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Beschlussarchiv

G2 2022
Reproduktive Selbstbestimmung - Jetzt!

Antrag G02: Reproduktive Selbstbestimmung - Jetzt!
Ob man einen Kinderwunsch hat oder aber ganz bewusst Kinder für sich selbst
ausschließt, ist eine sehr persönliche Entscheidung. Und genauso persönlich wie die
Entscheidung an sich, sollte auch der Weg zur Erfüllung dieser aussehen. Das
entspricht jedoch bei weitem nicht der Realität. Schon seit langem kritisieren wir
Jusos in diesem Zusammenhang die restriktiven Gesetze bei Abtreibungen, die in
Deutschland noch immer im Strafgesetzbuch geregelt sind. Zu reproduktiver
Selbstbestimmung gehört nicht nur das Recht auf sichere und zugängliche Abtreibung,
sondern auch die Ermöglichung des Kinderwunsches. Dem möchte sich der vorliegende
Antrag widmen und formuliert deshalb grundlegende Perspektiven zum Thema reproduktive
Selbstbestimmung jenseits unserer bereits gefassten Beschlusslagen zum Thema
Schwangerschaftsabbruch. Ausdrücklicher Teil der reproduktiven Selbstbestimmung ist
nämlich jede prinzipiell denkbare Möglichkeit zur Erfüllung des eigenen
Kinderwunsches oder auch zur Erfüllung der eigenen Sterilität. Auch die
Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag die Diskussion um reproduktive
Selbstbestimmung gelegt. Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang für uns bleibt
jedoch: Die verschiedenen Themen von Leihmutterschaft, Eizellspende und
Sterilisierung, dürfen von der Regierungskoalition nicht als Nebelkerze benutzt
werden, um die längst überfällige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu
verhindern! Wir stehen diesbezüglich weiter hinter unserer Forderung:
Abtreibungsparagraphen raus aus dem Strafgesetzbuch!

Unerfüllter Kinderwunsch - Weg mit dem Tabu!
Eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die
zuerst 2014 veröffentlicht und 2020 durch neue Zahlen aktualisiert wurde, zeigt, dass
das Thema unerfüllter Kinderwunsch noch immer ein großes Tabu innerhalb unserer
Gesellschaft darstellt. So gaben nur rund 25 Prozent der Befragten an, Fachärzt*innen
aufgesucht zu haben, um eine organische Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch
abklären zu lassen. Gleichzeitig werden vor allem von Männern Angebote der
Unterstützung häufig als Risiko der Stigmatisierung wahrgenommen; folglich bleibt die
Debatte über ungewollte Kinderwünsche meist selbst im privatesten Kreis der
Betroffenen ein Tabu. Auch dies führt bei den Betroffenen dazu, dass sie sich alleine
mit den Konsequenzen ihres unerfüllten Kinderwunsches sehen, welches rein statistisch
gesprochen meist zum Nachteil von Frauen und Menschen mit Uterus ausgelegt wird: So
konnte die Studie belegen, dass ungewollt kinderlose Frauen und Menschen mit Uterus
und Männer im zunehmenden Alter dazu tendieren, die Ursache primär bei der Frau oder
Person mit Uterus selbst zu suchen, selbst wenn dies gar nicht einer getroffenen
Diagnose entspricht. Nicht zuletzt stellt das ein Symptom der patriarchalen Abwertung
von Frauen und Personen mit Uterus, die keine Mütter sind/sein können dar. Für
gewollt kinderlose Frauen und Personen mit Uterus bedeutet dies häufig, dass ihnen
mögliche Sterilisationen abgesprochen werden, für ungewollt Kinderlose hingegen die
Wahrnehmung das eigene Frausein sei ‚beschädigt‘. Und auch für 56 Prozent aller
kinderlosen Männer gilt noch immer die Aussage „Vaterschaft gehört zum Mannsein
dazu“. Besonders auch für trans Personen ist das Thema reproduktive Rechte mit einer
besonderen Brisanz verbunden. Denn für sie ist die ungewollte Kinderlosigkeit häufig
noch mit transfeindlichen Stigmata innerhalb der Gesellschaft verbunden.

