, als auch zwischen ländlichen Gemeinden statt. Die hierdurch insgesamt entstehenden Mindereinnahmen der kommunalen Ebene werden dann unter anderem durch Erhöhungen der kommunalen Grundsteuerhebesätze notdürftig ausgeglichen, da hier der Gegenstand der Besteuerung weniger mobil ist.
Mit unserer Steuerreform wollen wir aus diesem Teufelskreislauf ausbrechen. Hierfür wollen wir den steuerlichen Teil der kommunalen Finanzierung auf völlig neue Grundlagen stellen.
Wir wollen die Grundsteuer und Gewerbesteuer abschaffen. Die Grundsteuer wird vollständig durch das von uns vorgeschlagene Vermögensteuerkonzept ersetzt. Anstelle der Gewerbesteuer wird die Körperschaftsteuer um 15% erhöht. Damit wollen wir den kommunalen Unterbietungswettbewerb beenden. Im neuen System steuerlicher Kommunalfinanzierung soll nicht mehr entscheidend sein, welcher Gemeinde es gelingt, möglichst viele Unternehmen anzulocken oder wo zufällig eher wohlhabende Menschen leben. Einzig und allein entscheidend soll der finanzielle Bedarf der Gemeinde sein.
Hierfür soll ein bundesweiter Fond eingerichtet werden. In diesen soll zunächst der Teil der Körperschaftsteuer, der die Gewerbesteuer ersetzt, einfließen. Ergänzt werden soll er durch einen angemessenen Anteil der Vermögen-, Erbschaft- und Einkommensteuer. Diese wollen wir daher als Bundessteuern ausgestalten. Das Gesamtvolumen dieses Fonds wird im Anschluss auf alle Kommunen nach einem Schlüssel, der sowohl einen Bevölkerungs- als auch einen Flächenfaktor enthält, verteilt.
Die Gestaltungsfreiheit kommunaler Selbstverwaltung wird so durch eine bundesweit gleichmäßige und gerechte Verteilung steuerlicher Mittel gewährleistet. Andere Mechanismen kommunaler Finanzierung wie Schlüsselzuweisungen, das Recht Gebühren und Abgaben zu erheben und das kommunale Erfindungs- und Erhebungsrecht lokaler Verkehrssteuern sollen hiervon unberührt bleiben. So wird die kommunale Selbstverwaltung vom steuerlichen Unterbietungswettbewerb befreit und ist frei in der Gestaltung des kommunalen Gemeinwesens.
Vermögen
Die konsequente Besteuerung von Vermögenswerten ist zentral für eine konsequente Umverteilungspolitik.
Vermögen setzt sich dabei einerseits aus Ersparnissen im Laufe eines Lebens zusammen und andererseits aus Erbschaften früherer Generationen. Das Vermögen der reichsten 1000 Familien Deutschlands ist überwiegend über hundert Jahre alt, nur 24 % sind seit 1950 entstanden.
Bei einem Gesamtvermögen der privaten Haushalte in Deutschland von knapp 11 Billionen Euro werden zwischen 2015 und 2024 drei von zehn Vermögenswerten den*die Besitzer*in wechseln. In diesem Zeitraum werden 3,1 Billionen Euro vererbt, 2,1 Billionen davon an die nächste Generation.
Dabei sind Erbschaften in Deutschland sehr ungleich verteilt: wie bei großen Vermögen, konzentrieren sich auch große Erbschaften auf wenige Personen. Während jede achte Erbschaft vermögenslos ist, geht die Hälfte des gesamten Erbschaftsvolumens an die oberen zehn Prozent. Erbschaften verstärken die absolute Ungleichheit enorm: Personen mit größerem kulturellem und ökonomischem Kapital haben eine höhere Erbchance und erhalten höhere Erbsummen.
Ein erheblicher Unterschied zeichnet sich auch zwischen Ost- und Westdeutschland ab, so ist die Erbquote mit 33% in Ostdeutschland deutlich geringer als mit 49% in Westdeutschland.
