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Beschlussarchiv

O5 2022
Die Würde des Menschen ist unantastbar - sogenannte defensive Architekturverbieten

Antrag O05: Die Würde des Menschen ist unantastbar - sogenannte defensive Architektur verbieten
Wir fordern eine starke Regulierung der defensiven Architektur in deutschen Städten
und Gemeinden. Dies beinhaltet das Verbot defensiver Architektur in kommenden
Bauprojekten im öffentlichen Raum und im öffentlichen Personennahverkehr sowie den
Rückbau solcher Bauelemente. Solche Bauelemente beinhalten (beispielhaft):

  • Bänke mit starken Rundungen oder Armlehnen in geringem Abstand zueinander
  • Betonklötze mit Spitzen unter Brücken
  • blaues Licht (damit Menschen, die Drogen konsumieren ihre Venen nicht sehen können)
  • Musik oder Ultraschall in Orten wie Bahnstationen
  • das bewusste Entfernen von Objekten, z.B. Bänken, damit diese nicht als Schlafmöglichkeit genutzt werden
    Außerdem fordern wir schlussfolgernd, dass es auf kommunaler Ebene eine Möglichkeit
    geben muss, defensive Architektur auf öffentlichem Grund zu melden. Dies soll
    ermöglichen, auf übersehene architektonische Probleme hinzuweisen und muss möglichst
    bürokratiearm erfolgen können.
    Unter defensiver Architektur (auch häufig Anti-Obdachlosen-Architektur; Feindliches
    Design, englisch: hostile architecture) versteht man im Städtebau technische
    Maßnahmen, die Menschen nicht dazu verleiten lange zu verweilen. Beispiele für solche
    Installationen sind Bänke mit starken Rundungen oder Armlehnen in geringem Abstand
    zueinander sowie Betonklötze mit Spitzen unter Brücken. Solche Maßnahmen sollen vor
    allem dazu führen, dass sich Menschen ohne festen Wohnsitz aber auch junge Menschen
    an diesen Orten nicht allzu lange aufhalten. Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, dass
    es nicht zu kriminellen Handlungen kommt oder zu einer Vermüllung, um das Ansehen der
    jeweiligen Stadt und Kommune zu wahren.
    Dies führt dazu, dass vor allem Menschen ohne festen Wohnsitz es noch schwieriger
    haben einen Ort zum Schlafen oder für die Betreibung von Körperhygiene zu finden.
    Außerdem werden diese Menschen aus dem gesellschaftlichen Leben gedrängt, da ihre Art
    zu leben nicht in das Normbild vom privilegierten Menschen passt. Dies hat große
    Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Menschen ohne festen Wohnsitz. Nur
    durch das Errichten defensiver Architektur wird Obdachlosigkeit nicht bekämpft, nur
    aus dem Blick anderer Menschen verbannt. Probleme werden nicht gelöst, sondern nur
    verlagert oder verschlimmert. Das kann und darf nicht unser Ziel sein!
    Auch jungen Menschen werden häufig keine Räume zur Verfügung gestellt und die Plätze,
    die sie für sich finden durch solche Maßnahmen genommen. Statt in defensive
    Architektur zu investieren könnten die dafür genutzten finanziellen Mittel genutzt
    werden, um öffentliche Räume des Zusammenkommens zu fördern und auszubauen. Der
    Einsatz von blauem Licht, z.B. in öffentlichen Toiletten und Bahnunterführungen soll
    den Gebrauch von intravenösen Drogen verhindern, da die blauen Venen nicht mehr zu
    erkennen sind. Dies führt aber nicht dazu, dass keine Drogen konsumiert werden,
    sondern dass diese in einem riskanten Umfeld injiziert werden. Dies erhöht das Risiko
    medizinischer Notfälle und in schweren Fällen kann es zum Tod führen. Diese Maßnahme
    muss augenblicklich verboten werden!
    Wir setzen uns stattdessen für die Errichtung von Konsumräumen ein. Dort können
    Suchtkranke sicher konsumieren und bei drogenbezogenen, gesundheitlichen oder
    sozialen Problemen entsprechende Hilfen in Anspruch nehmen.
    Der Blick auf die Ursprünge defensiver Architektur verdeutlicht noch einmal, dass
    hinter diesem Begriff eine diskriminierende und menschenfeindliche Überzeugung
    steckt: Die ersten aufgezeichneten Beispiele defensiver Architektur sind im 19.
    Jahrhundert in den USA zu finden. Hier wurde diese Form der Architektur genutzt, um
    die Segregation nach Hautfarbe zu unterstützen. Allein diese geschichtliche Herkunft
    macht deutlich, dass wir uns von diesem Konzept schon längst verabschiedet haben
    müssten! Defensive Architektur ist ein Einschnitt für alle Bevölkerungsgruppen. Der
    Abbau von Bänken und Rastmöglichkeiten in Innenstädten führt dazu, dass ältere
    Menschen keine Stellen für Pausen finden und somit für sie ein Besuch in Städten
    immer unattraktiver gestaltet wird. Des Weiteren kann defensive Architektur dazu
    führen, dass Orte ihre Barrierefreiheit verlieren. Man sieht: Defensive Architektur
    löst keine Probleme und führt ebenfalls nicht zu einer höheren Sicherheit. Sie führt
    nur dazu, dass eine Vielzahl von Menschen unter einer unmenschlichen und von
    Verachtung geprägten Überzeugung Nachteile erfahren - unserer Meinung nach ist dies
    untragbar.