Kinderwunsch erfüllbar machen - mit Leihmutterschaft und Eizellspende
Die Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend belegt
eindrücklich, dass viele ungewollt Kinderlose auf verschiedene Weise den Versuch
unternehmen, ihren Kinderwunsch zu ermöglichen. Aktuell stehen ungewollt Kinderlosen
in Deutschland dafür verschiedene Wege zur Verfügung. So etwa die künstliche
Befruchtung als In-vitro-Fertilisation (IVF), bei der Eizellen und Sperma entnommen
werden, welche dann im Labor zur Befruchtung genutzt werden, um sie nach
erfolgreichem Wachstum der ungewollt kinderlosen Frau oder Person mit Uterus wieder
einzusetzen. Ist die Qualität der Spermien nicht ausreichend für dieses Verfahren,
ist auch eine zusätzliche Samenspende denkbar. Eine andere Möglichkeit stellt die
Samenspende dar, die von Paaren genutzt wird, bei denen der Mann steril ist oder aber
die für lesbische Paare notwendig ist. Bei einer Samenspende ist eine künstliche
Befruchtung wie zuvor beschrieben möglich, aber auch eine Insemination. Darüber
hinaus können hormonelle Behandlungen und Stimulationen helfen den Kinderwunsch zu
erfüllen. Für Frauen und Menschen mit Uterus, die steril sind, kommen diese
Möglichkeiten mitunter nicht in Frage. Möglich ist dann etwa die Embryonenspende. Bei
der Embryonenspende werden Embryonen, die von anderen nach einer
Kinderwunschbehandlung nicht mehr genutzt wurden, gespendet und in die Betroffenen
eingesetzt. Außerdem könnten eigene vor Jahren eingefrorene Eizellen genutzt werden,
um mit einer IVF eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Auch wenn sowohl die
Krankenkassen solche Eingriffe zum Teil übernehmen, als auch die Länder sie
bezuschussen, entscheiden vor allem die finanziellen Mittel der Betroffenen, ob und
wie der Kinderwunsch erfüllt werden kann. Noch immer genießen verheiratete Paare
finanzielle Privilegien und erhalten mehr Zuschüsse, während nicht verheiratete Paare
oder einzelne Personen hohe Summen zahlen müssen. So werden auch heute noch
traditionelle Familienbilder über andere gestellt und die finanziellen Mittel der
Betroffenen bleiben der entscheidende Faktor bei der künstlichen Befruchtung. Kommen
diese Möglichkeiten nicht in Frage oder bleiben erfolglos, bleibt in Deutschland
zumeist nur die Adoption übrig. Denn die Eizellspende, ebenso wie die
Leihmutterschaft, sind in Deutschland nicht erlaubt.