Erbschaft- und Schenkungsteuer
Unser Instrument, um diese Vermögensgegensätze, die sich in den letzten Jahrzehnten kaum regulierter kapitalistischer Akkumulation gebildet haben, aufzulösen, ist die Erbschaft- und Schenkungsteuer (im Weiteren nur Erbschaftsteuer) als Bundessteuer. Eine konsequente Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen ermöglicht einen direkten staatlichen Zugriff zum Zwecke der Umverteilung bei verhältnismäßig wenig Verwaltungsaufwand. Zu diesem Zwecke wollen wir die bestehende Erbschaftsteuer vereinfachen und gleichzeitig progressiv ausgestalten.
Die Vereinfachung erfolgt im Wesentlichen durch die konsequente Reduzierung von Ausnahmetatbeständen und Freibeträgen.
Als einziger Ausnahmetatbestand, neben üblichen Gelegenheitsgeschenken und Zuwendungen an öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen, verbleibt in unserem Konzept die steuerfreie Vererbbarkeit/Schenkung einer vom Erben/Beschenkten selbst bewohnten Immobilie, die angemessene Grundmaße nicht überschreitet.
Die Erbschaftsteuer soll darüber hinaus alle übertragenen Vermögenswerte abzüglich zusammenhängender Verbindlichkeiten erfassen. Für die auf betriebliches Vermögen oder auf Unternehmensanteile anfallende Erbschaftsteuer sollen dem Steuerpflichtigen verschiedene Möglichkeiten eingeräumt werden, seine Steuerschuld zu begleichen. Diese reichen von großzügigen Stundungsregeln, die eine Abführung der zu verzinsenden Steuerschuld innerhalb von bis zu 20 Jahren ermöglichen, über die Möglichkeit die Steuerschuld direkt in stimmberechtigten Unternehmensanteilen zu bezahlen bis zur Option im Gegenzug zu Demokratisierungsmaßnahmen im Unternehmen einen teilweisen Erlass auf die Steuerschuld zu erhalten.
In der jungsozialistischen Erbschaftsteuer soll es nur noch einen einzigen persönlichen und universellen Grundfreibetrag in Höhe von 999.999 Euro geben. Im Gegensatz zum bisherigen Steuersystem gilt dieser Freibetrag jedoch nicht mehr im konkreten Verhältnis Erblasser und Erbe bzw. Schenker und Beschenkter innerhalb von 10 Jahren, sondern universell für jede Person lebenslang. Dies bedeutet, dass ein Mensch in seinem Leben maximal 999.999 Euro steuerfrei Erben oder als Schenkung erhalten kann.
Die Besteuerung des außerhalb des Grundfreibetrages liegenden steuerpflichtigen Betrages soll mit einem Steuersatz von 10% einsteigen. Zur Herstellung der Progression der Erbschaftsteuer bei gleichzeitig niedrigem Verwaltungsaufwand soll diese als Stufensteuer ausgestaltet werden. Der Einstiegssteuersatz von 10% gilt hierbei für die erste Million, die außerhalb des Grundfreibetrags liegt. Die zweite Million soll auf der nächsten Stufe mit 20% und die dritte Million auf der dritten Stufe mit 30% besteuert werden. Die weiteren Stufen folgen diesem Prinzip, bis die neunte außerhalb des Freibetrags liegende Million mit 90% besteuert wird. Ab diesem Punkt verbleibt der Steuersatz auf dieser Höhe.
Eine solche Stufensteuer hat praktisch folgende Auswirkungen: Eine Person, die 999.999 Euro erbt, zahlt keine Erbschaftssteuer. Gleiches gilt für Erbschaften oder Geschenke über eine selbst bewohnte Immobilie, die angemessenen Maßen entspricht. Dies stellt im Verhältnis zum jetzigen Stand eine enorme Steuersenkung für Erbschaften in diesem Bereich dar.