Leihmutterschaft ermöglichen!
Für schwule Männer, genauso wie für unfruchtbare Frauen und Menschen mit Uterus, gibt
es in verschiedenen Ländern die Möglichkeit der Leihmutterschaft. Dabei werden einer
so genannten Leihmutter gespendete Eizellen oder Eizellen der ungewollt Kinderlosen,
die zuvor via IVF befruchtet wurden, eingesetzt. Mit diesem Verfahren besteht dann
keine biologische Verwandtschaft zwischen der Leihmutter und dem gezeugten Kind. In
Deutschland ist dieses Verfahren auf Grund des Gesetzes zum Schutz von Embryonen
(ESchG) verboten, denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 des ESchG wird mit Freiheitsstrafe
bestraft, wer bei einer Leihmutter „eine künstliche Befruchtung“ unternimmt oder
„einen menschlichen Embryo“ überträgt. Dieses Gesetz richtet sich dabei also
ausdrücklich gegen die ausführenden Mediziner*innen und nicht gegen die Leihmutter
oder die Person(en), die Eltern werden möchten. Doch dieses Gesetz heißt nicht, dass
es in Deutschland keine durch Leihmütter ausgetragenen Kinder gibt! Denn wer es sich
leisten kann, nimmt Angebote von Leihmüttervermittler*innen an. Diese Börsen stellen
Kontakte zu Kinderwunschzentren etwa in den USA oder Indien her, wo die
Leihmutterschaft erlaubt und (besser oder schlechter) gesetzlich geregelt ist. So
wird der Kinderwunsch also auch zur ökonomischen Frage. Schließlich ist es so, dass
die besten Chancen auf die Erfüllung jene haben, die über die in Deutschland zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten und Finanzierungen der Krankenkassen hinaus,
eigenständig Geld in die Hand nehmen können. Des Weiteren ist zu bedenken, dass auch
so ein Ungleichgewicht im internationalen Sinn mit den aktuellen Verhältnissen der
Leihmutterschaft reproduziert wird. In Deutschland werden häufig Leihmütter aus
Schwellen- und Entwicklungsländern beauftragt, da es dort günstigere Angebote gibt
als in den USA. Ein derartiges Verhältnis von Auftraggebende aus dem wohlhabenden
Deutschland und den weniger wohlhabenden Anbieter*innen gilt es zu überwinden. Ein
solcher Tourismus für die Inanspruchnahme von Leihmutterschaft kann auch gesetzlich
umgangen werden, etwa durch Regelungen die die Wohndauer der werdenden Eltern
betreffen.
Im Falle der Leihmutterschaft endet der steinige Weg zum eigenen Kind aber nicht,
selbst wenn man das Geld hat, um im Ausland eine passende Leihmutter zu finden. Denn
dann ist das Abstammungsrecht noch zu bedenken. Nach dem deutschen Abstammungsrecht
ist jene Person als Mutter anzusehen, welche das Kind ausgetragen hat. Wenn ein Kind
kurz nach der Geburt nach Deutschland gebracht wird, gilt als so genannter
gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes Deutschland und damit das deutsche
Abstammungsrecht, das keine Leihmutterschaft vorsieht. So kommt es zur irrsinnigen
Situation, dass die Leihmutter (die nicht biologisch mit dem ausgetragenen Kind
verwandt ist und nach etwa US-amerikanischem Gesetz somit auch nicht Mutter des
Kindes im Sinne der Abstammung) als Mutter in einer deutschen Geburtsurkunde
aufgeführt wird. Diesem Problem widmete sich die Rechtsprechung bereits und
entschied, dass im Falle von Leihmutterschaft das Abstammungsrecht des Landes der
Leihmutter anerkannt werden kann, wenn festzustellen ist, dass die Menschenwürde der
Leihmutter nicht verletzt wurde, etwa weil sie nicht zur Leihmutterschaft gezwungen
wurde. Das bedeutet zusammengefasst: Das deutsche Abstammungsrecht sieht keine
Leihmutterschaft vor, doch durch Entscheidungen des Familiengerichts (die bindend für
Gerichte und Verwaltungsbehörden sind) können Eltern, deren Kind durch
Leihmutterschaft im Ausland geboren wurde ihre eigene Elternschaft anerkennen lassen,
wenn sie Entscheidungen eines Gerichts oder einer Behörde aus dem Geburtsland des
Kindes vorlegen können. Trotzdem bleibt jedoch das Risiko, dass ein Standesamt die
Auffassung vertritt, dass das deutsche Abstammungsrecht gilt, in welchem Falle dann
ein Adoptionsverfahren angestrengt werden muss. Bis ein Verfahren abgeschlossen ist,
ist die Einreise des Kindes nach Deutschland nicht ohne weiteres möglich, da das Kind
kein Recht auf einen deutschen Pass hat.
Die Frage bleibt: Warum ist eine Leihmutterschaft in Deutschland illegal? Die Antwort
ändert sich je nachdem, wem man diese Frage stellt. So argumentieren einige mit der
Gefahr der Ausbeutung der Leihmutter, denn in den meisten Fällen wird diese
finanziell entschädigt. Doch was ist an diesem Argument dran? Zunächst einmal sollten
sich die Modelle dieser Entschädigung vor Augen geführt werden. In den USA etwa
erhält eine Leihmutter finanzielle Mittel, welche die für die Schwangerschaft
notwendige medizinische Versorgung gewährleisten. Darüber hinaus wird in der Regel
Geld vorgesehen für Ausgaben wie Schwangerschaftskleidung und ähnliches.
Zusätzliches Geld wird als Entschädigung für die körperlichen Risiken verstanden,
denn zweifelsohne stellt sowohl eine für die Leihmutterschaft erforderliche
(missglückte) IVF, als auch eine Schwangerschaft und Geburt erhebliche Belastungen
für die Schwangere dar. In welcher Höhe es gezahlt wird, kann in Absprache zwischen
der Leihmutter und den intendierten Eltern festgelegt werden, durchschnittlich kann
von etwa 25.000 Dollar ausgegangen werden. Natürlich entscheidet auch eine etwaige
Obergrenze an Schwangerschaften darüber, wie viel Geld die Leihmutter durch ihre
Schwangerschaft(en) verdienen kann. In den USA gibt es eine solche Obergrenze
gesetzlich nicht, die meisten ärztlichen Praxen, die sich auf Kinderwunsch und
Leihmutterschaft spezialisiert haben, legen jedoch eine maximale Obergrenze von sechs
Schwangerschaften fest. Dabei berücksichtigt werden jedoch auch eigene
Schwangerschaften. Dieser Prozess legt für viele die Gefahr nahe, dass besonders
Frauen und Menschen mit Uterus, die in finanzieller Not stecken die Möglichkeit der
Leihmutterschaft für sich in Betracht ziehen. In diesem Zusammenhang ist jedoch ganz
klar zu sagen, dass eine Legalisierung von Leihmutterschaft mit einer Reihe von
Gesetzen einher gehen müsste, die dieses Risiko minimieren. Denkbar wären etwa
gesetzliche Obergrenzen der Schwangerschaften festzulegen sowie Voruntersuchungen und
Gespräche, die die Motive der möglichen Leihmutter genauestens untersuchen. So gilt
in den USA etwa, dass Personen, die Leihmutter werden wollen, ein gewisses Alter
haben müssen, ihre Gesundheit wird strengstens begutachtet und ebenso ist dort eine
Leihmutterschaft ausgeschlossen für Frauen und Menschen mit Uterus, die Sozialhilfe
erhalten. Gleichzeitig sind auch Modelle der Leihmutterschaft ganz ohne Bezahlung
möglich. In dieser Form hat Portugal die Leihmutterschaft legalisiert und
gleichzeitig festgelegt, dass diese Art der Kindeszeugung nur als letzter Ausweg auf
Grund schwerwiegender gesundheitlicher Probleme gewählt werden darf. Die
Leihmutterschaft kann in Portugal also nur kostenlos vereinbart werden, wodurch das
Risiko der finanziellen Ausbeutung ausgeschlossen werden soll, denn das Angebot, sich
für eine Leihmutterschaft zur Verfügung zu stellen, muss in Portugal aus
altruistischen Motiven heraus geschehen.
Ein weiteres Argument, das Gegner*innen der Leihmutterschaft anführen, ist das Wohl
des Kindes. Auch dieser Argumentation ist heftig zu widersprechen, denn es liegt viel
mehr nahe, dass die unklare Rechtslage in Deutschland (Stand jetzt) zu Prozessen
führen, die auch die betreffenden Kinder in Mitleidenschaft ziehen können, wenn etwa
die Abstammung nicht anerkannt wird. Fest steht: Beim Thema Leihmutterschaft sollte
das Wohl der austragenden Schwangeren im Fokus stehen. Und in diesem Zusammenhang
gilt: Sofern ausreichende Regularien vorliegen, die eine Freiwilligkeit der
Leihmutter weitestgehend garantieren, ist dieses Wohl als erfüllt zu sehen. Klar ist
hier: Eine Legalisierung der Leihmutterschaft würde unter anderem dem Wohl der
austragenden Person zugutekommen, wie schon der deutsche Ethikrat feststellte. Dieser
argumentierte, dass das größere Risiko für Leihmütter bestünde, die in Ländern ohne
umfangreiche gesetzliche Rahmenbedingungen ein Kind austrügen (wie etwa in Indien)
und kam in Abwägung aller Argumente zu dem Ergebnis, dass Leihmutterschaft in
Deutschland zulässig sein sollte.
Bei einer Legalisierung der Leihmutterschaft muss stets das Wohl der Leihmutter im
Mittelpunkt stehen. Dabei müssen nicht nur die physischen Risiken, die mit einer
Schwangerschaft einhergehen, sondern auch die psychischen Risiken abgewogen werden.
Denn eine Schwangerschaft und Geburt kann durchaus eine immense Belastung darstellen.
In Anbetracht aller Argumente fordern wir deshalb:

  • Die Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland unter Festlegung
    bestimmter Maßstäbe die sowohl das physische als psychische Wohl der Leihmutter
    immer in den Fokus der einzelnen Situation setzen. Diese Maßstäbe stellen
    sicher, dass die patriarchale und kapitalistische Ausbeutung der Gebärenden
    minimiert wird. Das bedeutet, dass wir ausdrücklich jene Leihmutterschaft als
    legitim erachten, die nicht im Sinne einer Erwerbstätigkeit verläuft. Eine
    Bezahlung für die Ausgaben im Rahmen von körperlichen und psychischen Risiken
    und damit das Abdecken von möglichen Ausgaben einer Schwangerschaft halten wir
    für sinnvoll. Ausdrücklich nicht unsere Zustimmung kann also ein Modell der
    kommerziellen Leihmutterschaft erfahren, welches dafür bestimmt ist erwerbsmäßig
    den eigenen Lebensunterhalt mit der Leihmutterschaft zu bestreiten.
  • Die Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland unter Festlegung
    bestimmter Maßstäbe die sowohl das physische als psychische Wohl der Leihmutter
    immer in den Fokus der einzelnen Situation setzen. Diese Maßstäbe stellen
    sicher, dass die patriarchale und kapitalistische Ausbeutung der Gebärenden
    minimiert wird.
  • Die Leihmutter darf nur zwei Mal in ihrem Leben eine altruistische
    Leihmutterschaft durchführen.
    -Die Eizellspenderin tritt ihre Rechte während der Schwangerschaft an die
    Leihmutter ab.
    -In Konsequenz die Änderung des Abstammungsrechts in Hinblick auf
    Leihmutterschaft.
    -Es muss die Möglichkeit offengelassen werden, dass das Kind Informationen
    erhalten darf, wer die Leihmutterschaft durchgeführt hat. Hierbei sollen Daten
    über die medizinische Historie der Leihmutter sowie Daten die nicht zur
    Ermittlung der Person verwendet werden können, grundsätzlich erhalten werden
    können. Weitere Daten bis hin zur Kontaktmöglichkeit mit der Leihmutter, sind im
    Vorfeld der Leihmutterschaft von allen Beteiligten in Art und Umfang
    festzulegen.