Auch eine Person, die 3 Millionen Euro erbt, muss lediglich Erbschaftsteuer in Höhe von 300.000 Euro zahlen. Eine Person, die 10 Millionen Euro erbt, muss in diesem Szenario lediglich 4,5 Millionen Euro Steuern abführen. Es verbleiben also über 50% der Person, die die Zuwendung erhält.
Die Senkung der Steuer auf vergleichsweise “kleine” Erbschaften wird im System ausgeglichen durch eine intensive Besteuerung von Erbschaften über 9 Millionen Euro. Ab hier steigt die Steuer in dem Sinne an, als dass auf jeden Euro Zuwendung über 9 Millionen Euro 90ct Steuern zu zahlen sind. So beträgt in unserem Konzept die Steuerlast bei einer Erbschaft von 15 Millionen 9 Millionen Euro und liegt bei einer Erbschaft von 20 Millionen Euro bereits bei 13,5 Millionen Euro. Eine Umgehung der Erbschaftsteuer durch Verschiebung von Vermögen in Stiftungen gleich welcher Rechtsnatur, wollen wir gesetzlich ausschließen.
Vermögensteuer
Wir fordern die Wiedereinführung der Vermögensteuer als Bundessteuer. Diese verstehen wir als Akkumulationsbremse. Sie soll also verhindern, dass einzelne Menschen immense Vermögen anhäufen. Eine Anhäufung von Vermögen und ihre Akkumulation bestimmt durch ihre Limitierung von ökonomischen und kulturellem Kapital (wie Bildung) maßgeblich die Schichtung einer Gesellschaft, indem sie in dieser eine Hierarchie schafft und erhält. Dies und der hohe Verwaltungsaufwand einer ständigen Veranlagung von Vermögen veranlassen uns dazu, die Vermögensteuer so auszugestalten, dass sie nur etwa 0,1% der Bevölkerung treffen wird.
Wir wollen ausschließlich natürliche Personen, Einheitsgesellschaften sowie Stiftungen besteuern. Dabei besteuern wir das globale Vermögen von
in Deutschland sowie alles Vermögen in Deutschland. Nicht besteuert werden soll Gebrauchsvermögen. Wir fordern einen pauschalen Freibetrag von 2 Millionen Euro pro Person, zusätzlich einen Freibetrag von 3 Millionen Euro für eine selbst bewohnte Immobilie und einen Freibetrag von 5 Millionen Euro für ein selbst geführtes Unternehmen, welches sich zu mindestens 25% im eigenen Besitz befindet. Unternehmensanteile, welche nicht diesen Anforderungen entsprechen, fallen in den pauschalen Freibetrag. Für Stiftungen gilt ein pauschaler Freibetrag von 10 Millionen Euro.
Vermögen über den Freibeträgen soll mit einem Satz von 1% pro Jahr besteuert werden. Dieser Satz soll bis zu einem Wert von 3% ab einem zu versteuernden Vermögen von 50 Millionen Euro ansteigen. Wie die Erbschaftsteuer kann die Vermögensteuer durch stimmberechtigte Unternehmensanteile beglichen, in Jahren mit schlechtem Ertrag gestundet oder durch Demokratisierung des selbstgeführten Unternehmens gesenkt werden.
Einkommensteuer
Die Einkommensteuer ist die Steuer, die in ihrer derzeitigen Form am gerechtesten funktioniert. Einkommen aus Arbeit wird progressiv besteuert, Hochverdiener*innen zahlen am meisten Steuern. Doch auch die aktuelle Einkommensteuer hat nur mäßig umverteilende Wirkung, während zwar niedrige Einkommensgruppen gering belastet und Spitzenverdiener*innen absolut am höchsten besteuert werden liegt die höchste Steigung der Grenzsteuersätze derzeit im Bereich mittlerer Einkommenshöhen.