    Eizellspenden ermöglichen!
    Eine weitere Kinderwunschbehandlung, die im Ausland auf verschiedene Weise
    legalisiert ist, ist die Eizellspende. Bei dieser werden der spendenden Person nach
    einer hormonellen Behandlung gereifte Eizellen entnommen, die dann für eine
    Kinderwunschbehandlung mit IVF einer anderen Frau oder Person mit Uterus eingesetzt
    werden können. Dieser Prozess bedeutet also, dass die austragende schwangere Person
    keine biologische Verwandtschaft mit dem späteren Kind hat. Die Eizellspende ist
    insofern als Pendant zur Samenspende zu verstehen, mit dem Unterschied, dass letztere
    in Deutschland legal ist. Dies geht auch auf eine patriarchale Gesellschaftsordnung
    zurück, die weiblich gelesen Körper strenger kontrolliert als männlich gelesene
    Körper. Der Grund dafür liegt abermals im Embryonenschutzgesetz. Dieses regelt, dass
    einer Frau oder Person mit Uterus nur eigene Eizellen wieder eingesetzt werden
    dürfen; auch hier richtet sich die Strafbarkeit dabei gegen die Mediziner*innen. Für
    die ungewollt Kinderlosen in Deutschland, die auf eine Eizellspende angewiesen sind,
    bedeutet auch dieser Fall vor allem wieder finanziellen Aufwand. Denn die
    Eizellspende ist in vielen Ländern in der EU legal und kann in Anspruch genommen
    werden, wenn die erforderlichen finanziellen Mittel vorhanden sind. So kann eine
    Eizellspende etwa in Belgien, Polen, Tschechien oder Österreich stattfinden, wenn die
    erforderlichen Kosten von 7.500-9.000 Euro erbracht werden können. Auch bei der
    Argumentation gegen die Eizellspende fällt oftmals das Argument der finanziellen
    Ausbeutung von der spendenden Person. Genauso wie bei der Leihmutterschaft ist hier
    jedoch anzuführen, dass mit einer Legalisierung eine umfangreiche Regulierung der
    Auswahl der spendenden Person erfolgen muss.
    In einem Punkt unterscheidet sich der Fall der Eizellspende beträchtlich von der
    Leihmutterschaft: Denn das Kind hat eine biologische Verwandtschaft zu der Person,
    die die Eizelle gespendet hat. Interessenverbände von mit Samenspenden gezeugten
    Kindern kämpfen (nicht nur in Deutschland) seit Jahren für das Recht auf das Wissen
    über die eigene Abstammung. Und klar sein muss: Auch im Fall einer Eizellspende muss
    dieses Recht gestärkt und anerkannt werden! Etwa Österreich hat hier eine Regelung
    gefunden, die genau dies gewährleisten soll: Dort haben Kinder, die durch eine
    gespendete Eizelle gezeugt wurden, das Recht mit 14 Jahren den Namen der biologischen
    Mutter zu erfahren.
    Wir fordern:
    -Die Legalisierung der Eizellspende mit der Einführung notwendiger Gesetze und
    Verordnungen, die das Risiko der Ausbeutung
    der spendenden Person
    minimieren.

    -Die Einführung des Rechts des gezeugten Kindes die Identität der spendenden
    Person zu erfahren, um sich über die eigene Abstammung zu informieren.

    -Die Eizellenspende darf nicht zur Ausbeutung innerhalb des kapitalistischen
    Systems führen

    -Infolgedessen psychologische Beratungsmöglichkeiten vor und nach der Spende

     -Eine gleiche finanzielle Unterstützung für alle Menschen mit Kinderwunsch,  
     unabhängig von ihrem Familienstand.

    Kein Kinderwunsch? - Kein Problem!
    Genauso wie die Möglichkeit der Erfüllung des Kinderwunsches gehört zur reproduktiven
    Selbstbestimmung auch die Gewährleistung der Kinderlosigkeit, wenn dies gewünscht
    ist. Neben dem Recht auf Abtreibung umfasst dies selbstverständlich auch die
    Notwendigkeit kostenloser Verhütungsmittel - und zwar ein Leben lang!
    Ein Mittel der Verhütung für Frauen und Menschen mit Uterus, dass bestmöglich die
    Kinderlosigkeit gewährleisten würde, ist in Deutschland jedoch nur schwer zugänglich:
    Die Sterilisation. Medizinisch gesehen ist eine Sterilisation keine Neuerfindung. In
    der Realität wird sie jedoch vor allem als Behandlungsmaßnahme etwa bei Krebs oder
    Krankheiten wie Endometriose genutzt. Die freiwillige Sterilisation, bei der die
    Eileiter durchtrennt werden, bleibt vielen bewusst Kinderlosen oder auch Frauen und
    Menschen, die keine weiteren Kinder mehr wollen, verwehrt. Der Grund dafür liegt in
    unserer patriarchalen Gesellschaft, die es Frauen noch immer strukturell abspricht,
    über ihren eigenen Körper entscheiden zu können. Besonders junge Frauen müssen sich