Hier bedarf es einer Korrektur des Tarifs. Wir fordern eine Einkommensteuer, welche in einer konvexen Kurve zunächst flach ansteigt, sodass der Grenzsteuersatz für das Durchschnittseinkommen nicht über 25% liegt und dann den Anstieg in einer steileren Progression fortsetzt, bis sie beim zwanzigfachen des Durchschnittseinkommens, derzeit etwa 1 Mio Euro brutto im Jahr, zum Höchststeuersatz von 80% übergeht. Die derzeit annähernd konkave Grenzsteuerkurve soll also in eine annähernd konvexe Form gebracht werden.
Durch die sogenannte Kapitalertragsteuer werden aktuell Einkommen aus Kapitalgewinn (z. B. Zinsen und Dividenden aus Kapitalanlagen sowie Gewinne aus Wertpapierverkäufen) besteuert. Dabei besteht aufgrund der sogenannten abgeltenden Wirkung keine Pflicht mehr, diese bereits versteuerten Beträge in der Einkommensteuer anzugeben. Folglich wird in Deutschland derzeit das Kapitaleinkommen niedriger als das Arbeitseinkommen besteuert. Dies führt zu einer überproportional starken Belastung des Faktors Arbeit im Vergleich zum Faktor Kapital. Die Argumentation, dass durch eine geringere Kapitalertragsteuer Steuerflucht vorgebeugt würde, weil es sich dann eher lohne, mit dem vorhandenen Kapital im deutschen Finanzsystem zu wirtschaften, halten wir für falsch. Steuerflucht ist nicht durch Steuersenkungen, sondern durch multilaterale Abkommen, internationalistische Kooperation und die Bindung der Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft sowie durch den Ausbau der Steuerfahndungen zu bekämpfen.
Wir fordern daher eine einheitliche Besteuerung aller Einkommen unabhängig davon, ob sie aus Arbeit, Kapitalertrag oder anderen Quellen stammen. Dafür soll unsere Einkommensteuer jeweils direkt am Ort der Wertschöpfung erhoben werden. Wir wollen das System der bestehenden Lohnsteuer beibehalten und die Kapitalertragsteuer in ein vergleichbares System überführen. Für die Kapitalertragsteuer sollen folglich pauschale Abschläge und Jahresendabrechnungen eingeführt werden, wobei die Person, die die Ausschüttung des Einkommens durchführt, auch für die Abführung der Steuer verantwortlich ist. Um darüber hinaus sicherzustellen, dass der Faktor Kapital nicht gegenüber dem Faktor Arbeit bevorzugt wird, wollen wir die sogenannten Spekulationsfristen für private Veräußerungsgeschäfte von nicht selbstbewohnten Immobilien mit angemessenen Maßen und von anderen Wirtschaftsgütern von nicht täglichen Bedarf abschaffen.
Besteuerung von Unternehmen
Die Frage der Art und Weise der Besteuerung von Unternehmen ist seit vielen Jahren zentraler Diskussionspunkt vieler steuerpolitischer Debatten. Dabei wird sowohl die Besteuerung von Einkommen als auch von Vermögen gestreift. Mit Unternehmen werden in diesem Zusammenhang in aller Regel juristische Personen des Privatrechts gemeint, bei denen nicht der Personenverbund der Gesellschafter*innen, sondern das eingelegte Stammkapital im Fokus der juristischen Person steht. Solche sogenannten Kapitalgesellschaften stellen, in Abgrenzung zu den sogenannten Personengesellschaften, vollständig eigenständige Rechtssubjekte dar.
Wir stellen fest, dass die Gründung solcher Unternehmensformen mit fehlendem sozialen und ökonomischen Kapital in der Praxis mit großen Hürden verbunden ist. Das Gründen von Kleinunternehmen, die im Sinne einer dezentralen und gerechteren Verteilung von wirtschaftlichem Potential angestrebt wird, sollte durch strukturelle Maßnahmen erleichtert werden. Dafür wollen wir einen Anspruch auf kostenfreie Steuerberatung für die Gründung von Kleinunternehmen im Rahmen staatlich organisierter Angebote ermöglichen.