    auf eine Odyssee von einer Praxis zur nächsten machen, wenn sie sich für eine
    Sterilisation entschieden haben. Die Ärzt*innen weisen sie dann zumeist ab mit der
    Begründung, dass sie noch keine Kinder hätte und sie diese später ja noch haben
    wollen könnten. Auch wird die Behandlung oft verweigert, weil die Sterilisation bei
    Frauen sowie Menschen mit Uterus nicht in jedem Fall reversibel ist. Für uns ist
    klar: Wir sprechen jeder Person die Autonomie zu, selbst entscheiden zu können, was
    mit dem eigenen Körper passiert und ob ein Kinderwunsch besteht oder nicht. Zur
    reproduktiven Selbstbestimmung gehört für uns deshalb selbstverständlich auch die
    Sterilisation für Frauen und Menschen mit Uterus!
    Besonders prekär: In Deutschland gesellt sich zu der patriarchalen Tabuisierung noch
    eine erhebliche ökonomische Belastung bei einer Sterilisation. Denn: In der Regel
    müssen die Betroffenen selbst für die Sterilisation aufkommen; Krankenkassen zahlen
    meist nur jene Sterilisationen, die medizinisch notwendig sind. Weshalb eine Person,
    die sich selbst über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse im klaren ist, aus Geldnot
    über Jahre hinweg auf Verhütungsmittel angewiesen sein sollte, weil eine
    Sterilisation, die bis zu 1000 Euro kosten kann, nicht möglich scheint, ist unklar.
    Dies betrifft selbstverständlich auch die Vasektomie, die in Deutschland ebenso wenig
    von Krankenkassen bezahlt wird, wenn keine medizinische Notwendigkeit besteht.
    Deshalb fordern wir:

  • Die Enttabuisierung der Sterilisation bei Frauen und Menschen mit Uterus,
    besonders bei jungen Frauen und Menschen mit Uterus!
  • Die Kostenübernahme von Krankenkassen für freiwillige Sterilisationen und
    Vasektomien, und zwar in jedem Fall.

    Die feministische Dimension der reproduktiven Selbstbestimmung
    Für uns als feministischen Richtungsverband ist die Analyse patriarchaler
    Verhältnisse unserer Gesellschaft in allen Fällen grundlegend. Deshalb bleibt
    abschließend festzustellen, dass die Debatte um reproduktive Selbstbestimmung niemals
    ohne die feministische Perspektive zu führen ist. Für uns stellt es in diesem
    Zusammenhang keinen Zufall dar, dass ausgerechnet die Behandlungen der reproduktiven
    Selbstbestimmung, die sich an Frauen und Menschen mit Uterus richten, strenger
    reguliert sind. Etwa die Vasektomie ist bei Männern gängige Praxis, obwohl sie auch
    bei ihnen nicht in jedem Fall reversibel ist. Und auch die Samenspende ist erlaubt
    und seit Jahrzehnten geregelt. Natürlich ist zwischen der körperlichen Belastung bei
    Eizellspende und Samenspende durch den*die Spender*in zu unterscheiden: Klar ist
    jedoch, dass für jeden medizinischen Eingriff gelten sollte, dass die betroffene
    Person unter Rat der zuständigen Fachärzt*innen selbst beurteilen kann, ob das Risiko
    für sie vertretbar ist. Ist dies der Fall, sollte keine gesellschaftliche Auffassung
    von Frauen als Mütter oder Vorstellungen von Kernfamilien im Sinne der heterosexuellen Norm darüber entscheiden, wie die reproduktive Selbstbestimmung gestaltet wird.