Bei der Besteuerung von Personengesellschaften wollen wir beim bewährten System der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung bleiben, mit welchen zuerst der Gewinn der Personengesellschaft festgestellt und dann im Rahmen einer fiktiven Ausschüttung auf die Gesellschafter*innen verteilt wird, bei denen der Gewinn im Rahmen der persönlichen Einkommensteuer veranlagt wird.
Im Falle der Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich drei Ebenen denkbar, an denen Besteuerung erfolgen kann. Zum einen können die Gewinne, die ein Unternehmen macht besteuert werden, zum anderen können die Ausschüttungen, die das Unternehmen an seine Gesellschafter*innen ausgibt, besteuert werden. Zuletzt kann das im Unternehmen liegende Vermögen gesondert besteuert werden. Eine solche Vermögensbesteuerung auf Unternehmensebene ist jedoch mit Blick auf die in diesem Antrag vorgesehene vollumfängliche Berücksichtigung von Unternehmensanteilen in der persönlichen Vermögensbesteuerung nicht zielführend.
Entsprechend unserer marxistischen Analyse und der praktischen Erfahrungen mit der Körperschaftssteuer, aus denen sich ergibt das Kapitalgesellschaften zahlreiche Möglichkeiten haben, ihre Steuerlast im Rahmen der Körperschaftsteuer durch Gestaltung künstlich zu senken, wollen wir den Fokus bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften auf die Anteilseigner*innen als natürliche Personen legen.
Dies bedeutet, dass wir auf Ebene der Körperschaftsteuer eine erste Besteuerung in Kombination des Mindestlevels internationaler Vereinbarungen (15%) und des Ersatzes der Gewerbesteuer (15%) von aktuell insgesamt 30% vornehmen wollen. Die hauptsächliche Besteuerung soll dann auf Ebene der Ausschüttungen erfolgen. Auch hier soll der Kapitalertrag nicht abgeltend und nicht als Flat-Tax besteuert werden, sondern unabhängig von der Höhe der Beteiligung voll in der persönlichen Einkommensteuerpflicht des Gesellschafters berücksichtigt werden. Das sogenannte Teileinkünfteverfahren, bei dem die Ausschüttung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Zusammenspiel mit der Körperschaftsteuer nur teilweise berücksichtigt wird, wollen wir nur noch für Klein- und Kleinstunternehmen anwenden. Eine Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen für größere Gesellschaften und damit eine Höherbelastung des Faktors Kapital gegenüber dem Faktor Arbeit nehmen wir nicht nur Bewusst in Kauf, sondern halten diese für geboten.
Indirekte Steuern
Indirekte Steuern sind zwar für jede Person gleich hoch, belasten aber nicht alle Einkommensgruppen gleich stark. Unter indirekten Steuern verstehen wir dabei Steuern, die beim Kauf von Verbrauchs- oder Konsumgütern sowie Dienstleistungen anfallen. Sie sind anteilig im Preis enthalten und müssen von der konsumierenden Person an die verkaufende Person mitgezahlt werden. Somit fällt die Steuer erst durch den Kauf an und wird durch die verkaufende Person an den Staat abgeführt. Weil Menschen mit niedrigem Einkommen dieses nahezu komplett für den Konsum nutzen, haben sie im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen die höchste Steuerlast durch die indirekten Steuern. Aufgrund unserer intersektionalen Analyse wissen wir, dass beispielsweise Frauen und migrantisierte Menschen überdurchschnittlich der untersten Einkommensgruppe angehören. Indirekte Steuern treffen sie daher besonders hart. Da mit steigendem Einkommen die prozentuale Steuerlast sinkt, handelt es sich bei indirekten Steuern um regressive Steuern. Zusammen mit der ebenfalls regressiven Wirkung der Sozialabgaben hebelt sie so die progressive Wirkung der Einkommensteuer fast vollständig aus. Aus diesem Grund sehen wir indirekte Steuern grundsätzlich kritisch.
Jedoch haben indirekte Steuern zusätzliche Lenkungswirkung, da sie bestimmte Produkte teurer und dadurch den Umstieg auf Alternativen opportun machen. Steuern können jedoch nie allein gesellschaftliche Probleme lösen, weshalb die steuerlichen Lenkungswirkungen in allen weiteren Abschnitten durch ordnungspolitische Maßnahmen unterstützt werden müssen.
Die Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer genannt, fällt auf praktisch alle Konsumprodukte an und hat daher keine nennenswerte Lenkungswirkung und belastet untere Einkommensgruppen jedoch überdurchschnittlich.
Daher fordern wir die Abschaffung der Umsatzsteuer.
Die regressive Wirkung aller folgenden indirekten Steuern kann kurzfristig über Transferleistungen ausgeglichen werden. Wir begreifen dieses Steuerkonzept jedoch als Gesamtwerk, welches als solches die Progression des gesamten Steuersystems sicherstellt.
Treibhausgase
Wir Jusos fordern die Einführung einer Treibhausgassteuer, welche die bisherige CO2-Steuer, sowie alle spezifischen Steuern auf Treib- und Brennstoffe ersetzt. Die Höhe dieser Steuer soll sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren um externelle Kosten des Treibhausgasausstoßes zu internalisieren und diesen so zu begrenzen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind weitere Studien notwendig, um diese zu bestimmen.
Das wichtigste Argument für die Treibhausgassteuer ist, Anreize für Unternehmen zu schaffen, ihre Produktion klimaneutraler zu machen. Das Einsparen von Kosten ist bei Unternehmen ständige Praxis. In Branchen in welchen Zertifikatehandel betrieben wird, soll die Treibhausgassteuer wie ein Mindestpreis fungieren.
Konsumsteuern
Eine Besteuerung von Suchtmitteln wie Alkohol, Tabak und THC-haltigen Produkten lehnen wir ab. Uns ist bewusst, dass dieser Konsum gesellschaftliche Kosten verursacht, wir erachten es jedoch als Aufgabe einer konsequenten Sozialpolitik, in Fragen von Suchtproblematiken, Abfederung und Hilfe zu bieten.
Unsere Glücksspielbesteuerung ist als zusätzliche Gewinnbesteuerung konzipiert. Sie soll sich an der durchschnittlichen Gewinnwahrscheinlichkeit für den Glücksspielanbieter orientieren und den Gewinn der Betreiber*innen besteuern. Je mehr prozentualen Gewinn Betreiber*innen erwirtschaften, desto höher soll die Besteuerung ausfallen. Damit werden Glücksspieler*innen nicht besteuert, nur Betreiber*innen, welche durch ihr Glücksspielangebot einen fast risikolosen Gewinn erwirtschaften.
Wir sprechen uns explizit gegen eine Fleischsteuer aus. Eine Fleischsteuer verbessert nicht die Haltungsbedingungen von Tieren, sie würde lediglich dafür sorgen, dass weniger Fleisch konsumiert würde, was für uns nicht ausreicht, um eine regressive Steuer zu rechtfertigen.
Bezüglich einer Zuckersteuer sehen wir die Wirkung einer geringeren Zumischung von Zucker zu Lebensmitteln im Verhältnis zur regressiven Wirkung als zu gering an, weswegen wir uns auch gegen eine Zuckersteuer aussprechen.
Finanztransaktion und Grunderwerb
Um indirekte Steuern in diesem Konzept zu rechtfertigen, braucht es eine Lenkungswirkung. Die Lenkungswirkung von Finanztransaktions- und Grunderwerbsteuer ist, Kapitalanlagen gegenüber Konsum unattraktiver zu machen, was Spekulation vorbeugen soll. Finanztransaktionen soll daher mit einem Satz in der Größenordnung von einem Prozent besteuert werden. Um Bodenspekulation zu vermeiden, fordern wir einen Mindestsatz auf die Grunderwerbsteuer von 5%.